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Kommentar Staat und PressefreiheitIm Zweifel dagegen

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Deutschland steht im Pressefreiheitsranking nur auf Platz 16. Dabei sollten Staatsanwälte und Richter freie Medien schützen, statt gegen sie zu ermitteln.

Und hier ein 1a-Symbolbild für Pressefreiheit Foto: dpa

S ollten Sie sich fragen, warum Deutschland im Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen nur auf Platz 16 steht, hier eine ganz kurze Zusammenfassung der möglichen Gründe: Gegen einen Journalisten, der über illegale Waffenlieferungen nach Mexiko recherchiert hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft München.

Die KollegInnen aus Mainz haben gerade einen ZDF-Moderator im Visier, der ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt haben soll. Bei einer Kundgebung am Rande des AfD-Parteitags in Stuttgart werden drei Journalisten festgenommen. Und am Donnerstagmorgen beschlagnahmen Polizisten Festplatte und Rechner eines Berliner Fotografen.

Wie gesagt: Das Genannte ist nur eine sehr kleine Auswahl. Alles unterschiedliche Fälle, alle unterschiedlich gelagert, alle unterschiedlich wichtig. Doch sie zeigen, dass die staatlichen Organe momentan im Zweifel eher gegen die Pressefreiheit entscheiden. Das ist schlecht. Zunächst einmal für die Medien selbst und ihre InformantInnen, denn wer will sich schon gegenüber JournalistInnen äußern, wenn er oder sie Angst haben muss, dass die Aufzeichnungen kurz darauf bei der Staatsanwaltschaft landen könnten?

Und auf längere Sicht auch für die Gesellschaft, weil freie Medien in ihrer Wächterfunktion viel mehr sind als das, was sie derzeit leider häufig ausstrahlen (ein jammernder Haufen, der nicht weiß, wie er in ein paar Jahren noch durch die Kurven kommen soll). Diese Funktion gilt es zu bewahren und zu schützen, liebe Staatsanwälte und Richter, nicht zu missbrauchen. So schwer das in Einzelfällen auch sein mag.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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13 Kommentare

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  • Sorry, aber Deutschland hat doch auch die Türkei erst auf die Idee gebracht, Facebook und andere Sozialmedien zensieren (mittlerweile wird selbst eine Kurdische Fahne schon gelöscht) zu lassen, nachdem sie selbst damit angefangen haben.

     

    Da ist der 16. Platz eigentlich noch viel zu gut bewertet.

    • @Cypher:

      Es finden sich bei hinreichend umfassender, tiefgehender und systemdynamischer Analyse so viele Parallelen zwischen den praktischen Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen, die sowohl für türkische Besitzstandspotentaten entscheidend sind, wie für deutschen Besitzstandsherrschaftselit'arier'.

       

      Bei den gegenwärtigen Entwicklungen der real-juristischen Trimmung auf Klientel- und Lobbyinteressenrechtsprechung in der Türkei und in Deutschland, lässt befürchten, dass die alte Allianz des deutschen Kaiserreiches und des osmanischen Reiches ihr modernes Update erfährt. Der Treiber dieser Restitution des alten Feudalherrschaftssystems ist heute die kannibalkapitalistische Geldherrschaftsdiktatur.

  • Die taz steht immer ganz vorne, wenn es darum geht, den Missbrauch von Freiheiten durch Einzelne anzuprangern und härteres staatliches Durchgreifen dagegen zu fordern, wenn es zum Beispiel um Steuergestaltung, unternehmerische Freiheit oder auch mal generell die Vertragsfreiheit geht.

     

    Nun, auch Journalisten arbeiten gewinnorientiert, stehen im Wettbewerb und haben nicht zuletzt ein menschliches Ego, das bekanntlich beliebige Größen annehmen KANN. Dass es aber unter Ihnen welche geben könnte, die vielleicht mal über die Stränge schlagen und denen der Staat dann auch hinterhersteigen muss - unvorstellbar! Daher reicht es zum Nachweis von Repression auch aufzuzeigen, DASS der Staat in Einzelfällen gegen Journalisten vorgeht, ohne sich damit aufzuhalten, WARUM er das jeweils tut.

  • Deutschland kann halt nicht immer und in allem Weltmeister sein.

  • Für einen "Ressortleiter Medien" ist dieser Kommentar aber ein recht dünnes Süppchen. "Mögliche Gründe", toll, da hätte Jürn Kruse halt einfach mal "Reporter ohne Grnzen" fragen können, was denn die tatsächlichen Gründe sind. Aber dann hätte er ja wenig zum Spekulieren. Dass es sich um staatsanwaltliche Ermittlungen handelt, nicht etwa um Gerichtsurteile - geschenkt. Aber für Kruse sind schon Ermittlungen Anschläge auf die Pressefreiheit, und wenn jemand derart schablonenhaft denkt, dann wirft er auch einen echten Rechercheur (Waffenhandel) mit einem Comedian (Jan B.) in einen Topf. Was Jan B.´s Auftritt mit "Pressefreiheit" zu tun haben soll, nicht etwa mit Kunstfreiheit, erfährt der gemeigte taz-Leser dann auch nicht. Das ist wirklich schwach.

  • Die Bewertungen sind leider nicht vollständig transparent. Zum einen gibt es einen Fragebogen, der die Themen Medienvielfalt, Unabhängigkeit der Medien, journalistisches Arbeitsumfeld und Selbstzensur, rechtliche Rahmenbedingungen, institutionelle Transparenz sowie Produktionsinfrastruktur abdeckt; zum anderen eine Kategorie für Übergriffe und Gewalttaten gegen Journalisten (einschließlich Verhaftungen, Entführungen und Fällen von Journalisten, die ins Exil

    gehen), die Reporter ohne Grenzen nach "festgelegten" Kriterien selbst ermittelt. Aus beiden wird eine Gesamtpunktzahl ermittelt, die das Ranking bestimmt. Für Deutschland (das immerhin deutlich vor Großbritannien, Frankreich und den USA steht) scheint die Anzahl der Übergriffe zu einer Verschlechterung geführt zu haben.

    (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2016/)

     

    P.S.:Kann mir jemand vorrechnen, wie die deutsche Punktzahl zustande kam ? Die Methode ist beschrieben aber die Zahlen scheinen nicht zusammenzupassen.

    • @jhwh:

      Mh, ja eindeutig hat die anzahl der Übergriffe für Deutschland die Verschlechterung verursacht (gibt ja Reporter ohne Grenzen sogar an), hauptsächlich soll hierbei das vorgehen bei PEGIDA-Demos sein. Ginge es nach dem Fragebogen wäre Deutschland Top-5.

       

      Wie genau die Zahl berechnet wird ist aus der Methodik nicht zu erkennen, da die Gewichtungen fehlen wonach die 7 Kategorien miteinander verrechnet werden. (Zumindest scheinen Übergriffe recht hoch bewertet angesichts der deutschen Zahl)

       

      Was das alles mit den Problemen die in dem Kommentar aufgezählt werden zu tun hat ist mir schleierhaft.

      • @Krähenauge:

        Nicht nur bei Deutschland, auch bei Frankreich scheint die Anzahl der Übergriffe recht hoch bewertet worden, da sind es immerhin 65,89, gegen D mit 37,14. "La France" ist deswegen sogar 7 Plätze zurück gefallen und auf Platz 45!! Mensch höre und staune. (Womit aber die Situation in D keineswegs relativiert werden soll.)

        • @LiebeSonneScheine:

          Und oh ich nehme es zurück, mit Frankreich und Deutschland kann man den Faktor berechnen, es scheint ca. 1/5 (0,2) zu sein für die Übergriffe 0,8 für den Fragebogen

        • @LiebeSonneScheine:

          Ja und was ich methodisch etwas merkwüdig finde ist, dass einige Länder gar keinen 7ten Wert aufgeführt haben, hat ROG da nun nicht nachgeforscht oder gab es keinen einzigen Übergriff auf Journalisten in diesem Land (Bei dem was in Deutschland da so bewertet wurde wäre das sehr unwahrscheinlich).

           

          Leider kann man nur die ROG selbst zitieren "keine wissenschaftliche Erhebung".

  • Möchte ergänzen, dass Deutschland auf Platz 16 von 180 Ländern liegt.

  • Sorry - Textkritik vorweg -

    "...Diese Funktion gilt es zu bewahren und zu schützen, liebe Staatsanwälte und Richter, nicht zu missbrauchen. So schwer das in Einzelfällen auch sein mag."

    Das ist - mit Verlaub - weder durchdacht - noch im Hinblick auf das vorstehende

    zu ende gedacht. Auch hier - wer läßt sowas rausgehen?!

    (In der Sache - später mal;)

  • Auch die Pressefreiheit unterliegt strengen Bedingungen, speziell der, daß sie nur dann gilt, wenn die Berichterstattung politikkonform verläuft. Alle sog. demokratischen Staaten haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, daß es wirklich so ist.