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Umweltkatastrophe in den USADie Ölpest der Lüfte

Aus einem unterirdischen Speicher in Kalifornien entweicht seit Monaten Erdgas. Die Katastrophe ist nicht zu stoppen.

Vergebliche Versuche, das Erdgasleck zu schließen. Foto: ap

Berlin taz | Es ist eine unsichtbare Katastrophe: Erst die Umweltorganisation Environmental Defense Fund machte kürzlich deutlich, was sich auf einem Hügel keine 30 Kilometer von Hollywood im US-Bundesstaat Kalifornien abspielt. Infrarotaufnahmen zeigen, für den Menschen sonst unsichtbar, eine Rauchsäule wie aus einem Vulkanschlot, die über einem Hügel unweit von Los Angeles aufsteigt.

Das Unternehmen Southern California Gas Co. speichert hier unterirdisch 2,4 Milliarden Kubikmeter Erdgas, es ist die zweitgrößte Einrichtung dieser Art in den USA. Am 23. Oktober bekam ein Bohrloch des Reservoirs in 2.500 Metern Tiefe ein Leck. Seitdem liegt der Gestank fauler Eier über dem nahen Ort Porter Ranch, hervorgerufen durch Zusatzstoffe im Erdgas. Nach Berichten sind bisher 1.700 Häuser evakuiert, eine Flugverbotszone ist über dem Gebiet eingerichtet – das Gas könnte sich entzünden. Rund 50 Tonnen Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, treten aus dem Leck aus – stündlich. Die Ursachen des Unfalls sind unbekannt.

Die durch einen Hollywoodfilm bekannte US-amerikanische Umweltaktivistin Erin Brockovich verglich die Katastrophe mit dem Unglück der Ölplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko, nur eben an Land. Sie beschrieb in einem Interview mit einem Fernsehsender die Symptome, nachdem sie sich in der Nähe des Lecks aufgehalten hatte: „Nach einer Stunde überkam uns ein mieses Gefühl. Wir bekamen Kopfschmerzen, einen trockenen Hals und Husten.“

Symptome: Nasenbluten

Über ähnliche Symptome bis hin zu Nasenbluten berichten laut Medienberichten Hunderte Anwohner. Nach Angaben der kalifornischen Behörden sind es die dem Erdgas eigens beigemischten Zusatzstoffe, die derartige Beschwerden auslösen. Menschen können sie auch in geringster Konzentration noch riechen. Sie dienen explizit dazu, Lecks wahrnehmbar zu machen.

Seit Wochen misst Southern California Gas die Konzentration der Stoffe, außerdem Methan und das besonders gesundheitsschädliche Benzol. Sie seien, beschwichtigt die Firma, so gering konzentriert, dass keine Gesundheitsgefahr bestehe.

Nach einer Stunde bekamen wir Kopfschmerzen

Erin Brockovich, Umweltaktivistin

Der Betreiber ist seit Monaten nicht in der Lage, das Leck zu schließen, das sich offenbar am Fuß des rund 2.500 Meter tiefen Bohrlochs befindet. Zunächst versuchte die Firma, Flüssigkeit in das Loch zu pressen, um Gegendruck zu erzeugen, was misslang. Momentan bohren Spezialisten einen zweiten Zugang zu dem natürlichen Felsspeicher. Einen knappen Kilometer tief sind sie derzeit. Frühestens Ende Februar, möglicherweise erst Ende März sollen die Arbeiten fertig sein – so lange wird weiter Gas austreten. Bis dahin könnten 200.000 Tonnen Erdgas entwichen sein.

Weil die Anwohner den Beschwichtigungen von Southern California Gas nicht glauben, bereiten sie eine Sammelklage vor. Hintergrund ist, dass die Probleme mit den Bohrlöchern der Betreiberfirma längst bekannt sind. Einige der Zugänge sind offenbar bereits 80 Jahre alt, das nun Leck geschlagene nach Angaben des Anwalts Robert F. Kennedy Jr. 62 Jahre alt und völlig unzureichend geschützt. „Heute wäre ein solches Bohrloch illegal“, sagte der Jurist, ein Spross der Kennedy-Dynastie.

Es leckt überall

Das Methanleck von Porter Ranch steht exemplarisch für ein weitaus größeres Problem: Umweltschützer vermuten, dass allein in den USA jährlich sieben Millionen Tonnen Methan in die Atmosphäre entweichen, weil Bohrlöcher, Pipelines und Speicher nicht dicht sind. Erst im Sommer hat US-Präsident Barack Obama Vorschläge gegen die Verschwendung vorgelegt, Methan ist ein Klimagas, das bei gleicher Menge rund 25 mal stärker wirkt als CO2. Es trägt rund zehn Prozent zum US-Klimagas-Ausstoß bei.

Laut Environmental Defense Fund ist das Leck in Kalifornien jedoch das weitaus größte bisher. Auf ihrer Webseite zählen die Umweltschützer das ausgetretene Erdgas. Rund elf Millionen Dollar wäre es bisher wert gewesen. Für den Betreiber könnte es deutlich teurer werden, sollten die Klagen Erfolg haben.

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21 Kommentare

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  • "Ölpest" Hust Hust. Wo sind die gasverklebten Möven? Das ist der ganz normale weltweite alltägliche Wahnsinn. In zwei Tagen schon kräht kein Zeitungshahn mehr danach.

  • Ergas gehoert in die erde.

  • Richtiges thema und auch drastisches beispiel. Bedenkt man die relation ist der gasaustritt fast 1 % des gasschwundes aus deutschen biogasanlagen.

    Hier liegt das groessere problem.

  • Es ist doch teilweise schon fast süß, wie naiv und putzig die Firmen an sowas rangehen: Och, das bisschen Gas, das speichern wir einfach in so nem Erdreservoir. Wird schon schiefgehen, toi, toi, toi.

     

    Ebenso verfahren wird mit Atommüll, den Standorten von Atomkraftwerken, Erdölförderlöchern, riesigen Tankern. So nachm Motto: Passt schon, und wenn ma was daneben geht, macht nix, ham ja noch ne zweite Reserveerde in petto.

  • Ist das Absicht? Es kann doch nicht soooo unmöglich sein...

     

    Gebt mir eine Million Dollar und freie Hand und das Loch ist in zwei Wochen zu.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Sowohl die Auswirkungen des Erdgasaustritts, als auch die Überschwemmungen im mittleren Westen und auch die erwarteten historischen Sommertemperaturen am Nordpol sind durchwegs nur Übungsmaterial für die Amis. Sollte wider Erwarten der menschengemachte Klimawandel doch ein wenig stattfinden, dann wissen die Amis schon mal, wie faule Eier riechen, wie man in Missouri Wasser abpumt, und wie sich so schöne Frischluftstürme aus Alaska auswirken. Dann können sie in Ruhe Trump wählen und sagen: 'Donald, wir wissen Bescheid'.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Europa sollte sich an die eigene Nase fassen - und die Chinesen und die Inder und die....

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Immer dieses Ami Bashing... Hierzulande wird Software manipuliert, damit die Abgaswerte grün sind. Ganz abgesehen von den E-Autos. Der Tesla kommt nämlich wie so viele nicht aus Deutschland.

      A propos, die Mehrheit der Amis wird gegen Trump sein, also mal halblang.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Sapasapa:

        Kritik an Amerika nicht erlaubt?

        Am 13.12.2015 in Spiegel-Online: 'Noch während des Gipfels in Paris ließen republikanische Abgeordnete Kopien eines Briefes an den US-Präsidenten verteilen: Man habe "ernsthafte Bedenken", dass eine Übereinkunft in Paris negativen Einfluss auf die US-Wirtschaft und die außenpolitischen Interessen des Landes habe. Auch Donald Trump wetterte, es sei falsch, Unternehmen in den USA mit Auflagen zum Klimaschutz zu belegen und sie so zu "gefährden".

        McConnell wollte nach dem Amtsantritt der Republikaner den Vertrag sofort 'zerfetzen'.

        Ja, so siehts aus.

      • @Sapasapa:

        Glauben Sie etwa, die Amis sind besser? Deren Autos saufen doch heute noch 20 Liter.

  • Methangas wird an Erdölförderanlagen i.dR. abgefackelt. Keine schöne Sache, aber es muss doch technisch möglich sein, dies bis zum Verschluss hier auch zu tun, wenn das Freisetzen eines gegenüber CO2 20-fach Klima-potenteren und giftigen Gases zu verhindern wäre.

    • @lions:

      Es ist vieles technisch moeglich und auch uberhaupt kein problem. Das gas kann zu vielen produkten verarbeitet werden. Es ist nur eine frage, ob sich der aufwand lohnt.

      Hier koennten staaten regulierend eingreifen. Eine petrolfirma wird dies aus wirtschaftlichen Gründen wohl eher nicht tun. Wenn es sich lohnen wuerde waere es laengst verwirklicht.

      • @Demokrat:

        Ob es sich für die Firma lohnt, ist irrelevant. Für BP hat es sich die Ölpest im Golf von Mexico auch nicht gelohnt. Hier müsste der Staat intervenieren.

        Eine Gasfackel würde m.E. die Firma schon mal nicht ruinieren. Eine gewonnene Sammelklage könnte teurer werden.

        • @lions:

          Mit der fackel wird das ja auch bei petrolanlagen gemacht. Nur hier istdas leck irgendwo im erdrech.

  • Ja, ein Ergebis der Forschung und Wissenschaft. Wer kann denn sagen, daß solche Lagerstätten sicher sind? Da gibt es dann Gutachten....und dies ist das Ergebnis. Und nun ? Ach ja, dieses wird dann mit Geld

    " ausgeglichen ". Die zahlen und gut is.

    Ein Wahnsinn!!!

    Hans-Ulrich Grefe

    Hans-Ulrich Grefe

  • So, und wo ist das nun die Ölpest der Lüfte? Bei einer Ölpest werden in der Regel lokale oder regionale Ökosysteme stark in Mitleidenschaft gezogen bzw. zerstört, oder? Ist dies hier auch der Fall? Oder verdünnt sich das Gas in der Atmosphäre und wird schadlos? Bzw. ist dieser Ausstoß und der der anderen Lecks global gesehen - z.B. mit den Furzabgasen von Rindern - nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Die Antworten ergeben sich aus dem Artikel leider nicht.

    • @Sapasapa:

      Dieses technische Problem ist nach menschlichem Ermessen vermeidbar. Ist klar ein Ergebnis von ungenügenden Vorschriften und unabhängigen Kontrollen in den USA!

      Leider leitet unsere ideologisierte, wenig technisch aufgeklärte Gesellschaft in Dtld hieraus vollkommen falsche Schlussfolgerungen für unsere Energiepolitik ab.

      Die austretenden Mengen im Kontext der Reduzierung von weltweiten Klimagasen sind wirklich nur ein belangloser Furz!

  • Wie man sieht, ist das der ideale Speicherort für abgeschiedenes CO_2.