kommentar von Konrad Litschko: Ein Verbot hätte nichts geändert
Es war die Hoffnung vieler im Vorfeld dieser Entscheidung: Karlsruhe möge ein starkes Zeichen setzen gegen den Rechtsextremismus, gerade in diesen Zeiten, in denen die Verachtung gegen Flüchtlinge und gegen die Demokratie grassiert. Die Verfassungsrichter haben die NPD nicht verboten. Und sie hatten keinen Zweifel an ihrem Urteil: Als derzeit viel zu bedeutungslos befanden sie die Neonazi-Partei.
Sie haben richtig entschieden. Das Verbotsansinnen krankte an vielem. Schon sein Ursprung war ein schneller Impuls: eine Reaktion auf die NSU-Verbrechen. Aber der NSU mordete auch ohne NPD-Hilfe. Die Verfassungsrichter haben recht, wenn sie in Erinnerung rufen, dass das Parteiverbot eine der schwersten Waffen dieser Demokratie ist, welches nicht leichtfertig einzusetzen ist. Der Parteienstreit, der Wettbewerb um das beste Argument, ist eine grundgesetzlich festgeschriebene Errungenschaft. Ein Verbot greift hier maximal ein – indem es einen politischen Mitbewerber aus dem Diskurs nimmt und dessen Argumente vor dem Bürger verbannt.
Dass es diesmal die NPD hätte treffen sollen, mag auf den ersten Blick gefallen. Die Neonazi-Partei hetzt gegen Minderheiten, sie relativiert NS-Verbrechen, sie predigt eine krude Volksgemeinschaft. Sie versucht nicht einmal, ihre Menschenverachtung zu kaschieren. Und es mutet unerträglich an, dass sie dafür auch noch mit Steuergeldern alimentiert wird. Kann diese Demokratie das aushalten?
Sie kann. Die NPD ist momentan ein Winzling. Rund 340 Mandate hält die Partei noch – von bundesweit 230.000. Gegen diese „Gefahr“ das schwerste Geschütz der Demokratie einzusetzen, wäre nicht nur eine rechtsstaatliche Überreaktion gewesen, sondern auch zu viel der Ehre. Sicher: Auch 340 Mandate sind ein Problem. Gerade in einigen Orten Mecklenburg-Vorpommerns oder Sachsens, in denen sich die Rechtsextremen über Jahre festgesetzt haben. In deren Bewohnerschaften ihre Ressentiments tief einsickern, in denen Andersdenkende zum Schweigen gebracht werden sollen. Aber: Es hätte sich durch ein Verbot eben nichts geändert – weil die überzeugten Hetzer auch ohne NPD-Fahne weiter gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht oder Gegner bedroht hätten.
Das Problem ist längst größer als die NPD. Inzwischen eilt die AfD von Erfolg zu Erfolg, die gerade im Osten der Republik ganz ähnliche Parolen wie die NPD verbreitet – damit aber viel weitreichender das gesellschaftliche Klima kontaminiert. Und auch die Zahlen rechter Gewalttaten stiegen in den letzten Jahren – verübt längst nicht nur von Parteigängern der NPD. Das Bemühen der Bundesländer um ein Verbot der NPD mutete da wie Resignation an: Soll es doch Karlsruhe richten. Dass die Richter diese Aufgabe nun an die Länder zurückgeben, ist die finale Blamage für die Innenminister. Der Einsatz gegen den Rechtsextremismus lässt sich eben nicht delegieren.
Die Richter formulierten nun eine viel stärkere Botschaft als ein Verbot: Der liberale Rechtsstaat lässt sich nicht von einer Hass predigenden Splittergruppe aus der Reserve locken. Er ist stark genug, um auf Symbolpolitik verzichten zu können. Und er vertraut auf seine Argumente.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus muss jetzt direkt geführt werden, nicht indirekt über die NPD. In rechten Hochburgen braucht es den demokratischen Widerspruch, das alltägliche Engagement von Parteien und Bürgern. Es ist ein Kampf, der ungleich aufwändiger ist als die Formulierung eines Verbotsantrags. Aber nur er wird am Ende auch Wirkung entfalten.
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