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Kommentar Rechte Proteste in DresdenDen öffentlichen Raum gekapert

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Rechte haben am Tag der Deutschen Einheit in Dresden eine erschreckende Präsenz gezeigt. Und die Symbolik des Gedenktages in ihr Gegenteil verkehrt.

Traurig: Pegida-Demo am 3. Oktober in Dresden Foto: ap

E s waren nur wenige hundert Menschen, die in Dresden dafür gesorgt haben, dass dieser Tag der Deutschen Einheit in nachdrücklicher Erinnerung bleiben wird. Doch auf die Zahl kommt es nicht an. Diesen Rechtsradikalen ist es gelungen, an einem Tag den öffentlichen Raum zu erobern, an dem nicht nur die deutsche Öffentlichkeit genau hinschaut.

An diesem 3. Oktober haben diese Menschen, bei denen man sich angesichts ihres Verhaltens davor scheut, sie Demonstranten zu nennen, eine Präsenz erreicht, die schaudern lässt. Die Bilder der Pöbler, die nun in die Welt gehen, werden nicht dazu beitragen, Deutschland als ein friedliches Land darzustellen. Es mag pathetisch und staatstragend klingen, aber es stimmt: Sie haben der Bundesrepublik Deutschland Schaden zugefügt.

Gedenktage und Denkmäler dienen in einer Gesellschaft vor allem der Selbstvergewisserung über grundsätzliche Werte. Das ist beim Berliner Holocaust-Mahnmal prinzipiell nicht anders als beim Tag der Einheit. Das eine wurde als eine Verpflichtung des Staats und seiner Bürger dafür errichtet, den Massenmord nicht zu vergessen.

Der 3. Oktober, so seltsam auch sein Datum anmutet und so gewöhnungsbedürftig diese Feiern ablaufen, fungiert als Merkzeichen für die wiedergewonnene Souveränität in einem Staat und angesichts der Diktatur in der DDR auch als Freiheitssymbol.

Wer diesen Tag dazu nutzt, um auf schwerwiegende Probleme in Deutschland aufmerksam zu machen, tut Gutes. Wer ihn aber benutzt, um seinen Hass auf die Politiker herauszuschreien, dem kommt es darauf an, die Symbolik des 3. Oktobers umzukehren und gesellschaftliche Grundsätze in ihr Gegenteil zu verkehren. Deshalb handelt es sich bei den herausgebrüllten Protesten 2016 nicht um ein Randphänomene von marginaler Bedeutung. Wer so mit der Demokratie und seinen gewählten Vertretern umgeht, dem ist wesentlich Schlimmeres zuzutrauen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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25 Kommentare

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  • Also, die "deutsche Einheit" als Anschluss eines pleite gegangenen Murks-Sozialismus zu vollziehen, war ja schon peinlich genug. Diese paar Leute an diesem Feiertag (wer hat da eigentlich gefeiert?) jetzt zum staatsgefährdenden Subjekt aufzupumpen, macht das nicht besser.

     

    Ich finde, eine Demokratie hat damit zurechtzukommen. Also, ich habe Kohl damals auch nicht zugejubelt. Wenn ich ein Auto hätte, würde ich mir hinten einen "Eure Feigheit kotzt mich an" Aufkleber draufpappen, ihr Schönwetterdemokraten.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Der 9. November wäre als nationaler Feiertag - wenn so etwas gebraucht wird - wesentlich besser geignet, erinnert er doch neben der Novemberrevolution und dem Mauerfall auch an die Reichspogromnacht.

    Gedenkfeiern am 9. November würden damit der deutschen Geschichte viel eher gerecht werden als Feiern zum Anschluß der Gebiete (des Lebensraums?) im Osten.

    Einen "Einheitstag" zu feiern riecht für mich förmlich nach Großdeutschland und dem Gegenteil von Vielfalt.

    Diese Symbolik des 3. Oktober muß durch die Rechten nicht erst umgekehrt werden.

    Ich würde soweit gehen, wenn jemand eine Umkehrung der Symbolik vornimmt, dann diejenigen, die den Tag so positiv sehen wie der Autor.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Glauben Sie, daß Ihre Überlegung mit dem alternativen 9.Nov. das rechtsextreme Pack auch nur irgendwie interessieren würde? Selbst die Abschaffung eines 'Einheitstages' würde den Fremdenhassern vollkommen egal sein. Vor in Berlin nicht braune Nazis regieren, gibt dieses Sachsen keine Ruhe.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @4932 (Profil gelöscht):

        Mal wieder die Sachsenkeule...

        Es geht mir nicht um den rechten Rand, sondern um die Breite der Gesellschaft.

        Einen Tag der Deutschen Einheit werden die meisten links von der Mitte kaum feiern, was soll da Einheit denn bedeuten außer Vereinheitlichung von Unterschiedlichem.

        Dagegen steht der 9.November eben nicht für eine unkritische Verherrlichung des vereinheitlichten Deutschlands. Der Mauerfall vereinigt (nicht: vereinheitlicht) - in diesem Verständnis als Feiertag - was durch die Novemberrevolution schon eins war und die Erinnerung an die Reichsprogromnacht steht für unsere Verantwortung, die sich aus der Geschichte versteht.

        Warum sollen denn irgendwelche Hobby-Hitler irgendeine Referenz sein. Es geht doch an so einem Tag gerade nicht um die.

        • 4G
          4932 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Ich habe mich auf den Titel und den Inhalt des Taz-Beitrags bezogen. Ihren Blog hatte ich so verstanden, daß die bloße Verlegung eines Feiertags dazu führen würde, daß sich dann das sächsische Rechtsradikalenproblem auflösen würde. So wie sich Pegida jeden Montag ins Zeug legt und Asylbewerberheime ganzjährig attackiert werden ist dies sehr unwarscheinlich. Und ich bleibe bei meiner Meinung, daß diese Leute erst zufrieden sind, wenn Höcke, Petry und Bachmann in Berlin regieren.

  • Heute hat die mickrige rechte Mischpoke mit den Aktionen gezeigt das sie eben "NICHT das VOLK" sind sondern eine von Demokraten geduldete Randgruppe.

  • "grundsätzliche Werte" ?

     

    Nach Jahrzehnten in Erwerbsarbeit und Vollbeschäftigung, und in Folge des Einheitsbreis, im Hartz-IV-Strafvollzug und in Armutsrente, analog Grundsicherung (- die keine ist) bzw. Sozialhilfe zu landen, das ist ein schweres Verbrechen der deutschen Wirtschaft und Regierungen, - einschließlich deren staatlichen Justiz, an Millionen Bundesbürgern!

  • Die Wirmer-Flagge scheint das nicht zu sein. Weiß jemand, was sich dahinter verbirgt?

  • Gerade wegen Rechtsextremismus beziehungsweise Faschismus war Deutschland geteilt. Nun ist es bitter zu sehen, wenn Rechtsextreme die Feier des Tages der Deutschen Einheit mit rechten Parolen und Ideologien stören. Haben diese Menschen aus unserer Geschichte nichts gelernt?

  • Moinsenmoinsen!

    Jetzt aber mal halblang, nur weil jemand seinen (ob gerechtfertigt oder nicht, die Frage ist ja scheinbar nicht so leicht zu beantworten) "Hass" herausschreit ist ihm gleich schlimmeres zuzutrauen ?(Schon mal auf einer Demo gewesen, vielleicht nicht den Schweigemarsch gegen TTIP Demos o.ä.?)

    Na dann lasst uns doch dieses Demonstrationsrecht gleich abschaffen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @jaimie james:

      Es ist von Hass auf DIE Politiker die Rede.

    • @jaimie james:

      Herr Hillenbrand hat, was den "Hass" betrifft, leider gleich auch die "bessere" Hälfte weggelassen - siehe "Grünes Bombergate - Den Grünen-Politiker Matthias Oomen lässt eine Fliegerbombe in Dresden "hoffen" und sein Parteifreund Jürgen Kasek kann das "nachvollziehen".- http://www.heise.de/tp/artikel/49/49586/1.html

       

      Nein, nur weil ein fragwürdiger Feiertag proklamiert ist braucht die Bevölkerung nicht in die gewünschte Amnesie zu verfallen - das darf den Montblanc-bestückten "Repräsentanten" und ihren servilen Freunden aus der Journalistik überlassen werden.

       

      Man erinnert sich: für den schönen Herr Gauck ist /der Bürger/ das "Problem". Der hat den Mund zu halten und darf sich bei Gelegenheit auch von der Staatsmacht verprügeln oder ins Gefängnis stecken lassen, z. B. weil er in seinen immer teurer werdenden Wänden selbst bestimmen will was er/sie tut.

       

      Auf einen taz -Bericht über das neuliche Tübinger Urteil zur illegalen GEZ-Vollstreckungspraxis warten wir übrigens immer noch. Hier wäre journalistische Energie besser eingesetzt!

      • @Ulrich Frank:

        Welches "neuliche" Urteil denn? Die "Ausreisser" des Tübinger Landgerichts von 2014 und 2015 sind vom BGH doch längst wieder eingefangen worden.

         

        Weder der Rundfunkbeitrag, noch die Art und Weise, diesen bei Säumnis einzutreiben, widersprechen der allgemeinen Rechtsordung. Illegal handeln lediglich diejenigen, die glauben, sich aus purem Eigennutz zu Lasten der Allgemeinheit aus einem solidarischen System verabschieden zu können und darauf auch noch einen wie auch immer gearteten "moralischen Anspruch" zu haben.

         

        Diese Form geistiger Kleingärtnerei undd sozialer Verwahrlosung ist in seiner Wirkung weitaus zersetzender für diese Gesellschaft, als es irgendein Flüchtling je sein könnte.

  • Wer kam eigentlich auf die Idee gerade in Dresden den Tag der Deutschen Einheit zu feiern?

     

    Klar könnte man argumentieren "Jetzt erst Recht!" aber andereseits weshalb eine Stadt mit so einer Feier würdigen welche in letzter Zeit alles dafür unternimmt eben NICHT respektiert und anerkannt zu sein?

     

    Selbiges passiert ja zB gerade im Bereich der Wissenschaft.

    • @Gunter Gabriel:

      Das steht schon jahrelang fest und wird im Turnus des Bundeslandes, welches den Vorsitz des Bundesrats innehat, organisiert. Vor 16 Jahren war die Einheitsfeier also schon mal in Dresden. Nächstes Jahr wird die Feier von Rheinland-Pfalz in Mainz ausgerichtet werden.

      • @Hanne:

        @Hanne:

         

        Ja, sowas hatte ich schon vermutet.

  • Dieser Kommentar des Herrn Hillenbrand ist an unerträglicher Feierlichkeit kaum zu überbieten.

     

    Wer auf "schwerwiegende Probleme in Deutschland aufmerksam macht" wird von den sog. , auch rekordwaffenexportierenden, "gewählten Vertretern" schon lange nicht mehr gehört. Die machen ihr eigenes Ding - und "feiern", vor sich hin privatisierend. Die "Probleme" - ich erspare die Aufzählung - bleiben außen vor.

    • @Ulrich Frank:

      Nur, dass diese "Demonstranten" heute in Dresen nicht "die Politiker" bepöbelt haben, weil sie Waffen in alle Welt exportieren, sondern weil sie Flüchtlinge in dieses Land lassen bzw. gelassen haben. Wer angesichts eines schwarzen Menschen in Affengeräsuche verfällt und "Abschieben!" brüllt hat keinerlei Verständnis verdient. Das waren lupenreine Rassisten, sonst nix.

  • "Wer diesen Tag dazu nutzt, um auf schwerwiegende Probleme in Deutschland aufmerksam zu machen, tut Gutes. Wer ihn aber benutzt, um seinen Hass auf die Politiker herauszuschreien, dem kommt es darauf an, die Symbolik des 3. Oktobers umzukehren und gesellschaftliche Grundsätze in ihr Gegenteil zu verkehren."

     

    Der 3. Oktober war immer der Kunsttermin von Kohl für die Wiedervereinigung. Jeder hat das Recht Politikern seine Meinung zu sagen, das war auch 1989 so. Es wäre Quatsch nur weil man die Einschätzungen dieser Leute nicht teilt, staatstragend Respekt für den Feiertag einzufordern und Fahneschwenken zu fordern. Das Hauptproblem ist ja, dass Politiker nicht mehr zuhören. Das ist ihr gutes Recht. Doch dann werden die Unzufriedenen eben lauter und die Situation eskaliert. Die Frage ist ja mehr, welche Impulse die Linke setzen kann.

     

    Und bitte nicht staatstragend sein.

  • Die Kaperung des öffentlichen Raums in dresden konnte diesen paar Hundert Rechtsradikalen ja nur deshalb gelingen, weil sie in erschreckend offener Weise von der Polizei unterstützt wurden ("wünschen einen erfolgreichen Tag"), die sich vor allem darauf kaprizierte, Gegendemonstranten im Schach zu halten.

  • Die Herren machen das selber , daß ihnen der arme Mann Feind wird

     

    Thomas Müntzer

  • Und wer entscheidet das ?

    Was schwerwiegende Probleme sind, auf die "aufmerksam machen" gut ist ?

     

    Das Demonstrationsrecht ist für alle gleich - ob links oder rechts.

    Findet Euch damit ab.