piwik no script img

Kolumne Ich meld michRüdiger und die Seinen

Die Deutsche Bahn mottet ihre Nachtzüge ein. „Chapeau, Herr Kollege!“: Die Konzernchefs der Autoindustrie sind begeistert.

Bahnchef Hartmut Mehdorn präsentiert 2003 stolz den neuen DB-Nachtzug. Sein Nachfolger schafft ihn jetzt wieder ab Foto: dpa

F rankfurt am Main, Montagmorgen um zehn, Schaltkonferenz des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG mit den Chefs von Mercedes, VW und BMW.

„Morgen, Grube, prima Arbeit, Kompliment. Gut, dass Sie das noch mal abschließend geklärt haben. Wird keine Nachtzüge mehr geben ab 2017. Finis, Sense, ultimo. Endlich Schluss mit dem ganzen Schlaf- und Liegewagenquatsch. Ein Recht auf Transport, Bahnfahren als ein Stück Daseinsfürsorge für Bürger – wenn ich den ganzen Schmarren schon höre. Nachts ist doch endlich mal Platz auf den Autobahnen – warum kapieren die nostalgischen Trottel das nicht? Zu dumm fürs Gaspedal wahrscheinlich. Bahnfahren im Autoland Deutschland, was für ein Anachronismus! Und dass die Österreicher sich jetzt noch mal reingedrängt haben ins Geschäft – ein kleiner Schönheitsfehler, nix weiter. Die machen das nicht lang, wetten?“

„Besten Dank, Herr Müller …“

„Chapeau, Herr Kollege! Und dann auf der anderen Seite Ihre Visionen. Täglich das Blaue vom Himmel herunterfantasieren – wie kriegen Sie das nur immer wieder hin? Funktionierendes WLAN in allen Zügen – was haben wir gelacht. Diese reizende Pünktlichkeitsoffensive – die wievielte ist es denn eigentlich? Und dann das da, Ihr Meisterstück: Züge, ganz ohne Lokführer. Genial, mein Lieber, genial. Allein, wie der Weselsky im Karree gesprungen ist, wie auf Knopfdruck: ,ein Politikum', zum Schießen.“

„Freut mich sehr, Herr Krüger, aber …“

„Großes Kompliment, mein Bester. Machen Sie weiter so. Legen Sie uns wieder eine gelungene Winterperformance hin. Ein paar vereiste Weichen, jede Menge umgekehrte Wagenreihung, saubere Verspätungen übers ganze Land verteilt, am besten garniert mit einem hübschen Streik – so eine richtig schön dreckige, überfüllte und rundum unpünktliche Weihnachtsüberraschungsbahn eben.“

„Klar, Herr Zetsche, bloß …“

„Und dann machen Sie sich mal keine Sorgen. Wenn wirklich alles so prima klappt wie in den vergangenen Jahren, lassen wir den Pofalla noch eine ganze Weile zappeln!“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Herrn Mehdorn als Schöpfer der Nachtzüge hinzustellen zeugt von ziemlicher Geschichtslosigkeit. Herr Mehdorn hat einen massiven Schrumpfkurs der Bahn veranstaltet. Auch die Nachzüge waren davon betroffen. Herr Grube führt diesen im Endeffekt vom Bund und der Automobillobby gewollten Kurs etwas abgemildert fort.

    • @Velofisch:

      ja, gab es je einen Bahnchef, der nicht ganz dicht bei der Autoindustrie daheim war? Gab es nicht! Das war immer schon ein Verrat an der Umwelt - und den Fahrgästen. Wie sie bewußt unkorrekt immer noch genannt werden. Denn BahnKUNDE verweist auf ein rechtliches Verhältnis auf Augenhöhe. Das ist nicht erwünscht!