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Zugeständnisse bei FacebookProblembewusstsein okay

Mark Zuckerberg erklärt, er wolle gegen Falschmeldungen vorgehen. Gegen Hass im Netz macht das Netzwerk Facebook (noch) nichts.

Hinter den Kulissen arbeitet Facebook laut Zuckerberg bereits an Problemen mit Falschmeldungen Foto: ap

Bis der Schöpfer eingesteht, dass auf seinem blauen Planeten mit bald zwei Milliarden Bewohnern nicht alles rund läuft, geht für gewöhnlich erschreckend viel Zeit drauf. Nun aber hat Mark Zuckerberg schnell reagiert.

Vor nicht mal zwei Wochen bezeichnete „Zuck“ die Vorstellung, gefälschte Nachrichten über Facebook hätten Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten gemacht, noch als „ganz schön verrückt“. Fake-News machten schließlich grundsätzlich nur „einen sehr geringen Teil“ aller Inhalte aus.

Am diesem Wochenende nun aber informierte der Konzernchef mit einem Facebook-Eintrag: Man nehme Falschinformationen „ernst“ und arbeite – siehe da! – „schon lange an diesem Problem“. Er gesteht also ein: Das Facebook-Management hat vor geraumer Zeit festgestellt, wie gefährlich Falschmeldungen sein können, die sich mitunter rasant verbreiten.

Gleich mehrere Entwicklungen in den vergangenen Tagen dürften den Facebook-Chef zur öffentlichen Kehrtwende bewogen haben: Die Nachrichtenseite Buzzfeed, die in den USA auch ernsthaften Journalismus betreibt, hat in der vergangenen Woche eine brisante Analyse veröffentlicht. Demnach haben sich zur Präsidentschaftswahl Falschmeldungen weiter verbreitet als seriöse Medienberichte. Facebook hat das bislang nicht dementiert.

Tot, dank Softwarefehler

Dazu kommt eine peinliche Panne: Nur zwei Tage, nachdem Zuckerberg Falschinfos auf Facebook noch klein geredet hat, waren mehrere Millionen Nutzer fälschlicherweise tot – auch der Schöpfer selbst. Softwarefehler.

Zuckerberg schreibt nun, er wolle – wenn auch wie üblich vor allem mit Partnern statt eigenen Leuten – Quellen verifizieren und Fakten in geteilten Beiträgen prüfen. Zweifelhafte Beiträge will Facebook künftig mit Warnhinweisen versehen. Außerdem sollen Anbieter, die Fake-News vorsätzlich verbreiten, kein Werbegeld mehr abbekommen. Entsprechend will das auch Google handhaben. Falschmeldungen sollen sich nicht mehr lohnen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Unterdessen hat Facebook noch immer ein anderes Problem mit Inhalten: Vor allem deutsche Politiker drängen das soziale Netzwerk weiter zum Kampf gegen den Hass.

Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) festgestellt hat, dass Facebook – so wie auch YouTube und Twitter – rassistische und gewaltverherrlichende Botschaften noch immer nicht zuverlässig genug löscht, haben die Justizminister der Länder die Bundesregierung am vergangenen Donnerstag aufgefordert, „zeitnah“ entsprechende Gesetzesänderungen zu prüfen.

Ruf nach Strafen

Hamburgs Justizsenator Till Steffen forderte, Maas müsse „mehr tun als mit den großen Internetkonzernen nur Tee zu trinken“ – eine Anspielung auf die „Task-Force gegen Hass im Netz“, die Maas vor einem Jahr eingerichtet und auch Facebook-Manager mit an den Verhandlungstisch gebracht hat.

Der Grünen-Politiker wünscht sich viel mehr Strafen, die Konzerne wie Facebook „auch spüren“. Wenn Facebook Hass-Botschaften, die Nutzer melden, nicht löscht, müsse ein Bußgeld „von bis zu einer Million Euro“ fällig sein.

Am gestrigen Sonntag hat zudem Unionsfraktionschef Volker Kauder in einem Gastbeitrag für die Welt eingestanden, in der Politik habe „lange die fast naive Annahme geherrscht, der Hass im Netz könnte dadurch neutralisiert werden, dass sich nur genügend Nutzer zur Gegenrede entschließen“ – der sogenannten Counterspeech, auf die wiederum Facebook setzt. Dass dieses Instrument das Problemlösen würde, sei aber ein „Irrglaube“, notiert Kauder. Es brauche zusätzlich „die Verteidigung des Rechts mit den Mitteln der Rechtsordnung“.

Die könnte für Facebook-Schöpfer auch zu einem persönlichen Problem werden: Nach wie vor ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Volksverhetzung – gegen diverse Facebook-Manager, inklusive „Zuck“.

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4 Kommentare

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  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Facebook, Twitter & Co. sind sehr gefähliche Entwicklungen. Ein demokratischer Staat kann gegen die mit rechtsstaatlichen Mitteln kaum etwas ausrichten. Die ignorieren das schlicht und Strafen sind bestenfalls eine Symbolik. Einzig das Abschalten dieser Dienste wäre wirkungsvoll. Doch das würde sofort einen veritablen Volksaufstand auslösen, der von interessierter Seite geschürt wird. Das geht leider nicht, abgesehen davon, dass es sich kein Politiker leisten könnte, sich derart bei den Bürgern unbeliebt zu machen. Das Ganze wird gekrönt durch die Tatsache, dass diese sauberen Firmen allesamt keine, bestenfalls marginale Steuern zahlen, hingegen aber Milliraden hier verdienen. Und daran sind unsere Politiker selbst Schuld. Söder (CSU) und Schäuble (CDU) wollen erklärtermassen gar keine Steuern von solchen Unternehmen eintreiben. Die setzen lieber auf H IV Sanktionen, da droht kein Ungemach.

  • Das Problem ist die Filter Bubble, da gibt es dann eben kein Counterspeech mehr.

    Nicht nur Trump, auch die AfD hierzulande profitiert in hohem Maße von diesem Effekt sozialer Netzwerke. Und bei facebook ist dieser Effekt nunmal mit Abstand am größten.

     

    Aber beileibe nicht so stark wie von der Unfähigkeit der Regierungsparteien, Politik für sozialen Frieden mal gegen Partikularinteressen durchzusetzen.

    • @Co-Bold:

      Naja Filterbubbles gibt es auf beiden Seiten, und nicht erst seit Facebook. Menschen tendieren dazu, sich eine Meinung auszusuchen, und dann alles selektiv als Bestätigung ihrer eigenen Meinung wahrzunehmen oder eben als Ausnahmeerscheinung abzutun (bzw. bei Medienberichten als "Lügenpresse" bzw. "rechte Propaganda"). Das nennt sich selektive Wahrnehmung und ist nunmal fest in den Menschen eingebaut.

       

      Wie der Facebook-Algorithmus funktioniert weiß ich nicht, aber ist der Unterschied zum echten Leben wirklich so groß? Leute die zB eher konservativ eingestellt sind, lesen unbewusst eher konservative Zeitungen, weil sie die eigene Wahrnehmung bestätigen und suchen sich eher konservative Freunde, einfach weil die ihre Meinungen teilen.

       

      Ich finde halt diese These, "Facebook ist schuld an Trump deshalb ist es moralisch richtig jetzt alles zu zensieren", die jetzt immer wieder in den Medien verbreitet wird, ziemlich abenteuerlich. Schuld ist einfach die Unfähigkeit der etablierten Parteien/Politiker und das "wir hier unten/die da oben"-Gefühl. Mit dem zweiten Absatz haben Sie daher natürlich vollkommen recht.

      • @Tim Schweizer:

        Kann da nur zustimmen. Trump war ein denkbar schlechter Kandidat, der nicht auf Grund seiner Stärke gegen Clinton gewonnen hat. Vielmehr waren es die Schwächen von Clinton, die zu ihrer Niederlage geführt haben.

        Was ist eine Falschmeldung? Wenn man einen strengen Maßstab anlegt, sind etwa 20% der dpa-Meldungen Falschmeldungen - also Meldungen, an denen mindestens ein Detail nicht stimmt oder bei denen ein wichtiges Detail weggelassen wurde. Hier von offizieller Seite oder von Facebook her einzuschreiten, klingt nach Zensur.

        Gut dagegen wäre, wenn wir vor dem Teilen und Liken von Beiträgen selber mal recherchieren. Das erst macht uns zu mündigen Bürger_innen. Ebenso gut wäre es von Facebook, bei umstrittenen Beiträgen, andere Quellen zum gleichen Sachverhalt darzustellen. Das wäre dann Pluralität statt Zensur.