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Kommentar Deutsche Wasser-NitratwerteDie EU klagt zu Recht

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Deutschland muss schärfere Regeln gegen Überdüngung einführen. Auch wenn das teuer wird. Denn irgendwann explodiert diese Zeitbombe.

Das stinkt auch der EU-Kommission Foto: dpa

D ie Bundesregierung muss endlich die Regeln für die Düngung verschärfen. Weil der durchschnittliche Bauer zu viel von der Stickstoffverbindung Nitrat freisetzt. Weil diese Überdüngung Gesundheit und Umwelt gefährdet. Und weil die EU-Kommission nun ihre Klage gegen Deutschland wegen Verletzung der Nitratrichtlinie vorantreibt.

Vor allem die Landwirte sind Experten zufolge daran schuld, dass 2014 in 18 Prozent von Deutschlands repräsentativ ausgewählten Grundwasser-Messstellen mehr Nitrat war, als in Trinkwasser erlaubt ist. Das ist eine ernste Gefahr, weil Leitungswasser meist aus den Reservoirs tief unter der Erde gewonnen wird und Nitrat sich im Körper in giftiges Nitrit umwandelt. Belastetes Grundwasser erreicht oft erst nach einigen Jahren die Brunnen. Aber irgendwann explodiert diese Zeitbombe.

Ungerecht ist, dass wir alle dafür zahlen müssen – auch die Käufer von Bio-Lebensmitteln, die mit weniger Dünger erzeugt werden. Denn es treibt die Wasserpreise in die Höhe, wenn belastetes Brunnenwasser verdünnt oder gereinigt werden muss. Und: Wegen der Nitratbelastungen könnte der Europäische Gerichtshof Deutschland zu einer Milliardenstrafe verurteilen. Die Überdüngung geht auch auf Kosten der Natur: Zu viel Stickstoff trägt zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.

All das ist schon lange bekannt. Doch das CSU-geführte Bundesagrarministerium sträubt sich, per Düngegesetz und -verordnung die Stickstoffmengen in der Landwirtschaft genügend zu senken. Zu groß ist der Druck des Bauernverbands und der Düngerindustrie. Ihr Argument, die Landwirte bräuchten die Mengen, um uns zu ernähren, ist falsch: Die Statistik zeigt, dass die Bauern im Schnitt pro Jahr etwa 100 Kilogramm mehr Stickstoff ausbringen, als die Pflanzen aufnehmen können. Oft geht es vielmehr darum, die Millionen Tonne Gülle aus Massenställen zu verklappen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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18 Kommentare

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  • Essay in Novo Argumente "Nitrat und die wahren Brunnenvergifter"

    https://www.novo-argumente.com/artikel/nitrat_und_die_wahren_brunnenvergifter

  • In Schwulenkreisen ist das ach so giftige Nitrit seit über 40 Jahren, so lange ich es kenne, ein Hit: Poppers ( Amylnitrit, Isopropylnitrit, Cyclohexylnitrit ). Urspünglich kam das aus der großen Gruppe der nitrathaltigen Medikamente zur Gefäßerweiterung, bis böse Buben entdeckten, dass der Orgasmus damit intensiver sein kann. Nitratdämpfe waren immer ein uraltes bäuerliches Hausmittel bei Erkältungen, Mistgabeln bei einer Erkältung und man bekam mehr (stinkende) Luft. 70% des Nitrates nimmt der Mensch über Gemüse auf, Bioveganer mehr. Ist Gemüse giftig? Noch nie ist ein Baby an Blausucht wegen Trinkwasser erkrankt, noch nie! Fachlich ist zu sagen, dass der Durchschnittsbauer nicht zu viel düngt, Nitrat im Grundwasser ist auf durchlässigen Böden ein Problem, das dort angegangen werden muß, mit Augenmaß. Es ist auch ökologischer Blödsinn, wenn ein Grünlandbauer nur 170 kgN/ha aus Gülle düngen darf, wenn auf Grünland auf seinem Boden (also nicht Ex-Heideböden) selbst bei 500kgN/ha noch nichts passiert. Der sollte sicherheitshalber 300kgN/ha aus Gülle düngen dürfen anstatt 170 kg aus Gülle und 130 aus dem Düngersack und seine Gülle muß er über die Güllewirtschaft (Güllebörse) verticken. Zum ach so reinen Trinkwasser aus Grundwasser. Das ist als Rohwasser in 95% der Fälle eine trübe, schwermetallverseuchte, stinkende Rostbrühe, die erst aufbereitet werden muß, Schwefelwasserstoff entgasen, Mangan und Eisen entziehen. Die Zeitbombe Nitrat im Grundwasser sollte nach Pressemeldungen in den 80er Jahren schon um 2000 explodiert sein, ist sie nie, gesünder als die Wälder. Die Nitratrekorde halten Rheinland-Pfalz, wo die Tierzahlen seit 40 Jahren die Schwindsucht haben und es fast nur Kleinbetriebe gibt. Sobald wir die Pflanzen intravenös mit dem nötigen Nitrat zur Eiweißbildung versorgen können, solange muß es auch auf Bioböden Stickstoffüberschüsse geben. Stickstoff ist ein ewiger Kreislauf aus der Luft in die Luft, es wird bakteriell zersetzt, sobald es den Boden erreicht

  • Eben dieses "böse" Nitrat entwickelt sich zu einem Superstar der Medizin: Aus dem Umweltgift wurde in aller Stille ein begehrtes Therapeutikum. Seit neuestem soll das Nitrat sogar Krankheiten wie Schlaganfall und Demenz verhindern. Der Hintergrund: Unser Körper bildet aus Nitrat nicht nur Nitrit sondern daraus wiederum den Botenstoff Stickoxid. Stickoxid weitet die Gefäße und fördert so die Durchblutung. Das Erstaunliche ist, dass das Stickoxid im Gehirn gezielt dort wirkt, wo die Durchblutung nachlässt und die Versorgung mit Sauerstoff leidet. Das ist der Grund, warum Nitrat das Schlaganfallrisiko senkt und der Demenz vorbeugt. Dieser Nachweis gelang jetzt erstmals direkt am Menschen. Und zwar unter realistischen Bedingungen: Die Testpersonen mussten besonders nitrathaltige Produkte essen.

     

    Hier mal weiterlesen: http://www.deutschlandradiokultur.de/nitrat-das-neue-brainfood.993.de.html?dram:article_id=154545

  • Was würde vom Staat unternommen, falls hierzulande das Trinkwasser privatisiert werden würde? Oder denken wir einfach einmal darüber nach, was uns blühen könnte im Falle einer Investorenklage wegen entgangener Gewinne..

     

    Wer dächte da noch an Erhaltenswertes für die Zukunft unserer Kinder und Enkel, wenn wir eh schon dabei sind all das zu verfrühstücken, nicht wahr!

  • Nitrat in Lebensmitteln und Wasser wurde bisher in der Laienpresse für vielerlei Krankheiten wie Magenkrebs verantwortlich gemacht. Hypothese: Nitrate werden durch Bakterien im Mund zu Nitrit umgewandelt wird. Dieses Nitrit soll dann im Magen mit Aminen zu krebserregenden Nitrosaminen reagieren. Die britischen Prof. Addiscott und Nigel entlarvten schon im Jahr 2000 dieses Dogma als wissenschaftlich nicht begründet. Offenbar retten Nitrate Menschenleben.

     

    Hier mal lesen. http://www.animal-health-online.de/lme/2006/02/09/nitrat-rettet-menschenleben/2386/

    • @Manfred Stein:

      DR. Marlboro doziert über die Gesundheit des Rauchens.

       

      schauen sie doch mal hier

      https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Nitrat-Keime-und-Medikamente-belasten-Trinkwasser,trinkwasser310.html

      • @Justin Teim:

        Auch in dem NDR-Beitrag wird der Unsinn mit den Nitrosaminen nachgeplappert. Solch ein Unsinn hält sich lange; wie Fusspilz in der Sauna. Ist längst widerlegt. Im Magen entsteht Stickoxid. Das wirkt im Gehirn gezielt dort, wo die Durchblutung nachlässt und die Versorgung mit Sauerstoff leidet. Ebenso erweitert es die Herzkranzgefässe. Dafür gabs mal den Nobelpreis für Medizin.

  • Was soll das Gewinsel? Für schnelle Gewinne verkaufen wir - ohne zu zögern - die eigene Großmutter! Warum soll jetzt nicht auch unser Trinkwasser dran glauben?

    Hurra Deutschland und ein Heil Petry!!!

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe auch nicht, warum die Wasserwerke in Nordfriesland nach nitratbedingten Brunnenschließungen nicht die Rechnung für neue Brunnen oder Wasseraufbereitung an die Verursacher schicken.

    Wenn die Bauern nicht strafrechtlich wegen Brunnenvergiftung belangt werden, sollen diese Leute wenigstens zahlen. Am besten rechnet man die Kosten auf die Subventionen an.

  • Die "repräsentativ ausgewählten Grundwasser-Messstellen" sind das sogenannte Belastungsmessnetz, was eben nicht vergleichbar mit anderen Staaten ist, da in anderen Staaten ein solches Messnetz nicht existiert. Wer sich eingehender mit der Materie auseinander setzen möchte empfehle ich dies hier:

    http://www.keckl.de/texte/Volksverdummung.pdf

     

    (Ein wirklich gut recherchierter Artikel für den ich gerne etwas bezahlen würde ;- ,anders gesagt: Warum sind die Artikel der TAZ alle so flach ohne Hintergrundinformationen?)

     

    Wenn in Deutschland die Nitratbelastung wie in anderen Statten gemessen würde, läge Deutschland im Mittelfeld.

     

    Im Übrigen ist Nitrit nicht zwangsläufig giftig. Der menschliche Organismus erzeugt im Mund selbst Nitrit zur Mund- und Magenhygenie. Außerdem senkt Nitrit den Blutdruck.

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @Ralf Dominik:

      Lustig, das gerade Sie hier einen Artikel Volksverdummung empfehlen, der in der Tat genau wie Ihr Beitrag dieses Attribut selbst verdient.

      Ihre "Logik" geht so:

      Nitrat im Grundwasser ist gut und senkt sogar den Blutdruck.

      Antibiotika im Schweinefleich ist gut gegen Grippe.

      CO2 brauchen die Pflanzen für die Photosynthese, deshalb kann zuviel CO2 auch kein Problem sein.

      Gut das es aufmerksame Menschen wie sie gibt!

      • @64938 (Profil gelöscht):

        Fragen und Antworten zu Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln des Bundesinstituts für Risikobewertung.

        http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_nitrat_und_nitrit_in_lebensmitteln-187056.html#topic_187058

         

        Haben das Nitrat und seine Stoffwechselprodukte (Nitrit und reaktive Stickstoffverbindungen wie Stickstoffmonoxid u.a.) auch positive Effekte auf die menschliche Gesundheit?

        In den letzten Jahren wurden in der Wissenschaft neue Erkenntnisse über die physiologische Rolle von Nitrat und seinen Stoffwechselprodukten Nitrit und den reaktiven Stickstoffverbindungen wie Stickstoffmonoxid (NO) gewonnen. So wurde z.B. für Stickstoffmonoxid (NO), welches im sauren Milieu spontan aus Nitrit entsteht, eine gefäßerweiternde und somit blutdrucksenkende Wirkung gezeigt. NO spielt eine wichtige Rolle in der Wundheilung durch die Begrenzung der Adhäsion und Aggregation der Blutplättchen. Sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem spielt es eine Rolle bei der Reizweiterleitung. Schon vor einigen Jahren wurde die antibaktierielle Wirkung von NO gezeigt: mit der Nahrung aufgenommeine pathogene Keime wie Salmonella oder E. coli können im Zusammenwirkungen von NO und saurer Magensäure unschädlich gemacht werten. Weiterhin wurde gezeigt, dass NO die Blutzirkulation in der Magenschleimhaut anregt und positive Effekte auf die Dicke der Schleimschicht an der Magenwand hat, was einen schützenden Effekt auf den Magen zur Folge hat.

         

        Einfach mal forschungsmäßig auf dem aktuellen Stand bleiben.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Ralf Dominik:

          Allem ungeachtet gehört Nitrat nicht ins Trinkwasser.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Nitrat kommt ganz natürlich in Grundwasser vor. Das können auch ohne Tierhaltung beachtliche Werte sein. So unter Truppenübungsplätzen und Naturschutzgebieten. Das liegt auch an der Bodenstruktur. Problematisch sind auch Schreber- und Hausgärten.

      • @64938 (Profil gelöscht):

        Wischen Sie sich mal den Schaum vom Mund und bringen ein Argument, dass den Artikel entkräften soll. Der Mann hat völlig Recht, Deutschland hat gerade mal 162 Brunnen aus dem "Belastungsnetz" als angeblich repräsentativ nach Brüssel gemeldet, die meisten davon stehen nicht einmal an landwirtschaftlich intensiv genutzten Punkten. Andere Länder melden mehrere tausend Brunnen. Die Strategie des UBA und Frau Hendricks ist offensichtlich. Man will einen Skandal konstruieren um sich im Bundestagswahlkampf als großer Retter des Trinkwassers aufspielen zu können.

        • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
          @explicit:

          Sie irren. Ich habe im Text nicht die Ergebnisse des Belastungsnetzes, sondern des repräsentativen EUA-Netzes zitiert. Die Belastungsnetz-Werte sind viel höher. Quelle: http://www.umweltbun..._2016-09-30.png

          Bevor sie gleich mit Keulen wie "taz alle so flach ohne Hintergrund" kommen, bitte erst mal selber gewissenhaft recherchieren.

          Keckl selbst betreibt in dieser Sache leider "Volksverdummung".

  • Die EU klagt nicht zurecht (= in die passende Form), sondern zu Recht (= berechtigterweise).