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Kommentar Zukunft der EUWir brauchen eine Revolution

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die herrschenden Eliten fahren das europäische Projekt vor die Wand. Das hilft der extremen Rechten. Es ist Zeit für eine Radikalreform.

Immer breitere Bevölkerungsschichten in immer mehr Ländern begreifen die europäische Integration nicht mehr als Chance, sondern als Bedrohung Foto: photocase/marshi

M anchmal taugen die Träume von gestern auch noch als Hoffnung für morgen. Die erste anzugehende Aufgabe nach der Kriegsniederlage Deutschlands sei „die endgültige Beseitigung der Grenzen, die Europa in souveräne Staaten aufteilen“, schrieben 1941 der italienische Kommunist Altiero Spinelli und seine Mitstreiter Ernesto Rossi und Eugenio Colorni in faschistischer Haft auf der Mittelmeerinsel Ventotene. Sonst bliebe „jeglicher Fortschritt ein trügerischer Schimmer“. Ziel müsse „eine föderalistische Neugestaltung Europas“ sein: die „Vereinigten Staaten Europas“.

Davon scheinen wir heute so weit entfernt wie noch nie seit Abschluss der Römischen Verträge. Mit Vollgas sind die herrschenden Eliten dabei, das europäische Projekt gegen die Wand zu fahren. Immer breitere Bevölkerungsschichten in immer mehr Ländern begreifen die europäische Integration nicht mehr als Chance, sondern als Bedrohung – als Vehikel zur Aushöhlung demokratischer Rechte und zum Abbau sozialer Standards.

Eine Konsequenz daraus ist der europaweite Aufschwung der äußersten Rechten. Getrieben von ihrer fatalen Sehnsucht nach Volk und Vaterland propagieren Marine Le Pen, Heinz-Christian Strache, Geert Wilders oder Frauke Petry die Zerschlagung der europäischen Idee.

Aber auch auf der Linken sind die Absetzbewegungen unübersehbar. Was nach der unbarmherzigen Drangsalierung der griechischen Syriza-Regierung durch die Eurogruppe auch durchaus verständlich ist. Trotzdem ist es die falsche Antwort, sein Heil in einer Renationalisierung Europas zu suchen. Um beim Beispiel zu bleiben: Griechenland braucht nicht weniger, sondern mehr Europa. Allerdings braucht es eine EU, die solidarisch unterstützt – und nicht eine, die wie ein Kolonisator auftritt, der das Land per Zwangsprivatisierung ausplündert.

Das bedeutet aber auch: Es kann nicht um die Verteidigung des schlechten Status quo gehen. In ihrer „Streitschrift für eine andere Europäische Union“ fordern die Sozialdemokratin Gesine Schwan, der Grüne Frank Bsirske, der Linksparteiler Axel Troost und ihre MitautorInnen zu Recht eine „Radikalreform“ der EU. Ganz so, wie es sich einst Spinelli, Rossi und Colorni in ihrem Manifest von Ventotene erträumt hatten.

Die europäische Revolution müsse sich für „die Schaffung menschlicherer Lebensbedingungen einsetzen“, schrieben sie in ihrem Manifest von Ventotene. Für solch ein rot-rot-grünes Projekt würde es sich zu streiten lohnen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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38 Kommentare

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  • Wir brauchen vor allem eine EU die nicht korrupt ist. Schiedsgerichte werden Europaweit abgelehnt. Trotzdem nimmt die EU-Kommission diese gegen den Widerstand der kanadischen Verhandlungspartner in CETA auf. Dann wird den Parlamenten gesagt, der Vertrag wäre fertig verhandelt und ein besseres Ergebnis nicht erreichbar.

    Wenn dann ein Parlament nicht mitspielt, wird gedroht, die Demokratie einzuschränken. So ein Europa brauchen wir nicht. Es ist Zeit für einen Rücktritt der EU-Kommission. Man kann nicht in den USA vor Trump warnen aber in der Regierung der EU Leute wie Oettinger haben. Man kann nicht die undemokratischen Vorschläge anprangern und dann Junckers und Schulz gewähren lassen, wenn sie uns den gleichen Mist unterjubeln wollen.

    Neustart - aber nicht von Europa, das Projekt ist gut, aber von dieser EU-Regierung. Korrupt, unfähig und machtbesessen. Wir sind eine Demokratie. Dass eine solche Regierung abtritt sollte keine Revolution sondern Normalität sein.

    • @Velofisch:

      "... werden Europaweit abgelehnt"

       

      Hört hört. Jetzt sind 3,5 Millionen Klicks auf einmal "europaweit"

       

      Nur mal um die Relation klarzustellen:

      3,5 Millionen Anti-Ceta Unterschriften sind 0,64% aller EU-Bürger.

    • @Velofisch:

      Wegen der inflationären Verwendung (allseits):

      Es sollte zunächst das Wort korrupt bzw. Korruption eindeutig definiert werden.

      Speziell für die Entscheider in Politik und Wirtschaft.

  • Die EU ist sicherlich in Turbolenzen - was macht man bei Turbolenzen?

     

    Ruhe bewahren.

    Nur keine unausgereiften Schnellschüsse wie der Brexit.

     

    Erst mal konsolidieren und konstruktiv nach Lösungen suchen und - finden.

    Das ist nicht leicht aber machbar.

     

    Evolution statt Revolution.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    "Allerdings braucht es eine EU, die solidarisch unterstützt – und nicht eine, die wie ein Kolonisator auftritt, der das Land per Zwangsprivatisierung ausplündert."

     

    Die Griechen sind keine armen Opfer, wie diese Analogie nachelegt, sondern Täter! Erst haben Sie sich in die EU gemogelt, dann haben sie das Konto maximal in die roten Zahlen gezogen und zum Abschluss wollen sie das andere die Zeche zahlen. Das versteht man bei der taz also unter Solidarität.

     

    "Für solch ein rot-rot-grünes Projekt würde es sich zu streiten lohnen."

     

    Der Sozialismus und der Kommunismus sind in fast jeden Land in dem sie implementiert wurden gescheitert. Die übrigen Länder in denen diese Systeme implementiert wurden sind auf dem besten Weg dahin. Man sehe mal nach Venezuela. Warum nun sollte man sich an einem Manifest orientieren das von eben diesen Ideen geprägt ist? Es liegt ja wohl auf der Hand das diese Systeme nicht die überlegenen sind, es sind romantische Träumerein die dem Wesenskern des Menschens widersprechen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      "Die Griechen sind keine armen Opfer, wie diese Analogie nachelegt, sondern Täter! Erst haben Sie sich in die EU gemogelt, dann haben sie das Konto maximal in die roten Zahlen gezogen und zum Abschluss wollen sie das andere die Zeche zahlen. Das versteht man bei der taz also unter Solidarität."

       

      In den englischsprachigen Artikeln findet man oft den Vergleich mit dem Erlass der deutschen Schulden nach dem 2.WK und einem gewissen moralischen Recht der Griechen auf "second chance". Denn letztendlich geht es am Ende um Schuldenerlass.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        "einem gewissen moralischen Recht der Griechen auf "second chance"."

         

        Die zweite Chance der Deutschen wurde unter der Auflage jahrzehntelanger Kontrolle und massiver Militärpräsenz gewährt und das vor Allem aus taktischen Gründen.

         

        Wenn es eine zweite Chance für die Griechen geben soll, ohne das es zuvor eine Staatspleite gab dann nur mit klaren Auflagen die über einen langen Zeitraum gelten. Man muss verhindern das die Griechen nach einem Schuldenerlass gleich wieder anfangen ihr Sozialsystem ins unermessliche auzublähen ohne es finanzieren zu können. Das lässt sich ohne externe kontrollen kaum machen. Das könnte dann auch bei der Bekämpfung von Korruption helfen.

         

        Das viel größere Problem ist aber das politische Signal. Es war ein riesen Fehler Banken zu retten, weil die nun auf to big to fail setzen können. Man sollte sich wirklich gut überlegen ob man einen solchen Präzedenzfall für Staaten schaffen möchte. Wenn man diesen Prozess zu angenehm gestaltet dann werden sich die Spanier, Franzosen, Portugisen,.... gleich einreihen.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          "Man muss verhindern das die Griechen nach einem Schuldenerlass gleich wieder anfangen ihr Sozialsystem ins unermessliche auzublähen ohne es finanzieren zu können."

           

          Falscher Ansatz. "Man" muss gar nichts verhindern, man sollte nach einem Schuldenschnitt nur nicht neues Geld geben.

           

          Die Griechen müssen - genau wie wir auch - ihr krankes Sozialsystem selbst in den Griff bekommen.

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @A. Müllermilch:

            Man muss nicht, man sollte aber. Die Griechen haben sich erst in die EU beschissen und haben dann hemmungslos Schulden gemacht von denen sie wussten das sie diese nie zurückzahlen können. Wer solch eine Vergangenheit hat dem kann man kaum unvoreingenommen gegenüberstehen.

             

            Gegen das Sozialsystem das die Griechen am laufen hatten ist unseres ja kerngesund und das mag schon was heißen.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @33523 (Profil gelöscht):

          "Die zweite Chance der Deutschen wurde unter der Auflage jahrzehntelanger Kontrolle und massiver Militärpräsenz gewährt und das vor Allem aus taktischen Gründen."

           

          Die Kontrolle wurde ab Ende der 40er/ Anfang der 50er sehr schnell gelockert und wirtschaftliche gesehen waren die Deutschen der Herr im eigenen Haus und mussten kein Tafelsilber verkaufen.

          Massive Militärpräsenz war damals, angesichts der Lage, sicherlich nicht ganz unerwünscht.

           

          Wenn Sie jetzt sagen, dass dies alles aus taktischen Gründen (der böse Russe) geschah und anderenfalls die Allierten uns nicht so lieb hätten - ist das jetzt ein Argument bei den Griechen keine Schuldengroßzügigkeit walten zu lassen?

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @10236 (Profil gelöscht):

            "wirtschaftliche gesehen waren die Deutschen der Herr im eigenen Haus und mussten kein Tafelsilber verkaufen."

             

            Das ist schon richtig. Deutschland war aber eben auch nicht wegen massiver Staatsschulden besetzt, sondern wegen ganz anderer Dinge. Den Griechen bei den Finanzen freie Hand zu lassen wäre so als hätten die Amerikaner dabei zugesehen wie in Deutschland ein zweites mal faschistischen die Regierung stellen.

             

            " - ist das jetzt ein Argument bei den Griechen keine Schuldengroßzügigkeit walten zu lassen?"

             

            Das ist kein Argument dafür, es war nur ein Hinweis darauf das sowas nicht aus Selbstlosigkeit heraus geschehen ist.

             

            Wie gesagt das größte Problem, das Politische Signal das davon ausgehen würde, bleibt.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      Dem Wesenskern des Menschen entspricht also eindeutig das 'Rechte' und 'Schwarze', nicht 'rot-rot-grün'. Hätten Sie eine Erklärung, warum Europa trotz vorwiegend rechter Mehrheiten so an die Wand fährt?

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @4932 (Profil gelöscht):

        "Dem Wesenskern des Menschen entspricht also eindeutig das 'Rechte' und 'Schwarze',"

         

        Das habe ich weder so gesagt noch so gemeint!

        Kommunismus und Sozialismus sind recht radikale Modelle. Radikale Ideen sind für die Mehrheit der Menschen über einen längeren Zeitraum betrachtet quasi immer untragbar. Das gilt für extrem rechte, als auch extrem linke Ideen gleichermaßen.

         

        "Hätten Sie eine Erklärung, warum Europa trotz vorwiegend rechter Mehrheiten so an die Wand fährt?"

         

        Die größten Probleme denen Europa sich ausgesetzt sieht haben mit der aktuellen Politik nur relativ wenig zu tun.

        Der Hauptgrund für die meisten Probleme liegen in der großen Anzahl von Flüchtlingen die zu uns kommen. Die Zuwanderung lässt die Nationalisten erstarken, belastet die EU finanziell und ist eine Politische Zerreisprobe.

        Daran das die Flüchtlinge kommen haben die Politiker der EU nur eine extrem untergeordnete Rolle. Der Konflikt in Syrien ist durch unstimmigkeiten über ein Pipeline-Projekt der Saudis ins rollen gekommen und zu einem Krieg zwischen Konfessionene, Bevölkerungs- und Interessensgruppen geworden der sehr unüberischtlich ist.

        Nun kann ich sie schon schreien hören "Der Western kooperiert mit den Saudis! Ihn trifft eine Mitschuld!". Das ist vor allem in der absoluten Ahnungslosigkeit von der politischen Lage im nahen Osten begründet. Viele Menschen hören nur etwas aus dieser Region wenn der Westen sich dort einmischt und haben deshalb den Eindruck der Westen sei dort eine Maßgäbliche Kraft, was grundfalsch ist. Wenn Sie das nicht glauben reden Sie mal mit syrischen Flüchtlingen darüber!

         

        Ein weiteres Problem ist die Machtlosigkeit gegenüber Ländern die sich einfach nicht an Vereinbarungen halten oder dreist lügen. Die Schulden der Griechen, die Weigerung Flüchtlinge aufzunehmen,... hängen alle mit der Impotenz der EU zusammen ihre Gesetze auch umzusetzen. Das sind die Probelme die man in der EU auch lösen könnte, vielleicht.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Es ging um Sozialismus und Kommunismus. Rot-rot-grün hat damit hoffentlich nichts zu tun...

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Es würde ja völlig reichen, wenn der Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft wieder eine dominierende Rolle spielt. Aber die beiden Altkommunisten Adenauer und Erhard lehnen Sie bestimmt auch ab.

  • Eine grundlegende Reform nach demokratischen Regeln?

     

    Diejenigen, die Europa gegen die Wand fahren, sind dieselben, die auch die maßgeblichen Regeln aufgestellt haben.

     

    Und wenn es tatsächlich zu einer Reform kommt, dann sind es ebenfalls wieder dieselben, die nach ihren Regeln bestimmen, was wie reformiert wird?

     

    Was sollte also anderes herauskommen als das, was gerade ist?

     

    Wie naiv muß man eigentlich sein, um ernsthaft anzunehmen, daß es im Lager der Löwen eine "Reform" geben kann, nach der Löwen fortan nur noch Gras fressen?

  • "Getrieben von ihrer fatalen Sehnsucht nach Volk und Vaterland propagieren Marine Le Pen, Heinz-Christian Strache, Geert Wilders oder Frauke Petry die Zerschlagung der europäischen Idee."

     

    Die europäische Idee ist Angleichung der Lebensverhältnisse von 500Mio. Bürgern + 1/342.000.000 Wahlrecht für jeden.

     

    Der Gegenentwurf ist Angleichung der Lebensverhältnisse von 80Mio. Bürgern + 1/62.000.000 Wahlrecht für jeden.

     

    Hat eigentlich nichts mit links/rechts zu tun. Je kleiner das Staatsgebilde ist in welchem man lebt, um so größer ist die Einflussmöglichkeit des Einzelnen. Rein mathematisch ist die europäische Einigung für den Einzelnen scheiße.

    • @A. Müllermilch:

      Das ist wirklich ein interessanter Punkt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr merke ich, daß Sie recht haben... -.-

  • Ja, das europäische Parlament muss echte legislative Kompetenzen bekommen. Das setzt aber voraus, dass sich die bestehenden politischen Machtverhältnisse zugunsten einer R2G Koalition verändern muss.Der Weg der bestritten werden muss, ist der über die nationale Ebene. Erst, wenn hier sich die politischen Machtverhätnisse zu Gunsten eine R2G veränedrt haben, kann die europäische Ebene angegangen werden.

    Die Einführung nationaler Währungen zur Rückgewinnung wirtschaftspolitischer Handlungsräume ist dabei nicht zwingend notwendig, sollte aber bei den Überlegungen nicht ausgeschlossen werden.

  • Die EU in ihrer derzeitigen Verfasstheit ist letztlich nur ein Symptom. Das Problem heisst Neoliberalismus und der regiert, frei nach Foucault, auf allen Diskursebenen. Wie kommt man einer Ideologie bei, die bei vielen Menschen so internalisiert ist, dass sie selbst ihren Körper und ihre Psyche ihrem disziplinären Regime unterwerfen, und das "freiwillig"?

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @hessebub:

      Sehr gut erkannt und kurz und präzise zusammengefasst.

       

      Eine gefährliche Entwicklung ist, dass Neoliberalismus mehr und mehr hinter dem Banner der angeblichen individuellen Freiheit und Selbstbestimmung folgt.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Liberalismus ist im Kern die Idee das man das Individuum nicht weiter einschränken sollte als unbedingt notwendig.

         

        Das "neo" hängt man hier noch gerne vorn an, weil man den Liberalismus ansich ja eigentlich doch ganz gerne hat, es sei denn es geht um Besitz oder Meinungen die politisch nicht korrekt sind, da ist dann doch irgendwann Schluss mit dem Drang nach Freiheit.

         

        Doof nur das viele Ziele die unter dem Banner der sozialen Gerechtigkeit zusammengefasst werden ausschließlich mit zutiefst autoritärer Politik umsetzbar sind.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @33523 (Profil gelöscht):

          "Liberalismus ist im Kern die Idee das man das Individuum nicht weiter einschränken sollte als unbedingt notwendig."

           

          Das war auch gängige Meinung in den USA bis etwa Ende des 19. / Anfang des 20 Jh., was das Wirtschaftsleben betrifft. Dann blühten Monopole mit sämtlichen negativen Konsequenzen und man sah sich gezwungen die Anti-Trust_Gesetze zu erlassen (und anwenden). 30 Jahre später hat man sich gezwungen gesehen, in der tiefsten Wirtschaftskrise, soziale Sicherung einzuführen und in die Freiheit des Individuums mit den Steuersätzen von 60, 70, 80% tief einzugreifen.

           

          Nur als Beispiel. Wo stünden USA ohne diese tiefgreifenden Einschnitte in die wirtschaftliche Freiheit?

           

          Manchmal muss die individuelle Freiheit hinter dem allg. Wohl zurückstehen. Es ist nicht Sozialistisches daran. Es ist die Idee von den Aufklärungsphilosophen, der kirchlichen Sozialethik und ist in unserem GG enthalten.

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @10236 (Profil gelöscht):

            "Das war auch gängige Meinung in den USA bis etwa Ende des 19. / Anfang des 20 Jh., was das Wirtschaftsleben betrifft."

             

            Ich habe nicht gesagt das dies der Weisheit letzter Schluss ist, sondern die Definition von Liberalismus.

             

            Eine gewisse Einschränkung muss es auch nach dem Liberalismus geben, um zu verhindern das Individuen sich gegenseitig Schaden zufügen.

             

            Was man heute unter liberal versteht ist schon bizarr. Hier hat mir mal jemand gesagt "Liberal ist was Gleichheit schafft!" das ist die abweigste Definition von Liberalismus die ich je gehört habe. Liberalismus baut weitreichend auf Eigenverantwortung, nicht auf Umverteilung und Gleichmacherei.

             

            In den USA ist es bereits so weit das es als konservativ gilt wenn man liberale Grundwerte, wie die Meinungsfreiheit verteidigt.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Sie werfen hier etwas durcheinander. Den Grundgedanken des Liberalismus haben Sie richtig wiedergegeben.

           

          Neoliberalismus ist aber nicht einfach ein neuer Liberalismus. Er bezeichnet eine Wirtschaftspolitik, die möglichst jede Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit beseitigen will, auch wenn die Einschränkungen dem elementaren Schutz anderer Menschen dienen. Und der Begriff bezeichnet eine Gesellschaftspolitik, die nicht nur dem Menschen seine Freiheit lässt, sondern ihn auch jeder Hilfe beraubt, die er in einer Notsituation benötigt. Das sind die „Ideale“ des Neoliberalismus. Sie haben nichts mit dem humanistischen Gedanken des ursprünglichen Liberalismus zu tun. Eher mit Sozialdarwinismus.

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Neoliberalismus wird heutzutage quasi nur noch als Kampfbegriff genutzt.

            Viele wissen überhaupt nicht mehr was das Wort eigentlich mal bedeutet hat.

            Die Soziale Marktwirtschaft ist zum Beispiel ein Produkt dessen was man mal unter Neoliberalismus verstanden hat, zumindest in ihrer ursprünglichen Form. Neoliberalismus war mal als Mittelweg zwischen dem reinen Kapitalismus und dem Kommunismus gedacht.

            Das was man heutzutage unter Neoliberalismus versteht ist eine totale Verballhornerung der damit zusammenhängenden Ideen.

             

            Wie dem auch sei,... gedacht war mein Kommentar als Antwort auf:

             

            "Eine gefährliche Entwicklung ist, dass Neoliberalismus mehr und mehr hinter dem Banner der angeblichen individuellen Freiheit und Selbstbestimmung folgt."

             

            Weil Liberalismus generell eine Strömung ist in der das Individuum unumstößliche Rechte zugesprochen bekommt, solange er eben diese Rechte auch bei anderen achtet. Das ist im Sozialismus oder im Kommunismus nicht der Fall. Freiheit ist für diese Systeme eine Gefahr. Auf diesen Widerspruch wollte ich hinweisen.

            • @33523 (Profil gelöscht):

              "Weil Liberalismus generell eine Strömung ist in der das Individuum unumstößliche Rechte zugesprochen bekommt, solange er eben diese Rechte auch bei anderen achtet. Das ist im Sozialismus oder im Kommunismus nicht der Fall."

               

              Auch wenn die Praxis anders aussah. Die Begründer der Theorie gingen auch von unumstößlichen Rechten aller Menschen aus.

               

              Ich habe den Begriff Neoliberalismus natürlich in dem Sinn gebraucht, den er seit den 70ern angenommen hat. Die älteren Auslegungen haben ja mittlerweile keine praktische Bedeutung mehr.

  • Es ist ganz einfach: Entweder das EU-Parlament wird zu einem richtigen Parlament, das die Kommission wirksam kontrolliert und die Exekutive-Spielchen zwischen nationalen Regierungen und Kommissaren verhindert - oder es findet eine Rückabwicklung politischer Verantwortung auf die einzelnen Staaten statt. Das Legitimitätsproblem der Exekutiven ist das Krebsgeschwür der EU.

  • Ich frage mich wer diese Revolution anführen oder auslösen sollte.

     

    Man kann eigentlich froh sein, wenn in 10 Jahren nicht in allen europäischen Ländern nationalsozialistische Regierungen an der Macht sind.

     

    Ich denke gerade jetzt von einer linken Revolution zu träumen ist leider nicht nur ilusorisch sondern auch gefährlich, weil das die Rechten wahrscheinlich NOCH stärker machen wird als sie ohnehin schon sind.

     

    Vielmehr geht es jetzt darum, die Rechten und ihre Sympathisanten in Sicherheit zu wiegen...

  • „…Griechenland braucht nicht weniger, sondern mehr Europa. Allerdings braucht es eine EU, die solidarisch unterstützt – und nicht eine, die wie ein Kolonisator auftritt, der das Land per Zwangsprivatisierung ausplündert“

     

    Diese Einschätzung beruht auf dem Irrtum, dass die „EU“ eines Tages völlig unerwartet nach Griechenland kam, um das Land „auszuplündern“!

     

    Richtig dagegen ist, dass der entscheidenden Fehler darin bestand, Griechenland trotz frisierter Bilanzen in die Eurozone aufzunehmen und nicht zu verhindern, dass die Staatsausgaben immer mehr auf Pump finanziert wurden –es war ja so leicht, an neue Kredite heranzukommen! Es kam, wie es kommen musste: Irgendwann ging es nicht mehr, und dann war Heulen und Zähneklappern.

     

    Die EU unterstützt Griechenland sehr wohl, indem sie die Rückzahlung fälliger Kredite übernimmt. Griechenland kann sich für die Rückzahlung, dann an die EU, Jahre und Jahrzehnte Zeit lassen.

    Herr Beucker hat das leider nicht erwähnt.

  • Solange die Wirtschaft in der Politik, sowohl in den einzelnen -Staaten, sowie in der EU das Sagen hat, wird hier nichts verändert, was auf eine Verbesserung der demokratischen Verhältnisse schließen lässt. Die Banken und Industriebosse würden ihre Felle schwimmen sehen und dementsprechend dagegen setzen, mit Stellenabbau, Stellenverlagerung usw.! Die Banken würden mit ihren Mitteln genauso weiter arbeiten, wie bisher.

    Die Politiker, die zur Zeit an der Macht sitzen haben nicht das Format dagegen anzugehen, da sie viel zu Abhängig sind!

    Ohne den Zusammenschluss einiger EU und Staatspolitiker, der Gewerkschaften und auch der sozial gemäßigten Wirtschaftsverbände ist eine Lösung zur Umgestaltung der EU zu einem Föderalistischen Europäischen Staatenverbund nicht möglich. Vor allen Dingen würden hier Fachleute ohne Ambitionen auf Gewinn oder politische Posten benötigt. Mir fallen da keine" Hundert Prozentigen" ein!

  • Wenn es ein Problem mit Griechenland gibt, dann damit, dass linksnationalistische Populisten so tun, als ob Griechenland von außen etwas aufgezwungen bekommen würde. Dabei ist der Staat am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzierbar und andere EU Staaten helfen solidarisch aus, weil es gegenseitige Abhängigkeiten gibt.

     

    Europa heißt Ordnungsmangel. Ordnungsmangel und mangelnde demokratische Kontrolle stehen einer Einigung in Form einer politischen Union im Wege. Nationale Egoismen der Währungschaoten und die Steuervermeidungswettbewerbe der Konzerne sind eben keine Basis für eine Gemeinschaft.

  • Ja, das ist richtig. Allerdings möchte ich bezweifeln, dass diese Revolution innerhalb des bestehenden Gerippes möglich ist. Vielleicht müssen wir doch erst einmal bei den einzelnen Knochen anfangen, der Demokratie Platz zu schaffen.

    • 3G
      31878 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Treffend formuliert! Danke, auch an Herrn Beucker!

      Wenn sich ein Mann wie Öttinger halten kann und Merkel ihm noch ihr vollstes Vertrauen ausspricht,wenn demokratisches Verhalten der Wallonier als kommunistisches Agieren betitelt wird, gibt es einige Knochen zu entsorgen. Nur wohin mit all dem Müll?

      Die Demokratie hat schon lang die BRD und die EU verlassen. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Machen wir uns auf die Suche!

      • @31878 (Profil gelöscht):

        Ich bin auch gesPanne drauf wann der Kreistag Passau endlich Merkels Politik stoppt und eine Obergrenze einführt.

         

        Man mag ja die Wallonie toll finden - find ich auch weil ja die EU schwächt - aber demokratisch ist das nicht.

  • Ich befürchte, dass das Problem woanders liegt, nämlich dass ein struktureller und gesamthafter Blickwinkel nicht einheitlich möglich sein wird:

    In den Ländern wo die Konservativen dran waren in Europa, da wurde aus Protest Links gewählt (z.B. Griechenland), da wo die Sozialisten dran waren wird eben zunehmend rechts gewählt (Frankreich oder Österreich). Es handelt sich also nicht um die Wahl eines besseren Politikkonzepts, sondern um Abwählen derjenigen die es aus Sicht der Wähler nicht können.

     

    Lösung: Ja, es müsste eine europäische Gesamtsicht geben. Die kann derzeit nur aus der Politik selbst kommen, aus dem europäischen Parlament, der Komission und den "führenden" Hauptstädten. Ein tragender allgemeiner europäischer Zukunftsvorschlag.

    Die Wähler sind derzeit so frustriert, dass da sicher keine "europäische Revolutionspartei" per Neustart denkbar ist. Zu verbittert, zu launisch wird er Wähler sein. Eine Bankrotterklärung für die Politik die das ursächlich verantwortet.

     

    Fazit: Neustart von oben, aus einer überzeugten euopäischen Sicht heraus. Sofortige Solidarität mit Italien, Griechenland zum Thema Geflüchtete und Schaffung eines Weicheuros für die wirtschaftlich abgehängten.

    • @Tom Farmer:

      Es läuft doch genau umgekehrt. Europa wird verteufelt und über diesen "äußeren Feind" lässt sich Wut und Stimmung erzeugen und Wählerstimmen...

  • Bevor ein vereinigtes Europa entstehen darf, muß erst mal festgelegt sein, das alle Entscheidungen durch das Europa-Parlament getroffen oder gestoppt werden.

    Und auch die Regionen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen müssen ausreichend berücksichtigt werden.