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Kommentar Umgang mit FlüchtlingenAktion Mistgabel

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Der Landrat, der Flüchtlinge von Bayern nach Berlin karrt, hat jetzt den eigenen Mist vor der Tür. Seine Aktion ist ein neuer Debattentiefpunkt.

So ein Bullshit: Peter Dreier karrte Menschen vors Kanzleramt, als ob sie Mist wären. Foto: dpa

W ütende Landwirte protestieren gerne rustikal: Auf Treckern mit schmutzstarrenden Reifen fahren sie vor ins Zentrum der politischen Macht. Und kippen Kuhmist oder überschüssige Milch vors Kanzleramt. Auf dass die Herren und Damen in Berlin sehen und riechen können, wie groß der Unmut an der Basis ist.

Die bewährte Bauernmethode hat nun auch der Landrat Peter Dreier aus dem niederbayerischen Landshut angewandt. Und damit einen neuen Tiefpunkt in der Flüchtlingsdebatte markiert. Der Politiker der Freien Wähler Bayern wollte nach eigenen Angaben „ein Zeichen setzen, dass es so wie bisher in der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen kann und darf“.

Also charterte er einen Reisebus, setzte 31 syrische Flüchtlinge hinein und ließ sie am Donnerstag zum Kanzleramt fahren. Die Botschaft: „Schau her, Merkel, da hast‘ Deine Flüchtlinge.“ Selber fuhr Dreier im Auto hinterher. Schließlich sitzt der Landwirt ja auch vorn – und nicht hinten im Hänger beim Kuhmist.

Mal abgesehen von der hässlichen Symbolik, die Menschen mit Unrat gleichsetzt, hat der Landrat aus Niederbayern mit seiner Aktion auch menschlich eine rote Linie überschritten. Denn offenbar hat er die Männer, die bereits als Asylbewerber anerkannt waren, mit falschen Versprechungen zu der Reise überredet: In Berlin seien die Unterbringungsmöglichkeiten besser, sie hätten dort Aussicht auf eine Wohnung.

„Entsolidarisierung“

Dabei dürfte es niemand besser wissen als der Landrat, dass die Situation in der notorisch überforderten Hauptstadt ungleich schlechter ist als in seinem 151.000-Einwohner-Kreis, der sich rühmt, „wirtschaftliches Kraftzentrum“ der Region zu sein.

Acht Stunden saßen die Syrer im Bus, angeblich wurde einer zwischendrin an einer Tankstelle vergessen. Erst im Lauf der Reise dürfte ihnen aufgegangen sein, dass sie für eine politische Inszenierung missbraucht werden.

In Berlin ging es dann weiter: Berlins Regierender Bürgermeister sprach von einer „Entsolidarisierung“ – und nahm keinen der Flüchtlinge auf, worauf Dreier eigentlich spekuliert hatte. Jetzt sitzen die Flüchtlinge wieder im Bus. Zurück nach Oberbayern.

Die Aktion Mistgabel ist also in doppelter Hinsicht gescheitert: Da Merkel am Donnerstag nicht einmal anwesend war, lief die beabsichtigte Demonstration von politischer Stärke ins Leere. Auch die mediale Aufregung dürfte sich angesichts drängender tagespolitischer Probleme schnell wieder verflüchtigen. Übrig geblieben ist nur erbärmlicher Zynismus.

Den Mist hat Dreier jetzt im eigenen Haus. In Landshut herrscht unter den Flüchtlingen jetzt vermutlich eine Stimmung, vor der Landrat Dreier noch am Donnerstag per Presseerklärung gewarnt hatte: „dass immer mehr Menschen das Vertrauen in ihren Staat und die Handlungsfähigkeit seiner Organe verloren haben“.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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9 Kommentare

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  • Für Personen mit Hass geht es leider immer noch tiefer.

    Meine Verachtung für diesen wohlstandschauvinistischen Landrat.

  • 3G
    31955 (Profil gelöscht)

    Ist dieser politische Akteur nun ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung?

     

    Ein Freier Wähler aus Bayern motzt gegen eine ehemalige FDJ-SecretährIn.

     

    Was für ein Possenspiel.

     

    Wie sagte schon der gute Goethe:

     

    "Es irrt der Mensch solang er strebt. "

     

    Also, StreberInnen aller Länder - einigt euch.

     

    Bis zum nächsten Mal und Marx oh Murks gut.

  • "Lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit non novit."

    Denn der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch. Das gilt zum mindesten solange, als man sich nicht kennt. (Titus Maccius Plautus)

  • Ein wichtiges Detail fehlt liebe TAZ und Frau Apin, und und daher letztlich kein Aufreger, den Sie ja selbst vermeiden wollten.

    Kam gestern als Radiobericht im DLF und kann bestimmt in deren Mediathek nachgehört werden.

     

    Der Landrat hatte das den Geflüchteten alles vorher so gesagt (PR Aktion, Versprechen aus Berlin für UNterstützung bei der Kanzlerin überpürfen.

    Auch Merkel wurde in Landshut gesagt, dass wenn keine Hilfe aus Berlin kommt sie mal einen Bus aus LA sehen wird.

    Alles Geflüchteten waren Freiwillige und sie wussten, dass der Bus wohl zurückfährt.

    • @Tom Farmer:

      Das stimmt so nicht.

       

      "Nach zwei Stunden im Bus haben wir verstanden: Wir sind nur Teil eines Spiels", sagte der 29-Jährige [Ahmad Wahbe, syrischer Flüchtling aus Damaskus]. "Wir hatten keine Ahnung." Im Bus muss sich Unmut breitgemacht haben: "Wir sind wütend, dass wir benutzt wurden", sagte Wahbe. "Wir wollen ein normales Leben und nicht Teil eines Spiels sein."

       

      Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/landshut-landrat-peter-dreier-fluechtlinge-angela-merkel

       

      Da hat der (bayerische?) Landfunk wohl ein bisschen zu tief in Dreiers Güllefass geschaut - oder sich dort einen Bären aufbinden lassen.

      • @cursed with a brain:

        Erläuterung: DLF steht für Deutschlandfunk. Also öffentlich rechtlich.

        Mein Kommentar verstand sich als erweiterte Information.

         

        Klar aber auch: Ich habe mittlerweile das Gefühl in einem Informationskrieg gelandet zu sein.

        Das erste Opfer ist die Wahrheit. So weit so traurig.

        • @Tom Farmer:

          Gibt halt immer zwei Perspektiven bei solchen Sachen. Der eine sagt was und beim anderen kommt was an (Stichwort: stille Post). DLF hat dann vermutlich das was der Landrat erzählt hat, so ungefragt übernommen. Journalisten sollten eigentlich Fakten kontrollieren.

    • @Tom Farmer:

      Na toll, das ist die Freiheit, die einem Strafgefangenen geblieben, ob er sich entscheidet sein Gefängnisfrühstück einzunehmen oder es bleiben zu lassen.

      "Alles Geflüchteten waren Freiwillige und sie wussten, dass der Bus wohl zurückfährt."

      Sie sehen darin eine gewisse Rechtfertigung der Aktion eines übergeschnappten Landrates. Jedenfalls liest sich Ihr Kommentar so. Tatsächlich fügt dieses Detail dem ganzen Unternehmen einen gehörigen Schuss Zynismus ein, der Ihnen entgangenen zu sein scheint. Nicht so der Autorin. Ich kann Frau Apin nur gratulieren zu diesem Kommentar, der sich sprachlich und inhaltlich wohltuend vom Jargon der linksalternativ-grünen-taz-Hauspostille abhebt.

    • @Tom Farmer:

      Uups! - & Na Servus!

       

      Was will der Leser denn jetzt damit sagen?!

      Daß es immer wieder - & so auch hier - Dumpfbacken der untersten Kajüte gelingt - Menschen, zumal mit den Gepflogenheiten jedenfalls außerhalb Bayerns nicht vertrauten -

      Derart perfide zu manipulieren -

      Ist hinlänglich bekannt.

      Bemerkenswert - wie Sie - öh so

      Gediegen-Altfränkisch & gern darauf

      Hingewiesen haben.

      Hätte sonst was gefehlt - indeed.