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Der Fall Gina-Lisa LohfinkEin Opfer von Sexismus

Lohfink sagt, sie wurde vergewaltigt. Das Gericht glaubt ihr nicht. Wie geht die Gesellschaft mit mutmaßlichen Opfern sexueller Gewalt um?

Sie fühle sich von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht ernst genommen, sagt Gina-Lisa Lohfink Foto: dpa

Sie ist jetzt schon die größte Frauenrechtlerin, die Heidi Klums „Germanys Next Top Model“ hervorgebracht hat. Gina-Lisa Lohfinks Fall veranlasste nun sogar Manuela Schwesig zu einer Stellungnahme. „Wir brauchen die Verschärfung des Sexualstrafrechts“, sagte die Familienministerin vergangene Woche.

Hintergrund ist ein Video aus dem Jahr 2012. Darin sieht man zwei Männer, die abwechselnd mit Lohfink Sex haben. Zwischendurch tanzt sie, dann wirkt sie betäubt. Und mehrfach sagt sie „Hör auf“. Klingt wie ein eindeutiger Beweis, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt. Das Video verbreitet sich gegen ihren Willen, Lohfink zeigt die beiden mutmaßlichen Täter an, sagt der Polizei, sie glaube K.-o.-Tropfen bekommen zu haben. Ein Gutachter befindet, das Video würde nicht beweisen, dass sie betäubt wurde.

Auch eine Vergewaltigung sah das Gericht nicht dadurch bewiesen. Beim letzten Verhandlungstermin Ende Mai wird sie im Gericht von Zuschauern als „Hure“ beschimpft. Die Personalien werden nicht aufgenommen. Sie fühle sich von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht richtig ernst genommen, sagte Gina-Lisa Lohfink der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Viele Medien berichten eher über ihre Brüste als über Details des Falls. Und erinnern wie zum Beweis an ihre bisherige Karriere.

Die 1986 im hessischen Seligenstadt geborene Lohfink machte nach der Schule eine Ausbildung zur Arzthelferin. Sie nahm an verschiedenen regionalen Schönheitswettbewerben teil, bis sie sich 2008 auf die dritte Staffel von Heidi Klums Castingshow „Germany’s next Topmodel“ bewirbt. Nachdem Lohfink dort als Schnattertante für den Unterhaltungswert sorgte, sah man sie in diversen Reality-Formaten oder neben Richard Lugner auf dem Wiener Opernball. Sie war im Playboy, drehte Amateurpornos. Oder man las, dass sie sich von Frederic von Anhalt adoptieren lassen will, um ihre Schauspielkarriere mit einem Adelstitel voranzutreiben.

Jetzt ist die 29-Jährige die meistdiskutierte Frau des Landes und stößt eine wichtige Debatte an: Wie geht die Gesellschaft mit mutmaßlichen Opfern sexueller Gewalt um?

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22 Kommentare

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  • Kann man bewusstseinsverändernde Drogen nicht noch eine Zeit lang nach der Wirkung der psychotropen Substanz nachweisen?

  • So bedauerlich die Situation für Frau Lohfink ist: Polizei und Staatsanwalt müssen zuallererst die Gesetzeslage ernst nehmen. Und es ist nunmal so, dass ein Video keinen Beweis für KO-Tropfen erbringen kann. Das könnte wohl nur ein Labor zweifeslfrei feststellen.

  • Ich glaube nicht an die Unschuld von Frau Lohfink(Ausschnitt vom Video gesehen) und finde es bedauerlich dass diese mutmassliche "attention whore" nun also Sinnbild des Vergewaltigungsopfers herhalten soll.

    • @Chaosarah:

      Wo gibt es das Video zu sehen?

    • @Chaosarah:

      ja,weil all die tolle aufmerksamkeit(zum beispiel unqualifizierte beschimpfungen im internet),die man als vergewaltigungsopfer so kriegt,so viel spass machen.weil unsere gesellschaft mit mutmasslichen vergewaltigungsopfer ja so empathisch und mitfühlend umgeht.

      • @pippilotta_viktualia:

        Frau Lohfink ist aber kein Vergewaltigungsopfer. Zumindest nicht im vorliegendem Fall.

         

        Vielmehr ist sie eine Frau mit unstetem Lebenswandel, die in der Vergangenheit schon Sexvideos zum Gelderwerb gedreht hat.

        Im aktuellem Fall ist Frau Lohfink auch zu aller erst gegen das Video vorgegangen nicht gegen die vermeindliche Vergewaltigung.

         

        Die Richterin hat genauso wie viele Andere eben keine Vergewaltigung gesehen. Dann muss aber zum Schutz des Gesetzes auch vereitelt werden dass Frau Lohfink das Vergewaltigungsgesetz missbraucht.

        Wenn Sie also irgendwelche Erkenntnisse haben die eine Vergewaltigung beweisen können oder auch nur glaubwürdig machen dann bitte ich Sie sich einzubringen.

        Wenn nicht sollten sie die Unschuldsvermutung respektieren.

         

        Alles andere ist nämlich nichts weiter als ein Verbrechen gegen die beiden jungen Männer im Video die sich als Vergewaltiger diskreditiern.

        Dann muss man sich über respektloses Verhalten nämlich nicht aufregen - man ist ja selbst nicht besser.

        • @Chaosarah:

          Richtig. Manchmal muß auch das Gesetz geschützt werden.

  • auch die taz berichtet mehr über die "Schnattertante Gina-Lisa" als über die Details des Falls.

    • @pippilotta_viktualia:

      Womit sie ja hausieren geht. What goes around comes around.

  • "Beim letzten Verhandlungstermin Ende Mai wird sie im Gericht von Zuschauern als „Hure“ beschimpft." Ähm, ich hoffe diese Person ist wenigstens wegen Beleidigung dran? Ich meine der Richter könnte sich ja gleich selbst als Zeugen laden.

    • @Christian:

      laut anderer medienberichte handelte es sich bei den zwischenrufern um freunde der angeklagten.Frau Lohfink hat in einem Interview berichtet,die Richterin(!) meinte zu ihr,da könne sie nichts machen.

      • @pippilotta_viktualia:

        Hallo Rechtsstaat. Sowas macht echt nur noch traurig.

        • @Christian:

          mich macht es wütend.

          • @pippilotta_viktualia:

            Tja, wenn ich die Richterin vor der Nase hätte, hätte ich ein Ziel für Wut. Aber meine Möbel können da ja auch nichts für :/

  • Ich weiß nicht so ganz, wenn ein Video in dem jemand nachweißlich apathisch herumliegt und "hör auf" mehrfach artikuliert nicht als Beweis für eine Vergewaltigung dient wie man dem mit einer Verschärfung des Gesetzes bei kommt, hier werden ja eher Fakten entspannt ignoriert.

     

    In der FAZ fand man auch die Aussage der Staatsanwältin , dass das "hör auf" sich ja auf Oralverkehr ausschliesslich beziehen würde, damit wäre es keine Vergewaltigung, was doch eine eher interessante "Interpretation" der Sachlage ist.

  • Wie die Gesellschaft mit mutmaßlichen Opfern sexueller Gewalt umgeht? Na, hoffentlich differenziert...!

  • Zumindest wird man mal darauf hinweisen dürfen, dass Heidi K. und ihre Gästinnen den Sexismus in der medialen Öffentlichkeit trefflich befördern. Das sagt natürlich noch nichts über die Vorkommnisse aus, die vor Gericht verhandelt werden. Es ist aber ein Detail, welches das kommunizierte "Opfer-Selbstbild" mit einem Stirnrunzeln wahrnimmt.

  • "Wie geht die Gesellschaft mit mutmaßlichen Opfern sexueller Gewalt um?"

     

    Auf dem Video sind 2 Männer und eine Frau beim Geschlechtsakt zu sehen. Sexuelle Gewalt ist eben nicht zu erkennen. Das "Hör auf" kann allem möglichen in dieser Szene gelten: dem Filmen, dem Oralverkehr, der Stimulation oder eben dem Akt als solches. Bei der prominenten Akteurin sind alle Varianten denkbar und möglich, auch wenn sie sich im Nachhinein an nichts erinnern kann. Solche Szenen (meist ohne Kamera und mit einem Beteiligten weniger aber mit durchaus mehr Drogen und Alkohol) spielen sich jede Nacht Deutschland ab - ob in Hotels, Schlafzimmern oder Darkrooms.

     

    Ob ein "gewöhnlicher" Sexualakt (ohne Gewalt oder erkennbare Gegenwehr) trotzdem eine Vergewaltigung sein kann, ist scheinbar die Frage. Die sexualstimulierende Drogen, die (un)freiwillig zum Einsatz kommen, entheben den einzelnen bisher nicht von seiner verantwortung. Eine Antwort wäre wegweisend und kann die SexualKultur in unserem Land grundlegend verändern, sittenpolizeiliche Auswüchse inklusive.

     

    Will man/frau wirklich dem sexuellen Rollback durch die Hintertür des Strafrechts Vorschub leisten? Wo ist die sexuelle Avantgarde der 68er hin?

    • @TazTiz:

      Das sehe ich auch so. Hier werden aufgrund von Bruchstücken aus einem Gerichtsprozess Ferndiagnosen und Fernurteile erstellt. Abenteuerlich!

    • @TazTiz:

      und wenn eine frau beim geschlechtsverkehr "hör auf" sagt,ist es okay,einfach weiterzumachen wie gehabt,denn die drogen hat sie ja freiwillig genommen?

      verquere logik.

      allgemein,dass interesse so vieler mànner mit betrunkenen/unter drogen stehenden frauen zu achlafen und die allgemeine akzeptanz dessen erschreckt mich.ich hab gerne,wenn mein partner beim sex wach und zurechnungsfähig ist.

      • @pippilotta_viktualia:

        "dass interesse so vieler mànner mit betrunkenen/unter drogen stehenden frauen zu achlafen und die allgemeine akzeptanz dessen erschreckt mich"

         

        Das kann sich ja nur auf die persönliche Erfahrung stützen oder gab es da mal eine statistische Zahlenerhebung?