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Kommentar Doppelgesichtigkeit der AfDEin bisschen rechtsextrem

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Rechtspopulisten seien eine „moderne konservative Partei“, heißt es beim AfD-Parteitag. Das ist doppelter Schwindel.

Von nichts ist die AfD so weit entfernt wie von Wehmut Foto: dpa

J örg Meuthen, Chef der AfD, kann man sich auch gut auf einem CDU-Parteitag vorstellen. Er verkörpert die in sich ruhende Bürgerlichkeit, die die AfD gern für sich reklamiert. Die Rechtspopulisten, versichert der leutselige Wirtschaftsprofessor, seien eine „moderne konservative Partei“. Das ist doppelter Schwindel.

Mit der Moderne stehen die Rechtsalternativen auf Kriegsfuß. Sie wollen auf der Linie des Front National aus der EU austreten, wenn die nicht zur Freihandelszone schrumpft. Sie träumen von einem Land, in dem Minarette verboten werden. Und von Patriotismus ohne beschwerende Erinnerung an die NS-Zeit.

Konservativ ist die Partei trotz Alexander Gaulands Tweedjackett keineswegs. Zum Konservativen gehört jene Melancholie, die sich aus der Erfahrung speist, dass gegen den Fortschritt letztlich kein Kraut gewachsen ist. Von nichts ist die AfD so weit entfernt wie von Wehmut.

Die Nachricht, dass ein rechter Mob Justizminister Maas bedrängte, wurde in Stuttgart frenetisch bejubelt. Wer für Toleranz gegenüber dem Islam warb, wurde gnadenlos ausgebuht. Diese Partei treibt das Ressentiment voran, die Verachtung für das Andere und Gewaltfantasien. Der sonore Professor Meuthen möchte die Republik von der linksgrünen 68er Seuche reinigen. Die Wortwahl ist beredt: Gegen Seuchen sind fast alle Mittel erlaubt. So symbolisiert gerade der nette Parteichef die Radikalisierung der AfD. Die Moderaten sind nicht nur unwillig, den rechtsextremen Flügel zu stutzen. Sie klingen mitunter selbst wie Höcke & Co.

Die AfD befindet sich derzeit in einer Phase, die typisch für neue Parteien im Aufschwung ist. Der autosuggestive Glaube an den eigenen Erfolg und der Größenwahn, bald die Macht im Land zu erobern, liegen nahe beieinander. Die Mixtur von Selbstüberschätzung und Radikalisierung ist meist der Beginn des Niedergangs. Denn die heisere Kampfrhetorik ermüdet schnell. Höckes Gefasel vom tausendjährigen Deutschland und Petrys Lob der Deutschnationalen, die Hitler den Weg ebneten, dürfte gemäßigte Wähler abschrecken.

Grund zur Entwarnung also? Leider nein. Die AfD-Spitze ist clever genug, hate speech nicht in ihrem Programm zu fixieren. Sie inszeniert ein kokettes Doppelspiel: bürgerlich und ein bisschen rechtsextrem. Solange dieser Spagat gelingt, wird die AfD Erfolg haben.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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25 Kommentare

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  • Götterdämmerumg?

     

    "Umfrage: AfD fällt wieder unter Zehnprozentmarke"

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-faellt-laut-umfrage-wieder-unter-zehnprozentmarke-a-1090514.html

     

    Na, also. Geht doch.

    • @Eilige Intuition:

      Der "Reichsprogrammtag" der AfD kam einfach erst reichlich spät. Offenbar hatten vorher tatsächlich noch weit mehr Leute von einer richtig knüppelharten Alternative zur NPD geträumt. Klar, dass die sich jetzt teilweise erstmal angewidert abwenden werden - jedenfalls solange die NPD noch nicht vollständig abgewickelt wurde.

  • 1500 Menschen haben versucht den Parteitag in Stuttgart zu verhindern.

    Hier die Berichte und Fotos: http://www.beobachternews.de/2016/05/01/aktionsbuendnis-wirft-polizei-eskalation-vor/

  • Die AfD befördert einen aufgewärmten Nationalsozialismus als „Extremismus der Mitte“, wie ihn der Soziologe und Politikwissenschaftler Seymour Martin Lipset in den sechziger Jahren schon beschrieben hat. Daran ist nichts neu, nichts alternativ und noch nicht einmal irgendetwas national, denn derselbe muffige Nationalwahn hat längst weltweit die Hirne erweicht.

  • Wenn Hartz IV Empfänger und Ich-AGler sich zu einer Partei bekennen, die sich selbst als "modern konservativ" bezeichnet (was ja nicht stimmt, aber davon mal abgesehen), dann sagt das viel über die linken Kräfte im Lande aus.

     

    Solange SPD und Grüne nicht volldampf Richtung Umverteilung fahren, wird sich das nicht ändern, fürchte ich. Die Linke geht zwar mit gutem Beispiel voran, aber es gibt ihr gegenüber leider noch zu viele Berührungsängste.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @cotta:

      "...sich selbst als "modern konservativ" bezeichnet..."

       

      Schön wäre's. Eigentlich bezeichnen sie sich als "liberal-konservativ". Das Erste gilt der Wirtschaft/Sozialem, das Zweite der Gesellschaft.

       

      Man muss ja nur die Einleitung in ihrem Programmentwurf lesen:

       

      "Die ständige, vielfach ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben stößt an finanzielle und faktische Grenzen. Sie bedroht inzwischen den Kerngehalt der elementaren Freiheitsrechte der Bürger. Der Staat hat sich verzettelt. Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung.

      ...

      Wir wollen prüfen, inwieweit vorhandene staatliche Einrichtungen durch private oder andere Organisationsformen ersetzt werden können. Die gewaltige demographische Problemlage, die uns in Deutschland bevorsteht, wird uns zu einem veränderten Staatsverständnis zwingen."

    • @cotta:

      Die Hälfte der Linke-Wähler rennt zur AFD.

      Die kann mit ihren Inhalten nichtmal ihre bisherigen halten.

       

      Und Umverteilung klingt schonmal gut - aber ist nicht eben gerade das Problem, dass Linke und Grüne das europaweit und global definieren?

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    „Wir wollen weg vom linksrotgrün verseuchten und versifften Deutschland der Achtundsechziger“

    Schöner hätte es Goebbels auch nicht formulieren können.

  • Ganz Richtig - wir müssen hinschauen:

    "Grund zur Entwarnung also? Leider nein. Die AfD-Spitze ist clever genug, hate speech nicht in ihrem Programm zu fixieren. Sie inszeniert ein kokettes Doppelspiel: bürgerlich und ein bisschen rechtsextrem. Solange dieser Spagat gelingt, wird die AfD Erfolg haben."

     

    Und ihnen ein präzises demokratischen Korsett anpassen! Ab nicht so locker, wie wir den Putin oder Erdogan als lupenreine Demokraten auszeichnen.

    "Selbstüberschätzung" gibt es insbesondere auch bei den etablierten Parteien? https://www.dropbox.com/s/zaes8wxa3zspwiq/Bildschirmfoto%202016-03-24%20um%2007.32.27.png?dl=0

  • Modern und konservativ, das ist ein Widerspruch wie damals bei Goebbels der ja auch "Reichsminister für Auklärung und Propaganda" war.

    Aber es stimmt, die AfD ist konservativ.

    Sie steht für konservative Werte wie:

    Ausländer raus! Raus aus dem Euro! und Wir sind nicht das Weltsozialamt!

    Und natürlich für das Verbot von Glaubensbezeugungen, so lange sie nicht christlich sind. (Ja auch jüdische werden angegriffen. Ich sage nur generelles Verbot von Beschneidungen.)

  • "(...) Gegen Seuchen sind fast alle Mittel Gegen erlaubt sind fast alle Mittel Gegen Seuchen sind Gegen Gegen Seuchen sind fast alle Mittel erlaubt.Seuchen sind fast alle Gegen Seuchen sind fast alle Mittel erlaubt.Mittel erlaubt. Gegen Seuchen sind fast alle Mittel erlaubt.fast alle Mittel erlaubt.erlaubt - erlaubt.

    • @Gion :

      was so natürlich niemand sagte. es hätte niemand verstanden, gar erlaubt.

  • Genau deshalb ist es wichtig und auch not-wendig, nicht zum X-ten Mal über Protestdemo's gegen die AfD zu schreiben, sondern die Reden der AfD-Funktionäre zitierend in Berichten festzuhalten und von ihren programmatischen Zielen zu berichten um sich damit kritisch auseinander zu setzen.

     

    Damit niemand sagen kann, sie hätten nicht gewusst, was sie tun werden bzw. tun wollen.

     

    Übrigens, Gewalt bei Gegendemonstrationen hilft der AfD, man muss sie inhaltlich stellen und ihr Wollen in Frage stellen.

    • @Der Allgäuer:

      Völlig richtig. Das was die AfD als "Sozialpolitik" bezeichnet, wäre ein guter Angriffspunkt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Richtig! ganz einfach fragen wie es mit der Sozialpolitik aussieht und schon werden die in der Versenkung verschwinden.Die AFD ist die Neoliberalste Partei in Deutschland das sollte man den Wähler vermitteln und nicht dieses ein bisschen rechts.

        • @ulf hansen:

          Dann habt ihr immer noch verstanden, WER eigentlich die AfD wählt. Es ist deren Wählern und Parteimitgliedern schlicht egal, wie es den Hartzlern oder sonstigen Gruppen in Deutschland geht. Sozialwärme war auch offiziell noch nie Parteimotto der AfD.

          Die AfD ist meiner Meinung nach ein Sammelbecken für Egomanen aller Couleur. Und diese Egomanen wurden von der Regierung Kohl + Schröder + Merkel extremst gefördert wenn nicht gar erzeugt (Stichwort Leistungsgesellschaft, BWLisierung alle Lebensbereiche, extremst gestiegener Leistungsdruck in Schulen und Unternehmen, etc.) und nicht zuletzt extremer Frust gegenüber Politik und Medien. Anschließend hat man diese Leute dann alleine gelassen und wenn sich alleine gelassene Leute radikalisieren, brauch man sich eigentlich nicht zu wundern.

          Das soll übrigens nicht Deppenvereine wie AfD oder FPÖ entschuldigen, aber wundern brauch man sich wirklich nicht

        • @ulf hansen:

          "...ein bisschen rechts..."

           

          ???????

  • "Diese Partei treibt das Ressentiment voran, die Verachtung für das Andere und Gewaltfantasien."

     

    Die Kommentare gegen die AfD in den Medien haben auch immer Schaum vorm Mund. Wer hat denn hier eigentlich Ressentiments.?

     

    Für mich ist die AfD nicht wählbar, weil ich andere Ziele politisch verfolge, aber mich gruselt wie selbstherrlich immer über die AfD gesprochen wird, und wie sich das mit journalistischer Sorgfalt verträgt. Ressentiments haben immer die anderen... Das schlechte AfD Bashing macht diese Partei nur stärker.

    • @Ansgar Reb:

      Wie wäre es denn vielleicht mal mit wenigstens einem einzigen Beispiel, statt wüster Behauptungen mit "Schaum vorm Mund/in den Tasten".

       

      Ansonsten haben Sie die AfD-Propganda in ihrer latenten Opferrolle voll internalisiert.

       

      Petry Heil zu einem solchen intellektuellen Bravourstück.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      "Die Kommentare gegen die AfD in den Medien haben auch immer Schaum vorm Mund."

       

      Schon mal die faz gelesen?

    • @Ansgar Reb:

      Sie sprechen da einen interessanten Punkt an: die Gegenseite der AfD tut immer so, als hätte sie keine Ressentiments. Hat sie aber wohl, nur mit dem Unterschied, dass ihre Ressentiments gesellschaftsfähig sind und deswegen als solche nicht auffallen.

      • @Jan:

        Who the Hell ist denn "die Gegenseite der AfD"?