piwik no script img

Der Weg des FluidsFreispruch fürs Fracking

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften sieht durch Fracking aus Schiefergestein weder das Grundwasser bedroht noch das Erdbebenrisiko erhöht.

Angeschmiert: Bundesgeowissenschaftler halten Fracking-Angst für unbegründet. Foto: Nigel Rogis (dpa)

HAMBURG taz | Die umstrittene Förderung von Erdgas und Erdöl aus Schiefergestein ist für das Grundwasser nicht in besonderer Weise gefährlich. Das haben Modellrechnungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ergeben. Auch das Risiko von Erdbeben sei gering, heißt es in der kürzlich veröffentlichten Studie „Schieferöl und Schiefergas in Deutschland“. Die Studie sei eine „ungeeignete Grundlage für eine wissenschaftliche Diskussion über Fracking-Gefahren“, konterte der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) postwendend.

Mit dem Fracking wird Öl und Gas gefördert, das nicht in großen Blasen im Untergrund gespeichert ist, sondern im Gestein festsitzt. Es ist Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene, das seit der ersten Lesung in Bundestag und Bundesrat im Mai 2015 aber nicht weitergekommen ist.

Nach dem Gesetzentwurf der schwarz-roten Bundesregierung sollen für das bereits seit Jahrzehnten in Deutschland praktizierte sogenannte konventionelle Fracking aus Sandstein in Zukunft strenge Auflagen gelten. Das unkonventionelle Fracking von Erdgas aus Schiefergestein soll mit Ausnahme von Projekten zu Forschungszwecken in mindestens 3.000 Metern Tiefe komplett verboten werden. Die rot-grünen Landesregierungen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins lehnen auch diese Ausnahme ab.

Die Forscher der BGR haben mit Modellrechnungen ermittelt, wie sich Frack-Flüssigkeit und Lagerstättenwasser nach einem Frack im Untergrund ausbreiten würden. Die mit Sand und Chemikalien versetzte Frack-Flüssigkeit dient dazu, Risse ins Gestein zu sprengen und offen zu halten, so dass Öl und Gas frei werden. Lagerstättenwasser ist Wasser, das in der gleichen Schicht wie das Erdgas liegt und mit diesem zu Tage gefördert wird. Es ist mit natürlich vorkommenden Schwermetallen, Salzen und Kohlenwasserstoffen belastet. Nach Angaben des Mineralölkonzerns Exxon ist im deutschen Schiefer kein Lagerstättenwasser zu erwarten.

Fossile Potenziale

Größte Potenziale für Schieferöl und Schiefergas hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im norddeutschen Becken identifiziert – in mehr als 1.000 Metern Tiefe.

Die förderbaren Mengen aus Schiefergestein betragen nach Stand der Technik 320 bis 2.030 Milliarden Kubikmeter Erdgas.

Auf konventionellem Wege, einschließlich des bisher schon praktizierten Frackings, ließen sich höchstens 90 bis 110 Milliarden Kubikmeter fördern.

Die BGR differenziert zwischen tief liegendem Grundwasser, das dem Lagerstättenwasser ähnelt und höher liegendem, aus dem wir unser Trinkwasser fördern. Unterm Strich stellt die BGR fest, „dass eine Gefährdung der nutzbaren Grundwasserleiter durch den Aufstieg von Fracking-Fluiden bei den in Norddeutschland anzutreffenden geologischen Gegebenheiten äußerst unwahrscheinlich ist“.

Der höchste Aufstieg bei einem simulierten Frack in 1.700 Metern Tiefe sei bei einem System offener Klüfte oberhalb des Fracks mit 215 Metern errechnet worden. Bei einer Langzeitsimulation über 300 Jahre würde die Flüssigkeit 500 Meter aufsteigen. Die beim Fracking selbst entstehenden Risse reichten maximal 50 Meter in die Höhe und 200 Meter seitwärts. Das ergebe „einen großen vertikalen Sicherheitsabstand zu den nutzbaren Grundwasserleitern“, findet die BGR.

Den Berechnungen zufolge erzeuge ein solches Fracking auch nur minimale Erdstöße, die an der Erdoberfläche nicht wahrnehmbar seien. Das entspreche der Erfahrung in Niedersachsen, wo bisher kein zeitlicher Zusammenhang zwischen Frack und Erdstoß festgestellt worden sei. Allerdings, so räumen die Gutachter ein, sei der Untergrund bei jedem Projekt daraufhin zu untersuchen, ob ein Frack zwar nicht direkt ein Erbeben erzeuge, aber eines auslösen könnte.

Im Vergleich zu anderen bergbaulichen Tätigkeiten sei die durch das Fracking erzeugte Seismizität gering, urteilt auch das Umweltbundesamt in einem Positionspapier 2014. Dort heißt es auch unter Verweis auf Erfahrungen aus den USA, dass das Grundwasser vor allem durch Schäden und Fehler bei den Bohrungen verunreinigt worden sei.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz kritisiert, dass die BGR zwar einräume, dass Fracking in „geologischen Störzonen“ größere Erdbeben auslösen könne. Das spiele aber bei der späteren Urteilsbildung keine Rolle.

Irreführend sei der Hinweis, im Zusammenhang mit den 327 Fracks in den vergangenen Jahrzehnten in Niedersachsen sei keine Grundwasserverunreinigung bekannt geworden. „Tatsächlich hat es nie ein systematisches Monitoring gegeben, so dass auch keine Daten vorliegen“, kritisiert der BBU. Außerdem gebe es kein nationales oder europäisches System, das Fehler beim Bohren verhindere oder Schäden daraus begrenze, während das bei chemotechnischen Anlagen Standard sei. „Für eine Legitimation von Fracking ist die Studie ungeeignet“, findet der BBU.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!