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Kolumne Pflanzen essenDie doofe Insel-Frage

Normalerweise wollen das nur Arschlöcher wissen: Fliegt man aus dem Veganer-Club, wenn man auf einer einsamen Insel Fisch isst?

Fisch essen oder verhungern? Foto: dpa

„Aber was, wenn du auf einer einsamen Insel gestrandet bist, wo es nichts gibt, außer Quellwasser und Fisch?“, lautet eine der Lieblingsfragen, die Fleischesser Veganern stellen. Unter anderem liegt der Fragestellung die falsche Annahme zugrunde, dass Veganer sein wie eine Art Mitgliedschaft in einem Club ist, aus dem man rausfliegt, wenn man sich einmal nicht an die Regeln hält.

Sollte der Veganer auf der einsamen Insel Fisch essen, um zu überleben, so is(s)t er in dem Moment vielleicht nicht vegan, aber er hat eine akzeptable Entscheidung getroffen. Er ist sozusagen nur kurzfristig nichtvegan. Denn nicht seine Überzeugung, lediglich seine Umstände haben sich geändert. Klar, er könnte auf den Fisch verzichten und lieber langsam verhungern. Oder damit anfangen, Stück für Stück sein eigenes Fleisch zu verspeisen, wie in Stephen Kings Kurzgeschichte „Überlebenstyp“. Was allerdings die Frage aufwirft, ob Autokannibalismus vegan ist. Grundsätzlich wohl schon.

Grundsätzlich wird die Einsame-Insel-Frage stets von Arschlöchern gestellt. Und zwar solchen, die das Glück haben, Hunger höchstens als abstraktes Konzept zu kennen, und die nicht anerkennen wollen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Töten, um zu überleben, und der Inkaufnahme des Tötens der Bequemlichkeit und des Genusses halber.

Apropos grundsätzlich: Die Vegan Society definiert ihre Grundsätze so: „… soweit wie möglich und praktisch durchführbar, alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeit an Tieren für Essen, Kleidung oder andere Zwecke zu vermeiden …“. Sollte ein Veganer sich also, Abrakadabra, plötzlich auf besagter einsamen Insel befinden und sich fürs Überleben entscheiden, dann sollte er essen, was notwendig ist. Wenn er dann, Hex-hex, wieder runter von der Insel ist, kann er sich wieder seinen Veggie-Burgern widmen. Ich für meinen Teil werde ihm sicher nicht seine Mitgliedschaft im „Vegan Club“ entziehen.

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6 Kommentare

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  • Die Frage an einen Pazifisten könnte lauten: Tötest du einen Menschen, wenn er daran ist, dich zu töten ? Wer wollte ihn aus dem Pazifistenclub werfen ?

  • 3G
    35440 (Profil gelöscht)

    Wer seine Ideologien derart aggressiv verteidigt, in dem er jede Ausnahme und Differenzierung ausschließt, der sich muss auch gefallen lassen, dass auf derart dogmatische Verbohrtheit mit extremen Szenarien geantwortet wird.

     

    Also nein, wer solche Fragen stellt, ist kein Arschloch, sondern hält dem fundamentalistischen Veganer den Spiegel vor.

     

    Aber keine Sorge, auch der fundamentalistische Veganismus ist nicht weniger verlogen als jede andere Religion. Im Grunde sind nämlich auch Veganer sehr flexibel was die Auslegung ihrer Regeln angeht.

     

    Und im Zweifel steht die Bequemlichkeit und der Geschmack dann irgendwie doch an erster Stelle.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @35440 (Profil gelöscht):

      Setze einen verweichlichten fetten deutschen Grillmeister auf einer einsamen Insel aus und er wird notgedrungen mehr Pflanzen fressen als in seinem ganzen Leben zuvor, weil er zu blöd zum Jagen ist und Insekten zu eklig findet.

       

      Solch ein Szenario hat nichts mit Ideologie oder Verbohrtheit zu tun, sondern es soll eine Haltung mit einer immaginierten Extremsituation abgleichen. Extremsituationen ist es aber nun einmal eigen, dass sie Handlungen bedingen, die von jenen des normalen Lebens abweichen.

       

      Übrigens: Fleischfresser gehören der Kaste der Unbelehrbaren an. Das sind Fundamentalisten, die sich durch abweichendes Essverhalten derart einschüchterm lassen, dass sie aus Mangel an (selbstkritischem) Denken stets zum Angriff auf die Abweichler übergehen. Wenn sie den Spiegel vorgehalten bekommen, schlagen sie ihn dem über den Kopf, der ihn hält, weil sie ihr Spiegelbild nicht ertragen können.

       

      Stimmt nicht!? Warum nicht? Weil es nicht jedem, der Fleisch isst, um die Wurst geht und nicht jeder gewohnheitsmäßige Fleischesser beim Essen sein Hirn ausschaltet.

    • @35440 (Profil gelöscht):

      Bitte keine Verallgemeinerungen.

      Ich mache auch nicht meinen autofahrenden Kollegen blöd an, nur weil mich drei Autos auf meinem Arbeitsweg auf dem Fahrrad geschnitten und angehupt haben.

       

      Ich bin keine Fundamentalistin, nur weil ich mich entscheide, möglichst keine Tierprodukte zu konsumieren.

       

      Desweiteren hat man als Veganer bei einigen sowieso keine Chance. Du redest im ersten Satz von "keine Ausnahmen, aggressiv verteidigt". Findest du doof. Ja, aggressiv finde ich auch doof. Weiter unten schreibst du, dass Veganer verlogen sind, weil sie ja doch ihre Ausnshmen machen. Findest du auch doof ("verlogen" ist negativ).

       

      Ja, wie hättens es denn nun gerne? Ausnahmen machen oder keine?

      Ich mache hier und da aus unterschiedlichen Gründen Ausnahmen, und das verheimliche ich auch nicht.

      Geht es dir eher um die Fraktion, die gleichzeitig davon spricht, niemals Ausnahmen zu machen, aber heimlich dann doch abends heimlich ihre Tafel Milchschokolade essen? Wieviele davon kennst du denn? Meinst du, das ist eine signifikante Menge von Leuten?

      Ansonsten wirfst du hier doch zwei Gruppen zusammen, nur um dann Veganismus als verlogene Religion darzustellen.

       

      Aber meine Erfahrung mit solchen Anschuldigungen sind eher, dass da keine Antwort kommt, sondern vom Thema abgelenkt wird.

    • @35440 (Profil gelöscht):

      Wenn man auf einem Planeten lebt, der ernsthaft von einer Klimaveränderung bedroht ist, und man dieses Problem durch das nicht essen von Tierprodukten entschärfen kann und nebenher noch Tieleid verringert, warum sollte man noch Tierprodukte essen? Welche Ausnahmen und Differenzierung? Klar ist es was anderes, wenn man es zum überleben braucht. Das ist aber schlicht nicht unsere Lebensrealität.

  • Wenn's der letzte Fisch auf dieser einsamen (!) Insel war: ja, da fliegt er raus.