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Kommentar Sichere HerkunftsländerAngelas Werk und Winfrieds Beitrag

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Aus Staatsraison wird Winfried Kretschmann wohl dem Asylpaket im Bundesrat zustimmen. Er sollte sich nicht zu billig verkaufen.

Sein CDU-Herausforderer in Baden-Württemberg nennt Winfried Kretschmann schon einen „Merkel-Versteher“ Foto: reuters

E s gibt derzeit einen unappetitlichen Wettlauf der Parteien: Wer tut mehr dafür, dass mehr Abschiebungen möglich sind? Die Grünen in den Länderregierungen, speziell der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Wahlkampf, können sich dieser Diskussion nicht entziehen. Und wollen das auch gar nicht. Denn die Länder sind darauf angewiesen, dass die Flüchtlingszahlen sinken.

Das Konzept der sicheren Herkunftsländer, dem der baden-württembergische Ministerpräsident jetzt in der Länderkammer zustimmen soll, wird dazu aber wenig beitragen. Es ist ein zweifelhaftes Konstrukt, weil es sehr pauschale Maßstäbe an das individuelle Recht auf Asyl anlegt.

Aber zugleich wird dieses Konstrukt völlig überschätzt – von seinen Gegnern wie seinen Befürwortern. Selbst wenn Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, bleibt doch das Recht auf eine individuelle Prüfung der Asylgründe bestehen. Außerdem werden schon jetzt in Ländern wie Baden-Württemberg Nordafrikaner mit erfahrungsgemäß geringen Bleibechancen in ein beschleunigtes Verfahren geschickt.

Mit oder ohne „Asylpaket II“ werden die meisten Flüchtlinge aus diesen Ländern am Ende wohl trotzdem hier bleiben. Schon deswegen, weil Marokko und Algerien bei Abschiebungen in ihre Länder nicht sehr kooperativ sind.

Genug Gründe für einen Grünen-Politiker, das neue Asylpaket als reine Symbolpolitik abzulehnen. Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und Tarek Al-Wazir in Hessen werden wohl trotzdem zustimmen. Der grüne Ministerpräsident vor allem deshalb, weil er glaubt, dass die Flüchtlingskrise nach größtmöglicher Übereinstimmung zwischen den demokratischen Parteien verlangt.

Das Konstrukt der Sicheren Herkunfsstaaten wird völlig überschätzt – von seinen Gegnern wie seinen Befürwortern

Kretschmann scheint immer noch überzeugt, dass Merkel die Einzige ist, die eine europäische Lösung durchsetzen könnte. Von seinem CDU-Wahlherausforderer Guido Wolf wird der Grüne schon als „Merkel-Versteher“ stigmatisiert.

Selbst wenn Kretschmann mit seiner Haltung gegenüber Merkel richtig liegt, darf er sich seine Zustimmung nicht zu billig abkaufen lassen. Seine Parteikollegin Claudia Roth hat eine Altfallregelung ins Gespräch gebracht. Ein Bleiberecht für jene Asylbewerber, die schon jahrelang im Verfahren feststecken und längst hier heimisch geworden sind. Es wäre eine Gelegenheit für die Konsens-Grünen aus den Ländern, etwas Konkretes für diese Flüchtlinge zu erreichen.

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Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
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7 Kommentare

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  • Winfried Kretschmann tut sich und Merkel und dem Land sowieso keinen Gefallen, sollte er zustimmen. Denn das Paket löst keine Probleme. Der einzige Nutzen bestünde darin, den Wutbürgern zu gefallen. Die Mehrheit fordert schärfere Gesetze.

     

    Doch damit stärkt er den Vollhorst, gibt jenen Recht, die eine Koalition von Union und AfD fordern. Obwohl die Kanzlerin das Paket einbringt, schwächt es ihre Position. Für Grüne Mitglieder und noch mehr für potentielle ist die Verschärfung der Asylgesetze nur schwer zu vermitteln. Umfaller gibt es schon genug. Statt endlich die Fälle zu entscheiden, geht es weiter nur um die Rahmengesetzgebung.

  • Es geht bei der Einordnung Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsstaaten nicht nur um Abschiebungen:

     

    "So müssen Personen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens oder ihrer Abschiebung in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, d.h. wenn nötig auch über sechs Monate hinaus. Falls ihr Antrag auf Asyl nach dem 31.08.2015 abgelehnt wurde, erhalten sie ein unbefristetes Arbeitsverbot (§ 60a Abs. 6 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz)."

    (http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/asylpaket_i_asylrechtliche_aenderungen_seit_dem_23102015_in_kraft/)

  • 3G
    31955 (Profil gelöscht)

    Hallo Arne: Vielleicht, weil sonst die "Flüchtlingszahlen" politisch Entwurzelter weiter und weiter steigen könnte?

     

    Politik ist nicht nur die "Kunst" die politische Macht wie einen Zunami zu ergreifen, sondern auch ein "Kuhhandel" um an den "Futtertrögen" zu bleiben.

     

    Kretschmann wird zustimmen, sich von der Kanzlerin in tödlicher Umarmung umwerben lassen, auch wenn die künstlich Rot grün anläuft.

     

    Wie sagt Herr Plasberg immer so treffen: Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft" ... wird es interessant.

     

    Oder der witzigen Headline folgend:

     

    "Gottes Werk und Teufels Beitrag" ist ein tolles Buch. Alles verstanden?

  • Warum sind die Länder darauf „angewiesen“, dass die Flüchtlingszahlen sinken?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Weil Berlin sonst das Tempelhofer Feld mit Flüchtlingsunterkünften zubauen wird.

    • @Arne Babenhauserheide:

      Ihnen ist klar was gerade so in den einzelnen Gemeinden inDeutschland in Bezug auf Flüchtlinge passiert? Den Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals mit der Beschaffung von Unterkünften für Flüchtlingen! Was ist Ihr Vorschlag zur Lösung der Unterkunftsfrage für eine weiter ansteigende Anzahl von Flüchtlingen?

  • Eine sehr klare Analyse, vielen Dank.

     

    Auch die nüchterne Feststellung, ich zitiere "Mit oder ohne „Asylpaket II“ werden die meisten Flüchtlinge aus diesen Ländern am Ende wohl trotzdem hier bleiben" wird genauso von vielen Menschen gemacht werden. Wir sollten daher nicht überrascht sein über die Ergebnisse der Landtagswahlen im Frühjahr. Für Baden-Württemberg wäre ich nicht überrascht, wenn die AfD die SPD überholen würde.