Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga: Werders Wonderwall
Fans wecken mit einer Unterstützungsaktion den Kampfgeist der Bremer Profis. Prompt gewinnt Werder gegen schwache Wolfsburger mit 3:2.
Als am Samstag zuvor das 1:2 gegen den Tabellennachbarn FC Augsburg besiegelt war, breitete sich eine Schockstarre über Stadion und Stadt aus, die sogar von Werder-untypischen Pfiffen begleitet wurde. Abstieg – dieses böse Wort nahm plötzlich ganz reale Züge an. Aber wie 2013 in ähnlicher Situation legte wieder eine kleine Fanzelle den Keim für einen radikalen Umschwung.
Damals hatte ein Häuflein Auswärtsfans das Team in Leverkusen trotz Niederlage noch lange gefeiert und eine Massensolidarisierung unter dem Motto „Allez Grün“ angestoßen. Diesmal erinnerte sich eine andere Gruppe an ein Spiel bei West Ham United im vergangenen Sommer, als es die 150 mitgereisten Fans mit dem Dauervortrag des Oasis-Klassiker „Wonderwall“ sogar in die britische Presse schaffte.
„Werder braucht im Abstiegskampf ein Wunder von der Weser und ein Weserstadion, das wie eine Wand hinter Werder steht“, sagte sich der Twitter-Fanclub WFC #TWerder und macht seitdem mit dem Hashtag #greenwhitewonderwall Furore.
Die digitale Wand wurde am Samstagnachmittag dann erst auf den Bremer Osterdeich verlängert, wo Tausende Fans schon die Ankunft des Mannschaftsbusses vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg feierten. Später zeigte sich das ganze Stadion über 90 Minuten in Hochform – der eine oder andere fühlte sich gar an die Anfield Road in Liverpool erinnert.
Guter Zusammenhalt
„Wahnsinn“, nannte Werder-Trainer Viktor Skripnik, um dessen Weiterbeschäftigung in der letzten Woche nicht nur viel spekuliert, sondern auch hinter den Kulissen gerungen wurde, die Unterstützung der Fans. Dass sie ihm auch persönlich galt, wurde an dem Transparent „Presse, auf die Fresse“ deutlich – hatte der mitunter dünnhäutige Skripnik die Presse doch als 18. Gegner ausgemacht und die gesamte Mannschaft auf Weisung von oben unter der Woche die Pressearbeit eingestellt.
Als Coach war Skripnik diesmal klug genug, die Impulse von der Tribüne nicht mit taktischem Klein-Klein abzuwürgen, sondern einfach die besten Spieler aufzustellen und sie mutig nach vorn agieren zu lassen. Wie aufgedreht wirbelte das Mittelfeld um Clemens Fritz, Zlatko Junuzovic und Fin Bartels die Wolfsburger Abwehr durcheinander, und wenn allein Bartels seine drei hochprozentigen Chancen genutzt hätte, wäre das Spiel früh entschieden gewesen.
So benötigten die Bremer für die Führung ein Elfmetertor von Claudio Pizarro (32.) – sein 102. Treffer für Werder, mit dem er nun alleiniger Rekordtorschütze ist. Aber auch die Tore von Bartels (65.) und Wintereinkauf Sambou Yatabare (83.) in der zweiten Halbzeit reichten nicht für einen zitterfreien Nachmittag, da die Wolfsburger zweimal ungehindert durch Josuha Guilavogui (36.) und Bart Dost (87.) zum Kopfball kamen.
Das Offensivspektakel der Bremer wurde allerdings durch einen durchgehend lustlosen und zweikampffreien Auftritt der Wolfsburger ermöglicht, für den die Strapazen des Madrid-Ausflugs unter der Woche als Erklärung nicht ausreichen. Der einzige Wolfsburger mit engagiertem Auftritt war Sportchef Klaus Allofs, der sich an seiner alten Wirkungsstätte so mit dem vierten Offiziellen anlegte, dass er auf die Tribüne verbannt wurde. Sein Team befindet sich nun endgültig im Niemandsland der Tabelle, nahezu ohne Chance auf einen europäischen Wettbewerb.
Die Bremer sollten sich nicht blenden lassen, so viele Räume wie gegen Wolfsburg werden sie in den verbleibenden vier Spielen nicht mehr bekommen. Die führen sie ausnahmslos gegen Gegner aus der Abstiegszone, zu der nach den Ergebnissen vom Wochenende wieder bis zu acht Mannschaften zählen. Bremens größtes Plus ist dabei auch in diesem Jahr der Zusammenhalt. „Dieses Spiel hier zeigt, dass Kontinuität und Zusammenstehen in solchen Situationen hilft“, lobte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking die Bremer Wand. Schade nur, dass einige zur Stabilisierung offensichtlich die Presse als Feindbild brauchen.
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