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Hausdurchsuchung nach Blockupy-ProtestHer mit den Festplatten

Beamte durchsuchen die Wohnung des Pressefotografen Po-Ming Cheung und nehmen Datenträger mit. Das diene der Beweisermittlung, so die Polizei.

Pflastersteine auf der Straße: Die Polizei ermittelt zu den Krawallen gegen die EZB-Eröffnung Foto: dpa

„Um 6 Uhr am Donnerstagmorgen hat jemand an meiner Wohnungstür Sturm geklingelt und wild geklopft“, sagt der Pressefotograf Po-Ming Cheung der taz. „Als ich die Tür öffnete, standen dort vier Polizeibeamte, die mir einen Durchsuchungsbeschluss hinhielten und zielstrebig zu meinem Rechner gingen.“ Der 40-jährige Cheung wurde in seiner Privatwohnung von den Beamten geweckt, weil diese bei ihm wichtige Beweismittel in einem Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags vermuten.

Trotz Cheungs Einwand, dass dort schützenswerte Daten gespeichert seien, beschlagnahmten die Beamten den Computer, sowie eine externe Festplatte mit Fotos.

Die Beamten kamen vom Landeskriminalamt Berlin und durchsuchten im Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Wohnungen von Cheung sowie eines weiteren Berliner Pressefotografen. Das LKA bestätigte die gleichzeitige Durchsuchung der zweiten Wohnung gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland – nähere Informationen über diesen zweiten Fall lagen der taz jedoch bis zum Donnerstagnachmittag nicht vor. Zweck der Aktion war, an Fotos von den Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt vom letzten Jahr zu gelangen.

Im März 2015 demonstrierten rund 20.000 AktivistInnen weitgehend friedlich gegen die Eröffnung des neuen Hauptquartiers der Europäischen Zentralbank (EZB). Einige Hundert lieferten sich jedoch Straßenkämpfe mit der Polizei, bei denen 150 PolizistInnen verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelt in mindestens einem Fall wegen versuchten Totschlags. In diesem Zusammenhang interessiert sie sich offenbar für die Aufnahmen von Cheung.

Durchsuchung ohne Vorwahnung

In beiden Fällen wurden die Betroffenen nicht als Verdächtige, sondern als Zeugen durchsucht. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte der taz, dass ein „Durchsuchungsbeschluss gegen einen Unverdächtigen“ für Cheungs Privatwohnung ausgestellt worden sei. Cheung sei ein wichtiger Zeuge und man erhoffe sich, durch die Beschlagnahmung Beweismittel sicherstellen zu können.

Die Sprecherin bestätigte weiterhin, dass Cheung im Vorfeld nicht über die bevorstehende Durchsuchung informiert worden sei, und dass man ihn auch nicht gefragt habe, ob er bereit sei, die betreffenden Bilder freiwillig herauszugeben. „Man verspricht sich davon keinen Erfolg“, so die Sprecherin. „Vielmehr besteht da die Gefahr des Beweismittelverlustes.“

Tatsächlich war Cheung bereits 2013 von der Polizei aufgefordert worden, Fotomaterial zu Ermittlungszwecken herauszugeben. Damals ging es um Ermittlungen zum „Aktionstag gegen Kapitalismus“ oder „M31“ im März 2012, ebenfalls in Frankfurt am Main. Bei Ausschreitungen am Rande dieser Proteste waren damals 15 PolizistInnen verletzt worden. Cheung hatte in diesem Fall angegeben, keine relevanten Aufnahmen zu besitzen, woraufhin die Staatsanwaltschaft ebenfalls eine Hausdurchsuchung anordnete.

Passwortgeschützt

Der gestern beschlagnahmte Rechner sowie die beschlagnahmte externe Festplatte sind allerdings passwortgeschützt, sodass die Behörden die darauf gespeicherten Daten nicht ohne weiteres auswerten können. Fotograf Cheung weigert sich bisher, die Zugangsdaten herauszugegeben. Sollte es dabei bleiben, will die Staatsanwaltschaft TechnikerInnen damit beauftragen, sich Zugang zu den Daten zu verschaffen.

In der Zwischenzeit will Po-Ming Cheung versuchen, rechtlich zu erwirken, dass die Inhalte nicht gesichtet werden dürfen. „Ich werde mich heute mit meinem Anwalt darüber beraten, wie wir gegen die Durchsuchung und die Beschlagnahmung vorgehen können“, sagte Cheung der taz. „es handelt sich um schützenswerte Daten und es kann nicht sein, dass Journalisten von der Polizei als Informationslager betrachtet werden.“

Die morgendliche Ruhestörung nimmt der Fotograf indes mit Humor. Auf seiner Facebook-Seite kommentiert Cheung die Vorfälle mit der Ankündigung, sich demnächst „in ‚Hessische Asservatenkammer – Filiale Berlin‘“ umzubenennen.

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5 Kommentare

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  • Wenn der Journalist ein wenig mitgedacht hat....

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    sind Rechner und externe Platten massiv gecryptet.

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    Da wird ein mittelkluger Staatsanwalt incl das BKA sich wohl die Karten legen:-))

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    Selbst die NSA et all sollen sich an Geli oder dem Windos Verwandten die Zähne ausbeißen:-)

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    PGP. GELI et all LEBEN hoch!

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    Gruss Sikasuu

  • Die Brisanz dieser Sache ergibt sich daraus, daß in anderen Fällen, wo bei Demos fotografiert wird, Pressefotografen (schon fast standardmäßig) an ihrem Tun mehr oder weniger gewaltsam gehindert werden. Aus diesem Gesamtbild ergibt sich dann die berechtigte Frage, ob die Behörden wirklich aus den angegebenen Gründen an den Fotos interessiert sind, oder ob es mehr darum geht, mögliches dokumentiertes polizeiliches Fehlverhalten vor dem Bekanntwerden zu schützen.

    Außerdem: Po-Ming Cheung ist Pressefotograf, und seine Daten unterliegen deshalb einem besonderen Schutz. Dennoch hat man in einer Nacht- und Nebelaktion bei ihm - einem nicht Verdächtigten, einem vermeintlichen Zeugen - kurzerhand die Wohnung durchsucht. Wie wird man dann erst bei denen vorgehen, die nicht durch die Pressegesetze geschützt sind? Ebenso interessant ist, daß man in einigen Fällen, wo bereits konrekter Verdacht besteht (z. B. Deutsche Bank und diverse andere große Unternehmen) zunächst Monate abgewartet hat, bevor Durchsuchungen stattfanden.

  • Bitte entspannen. Herrn Weissenburger mag den Unterschied zwischen passwortgeschützt und verschlüsselt nicht wichtig sein, Po-Ming Cheung hingegen ist ein gebranntes Kind und verschlüsselt. https://twitter.com/pm_cheung/status/733166078436749312

  • Wenn der Artikels hier richtig liegt, sieht man wie wenig Journalist*innen nach den ganzen Überwachungsskandalen dazugelernt haben. Sensible Daten werden immer noch nicht verschlüsselt, sondern "passwortgeschützt".

    Quellenschutz scheint die meisten traditionellen Journalist*innen ebenso nicht zu interessieren. Kaum jemand in der Branche legt Wert auf geschützte Kommunikation, so dass man immer davon ausgehen muss, dass den staatlichen Behörden die Quellen bekannt sind. Versuchen Sie mal mit taz-Personal verschlüsselt zu kommunizieren, viel Spaß! Zum Glück haben sich andere Recherchegruppen herausgebildet.

  • Wenns mal wieder schnell gehen muss, dann durchsuchen die BeamtInnen des LKA auch schon mal ohne VorWAHNung, nich?