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Kommentar massentaugliches Model 3Viel Tamtam um Tesla

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Achtung vor dem Hype um das neue Mittelklassemodell der Kalifornier. Wer weiß, ob es die Firma in zwei Jahren noch gibt.

Das isser. Aber ob er gut genug ist? Foto: ap

V on null auf hundert in sechs Sekunden. Egal ob die Kiste mit Atom- oder mit Kohlestrom befeuert wird. 31.000 Euro kostet das E-Feeling aus Kalifornien – dabei kann man das Auto in Deutschland mangels Elektrosäulen gar nicht ausfahren. 350 Kilometer weit reicht die Batterie des neuen Tesla Model 3 höchstens – auch das nur unter Laborbedingungen.

Leute, haltet die Luft an: Angeblich 115.000 Vorbestellungen binnen 24 Stunden, angeblich Schlangen und Übernachtungen vor den Filialen auch in Deutschland. Von E-Freaks, die den Tesla für 1.000 Dollar vorbuchen wollen – ohne ihn gesehen, geschweige denn gefahren zu haben. In Europa wird er frühestens 2018 ausgeliefert.

Ist das Wahnsinn? Ist Tesla das neue Apple? Ja. Und nein. Ja klar brauchen wir E-Pioniere und den Paradigmenwechsel von Stinker- und Staumobilität zu neuen Antriebs-, Sharing- und Nahverkehrsmodellen. Und klar ist es gut, wenn Leute wie Tesla-Chef Elon Musk den deutschen Schnarchkonzernen mit Autos wie dem Model 3 den Hintern versohlen. Trotzdem: Noch nicht zugreifen. Die Uraltweisheit von Public Enemy stimmt meistens: Don’t believe the hype.

Das Model 3 ist ja keineswegs „der letzte Schritt eines Masterplans: ein erschwingliches Auto für den Massenmarkt“, so die Musk’sche Prophezeiung. Wer es genauer checkt – siehe oben – bekommt bestenfalls ein angesagtes, aber relativ teures Auto. Konkurrenten wie der Opel Ampera/Chevrolet Bolt von General Motors sollen bei ähnlichen Preisen weiter fahren können.

Tesla fährt Miese ein

Vielleicht klingt das etwas biedermeierlich, aber bei der Fortbewegung, zum Beispiel mit Familie, darf’s ja ruhig auch solide sein. Gibt es Tesla in zwei Jahren überhaupt noch? Musks ganzes PR-Tamtam ist doch vor allem nötig, um die Investoren bei der Stange zu halten: Allein im 4. Quartal 2015 fuhr die Firma 320 Millionen Dollar Miese ein. Das Model S verkauft sich nicht mehr so gut, Model X floppt ziemlich.

Und selbst wenn die Bundesregierung 5.000 Euro drauflegt – das wird derzeit diskutiert: Die Fossilkonkurrenz schafft es in einem Rutsch durch zur ein paar Autostunden entfernten Verwandtschaft.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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8 Kommentare

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  • Aber ja, lieber Herr Schöneberg: Es gibt Menschen z.B. wie mich, die schon vor 20 Jahren ihr erstes Elektroauto (war ein CityEL) auf einer Messe bestellt haben, ohne auch nur einen Meter damit gefahren zu haben, weil sie dem engagierten Pionier auf dem Messestand vertrauten und auch viele Jahre damit gut zur Arbeit und anderswo hin fahren konnten. Da wir auf dem flachen Land nicht auf so ein tolles ÖPNV-Angebot wie etwa in Berlin zugreifen können, haben wir schlicht gar keine Wahl und ich frage mich jedes Mal, wenn ich in Berlin bin, warum dort soviel Automobile mit Berliner Kennzeichen rumfahren und Parkplätze suchen müssen?

    Damals wie heute wollte ich aus Umweltschutzgründen auf gar keinen Fall weiter Erdöl verbrennen, um meine notwendigen Individualfahrten zu leisten. Vor drei Jahren habe ich mir dann wieder ein Elektroauto (Renault ZOE), ohne es zu sehen oder Probe zu fahren, bestellt, weil ich dringend ein neues Auto brauchte und bin nach über 60.000 km weiterhin voll begeistert. GEHT DOCH!

    Elon Musk hat spätestens mit seinem ersten Elektroauto, dem Roadster, der Welt und auch AutoexpertInnen gezeigt, was geht und diesen Weg bis heute konsequent weiter verfolgt.

    Also wo liegt das Problem? Ich wünsche mir auch noch mehr Lademöglichkeiten und vor allem diskriminierungsfreien Zugang für größere Strecken. Aber auch da hat TESLA das Problem voll erkannt und gleich weltweit seinen Kunden SuperCharger plaziert und schon heute eine beispiellose Dichte erreicht, so dass die Aussage im Artikel auf TESLA bezogen einfach nicht stimmt und ich genug TESLA-Fahrer kenne, die jetzt schon kreuz und quer durchs Land fahren mit kurzen und kostenlosen Ladestopps nach 200 - 300 km, um mal eine Kaffeepause einzulegen.

    Wenn ich nicht schon jetzt meine begeisternde ZOE hätte, wären auch von mir die 1000 € schon längst bei TESLA auf dem Konto!

  • Ein paar relativierende Facts zum von Ihnen so genannten TamTam:

    - In Norwegen, wo die Entfernungen bekanntlich etwas größer sind und Bevölkerungsdichte wesentlich geringer, sind etwa 30% der neuzugelassenen Autos Elektrofahrzeuge

    - Allein in Deutschland gibt die Autoindustriejedes Jahr etwa 2,5 MilliardenEuto für Werbung aus

    - Da scheint im Vergleich das TamTam doch recht effektiv zu sein: eine Viertelmillion Vorbestellungen wo jedEr 1000 Euro oder Dollar einzahlen muss - ist doch sensationell.

    - Von diesen ist doch anzunehmen dass ein Großteil eine ernsthafte Kaufabsicht hat - OBWOHL das Auto erst in ca 2 Jahren tatsächlich geliefert werden wird

    - erscheint mir als ein "tipping point" - wenn TESLA es tatsächlich schafft, 500.000 Fahrzeuge oder mehr pro Jahr zu bauen, gehen die weg wie die warmen Semmeln, und außer Aficionados möchte fast niemand mehr das veraltete Verbrennungs-KfZ haben...

    - ich vermute, bei TESLA knallen die Sektkorken, und bei allen andern läuten die Alarmglocken - und wenn nicht, dann haben sie wie seinerzeit Kodak oder Nokia schon verloren

  • Tesla könnte die schläfrigen Altautokonzerne killen. Ja, da halte ich für möglich, so wie Samsung oder damals Sony quasi Philipps, Gundig, Schaub Lorenz in der Unerhaltungsindustrie oder auch Apple die Nokias bei Handys gekillt hat.

     

    Unsere Industrie winkt zwar ab, da beste Reputation von Daimler und Co. Wenn doch, gehen hier die Lichter aus.

    Auto und Strom schüttet lieber Mrd € an die Aktionäre aus anstatt hier mit flächendeckenden Stationen und Kombination mit fluktuierender Energie der Windräder einen gesamtgesellschaftlichen strategischen Energiewendeansatz wählt.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Jeder Satz in dem Artikel ist korrekt.

  • Dieser Artikel hätte genauso gut von einer Motorzeitung im Namen der Industrie geschrieben sein können. Doch immer mehr klingt es nach Pfeifen im Walde. Was ist so schlimm an einem Hype? Worin unterscheiden sich deutsche und amerikanische Unternehmen? Die deutschen ziehen zu früh zurück. Ob Telekom oder andere, Jahrelang fährt man Verluste ein. Just wenn die Firma verkauft wird, dreht sich das Ergebnis ins Plus.

     

    Elon Musk ist kein Hasardeur. Seine Verluste bestehen aus den Investitionen in die Giga-Factory. Er liegt durchaus im Zeitplan. An Hand der Stückzahlen hält Tesla Deutschland für unbedeutend. Die Musik spielt hier: http://www.bydeurope.com/vehicles/e6/index.php

    Da gilt es gegen zu halten. Wie war das mit PISA? Finnland, OK doch Japan, Korea und China liegen vorne. Es gibt 25 Chinesen pro Deutschen. Das heißt mehr besser ausgebildete Ingenieure produzieren für Staatsbetriebe, denen es eher um die Elektro-Strategie der Partei geht, als um schnelle Gewinne. Schauen wir in die Vergangenheit. Es sind zwar nur wenige Jahre, doch Welten in der Entwicklung: http://www.derwesten.de/staedte/luenen/um-die-welt-mit-erfindungsgeist-id6993984.html

    Die Eliten bei uns haben die Schuss immer noch nicht gehört. Bei BMW scheint dem Vorstand etwas zu dämmern. Nach Renault und Nissan und Mazda bietet man auch Elektrisches. Nur VW wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Jetzt tritt man die Vollbremse, um nicht gänzlich abgehängt zu werden.

     

    Wer sagt:"Trotzdem: Noch nicht zugreifen", denkt national. Es geht um die Existenz der Wolfsburger. Tesla wird das Rennen machen. Top, die Wette gilt.

  • Wieder so ein Clickbait-Artikel auf TAZ.de.

  • "Vielleicht klingt das etwas biedermeierlich..." - nicht vielleicht. Ganz gewiss, lieber Herr Schöneberg. Und nicht nur biedermeierlich, sondern auch ignorant, angesichts von Dieselgate und Klimawandel. Und dass das Model S sich nicht mehr so gut verkauft ist völlig aus der Luft gegriffen. Tesla Model S ist ist das meistverkaufte Luxus-Sedan in den USA - vor Mercedes Benz, Audi und BMW (Fortune Magazine), und die Verkäufe haben im 4. Quartal 2015 ein Wachstum von 67 % verzeichnen können.