piwik no script img

Ablehnen und abschreiben

Getrickse Am heutigen Mittwoch fegt die SPD den Antrag der CDU zur Bildung von Flüchtlingen vom Tisch, nur um später einen eigenen ähnlichen Antrag vorzulegen

TazText SemiBold 8,6 Punkt groß Bildunterschriftt Foto: Wolfram Kastl/dpa

von Marco Carini

Dass Sabine Boeddinghaus und Karin Prien sich einig sind, kommt selten vor. Normalerweise trennen die Fraktionsvorsitzende der Linken und die bildungspolitische Sprecherin der CDU Welten. Was aber beide gerade vereint, ist der Zorn auf die regierende rot-grüne Koalition. Der Grund: Für die Bürgerschaftsdebatte am heutigen Mittwoch hat die CDU einen umfassenden Antrag zur Beschulung von Flüchtlingskindern vorgelegt, den auch Boeddinghaus als „diskussionswürdig und in Teilen zustimmungsfähig“ bezeichnet. SPD und Grüne aber werden den Antrag nicht in den zuständigen Schulausschuss überweisen, sondern sofort ablehnen – und seine weitere Diskussion damit verhindern. Ein Vorgehen, das die SPD dem Vernehmen nach gegen den zarten Grünen-Widerstand durchsetzte: Demnach wollte der kleine Koalitionär sowohl einen Antrag der Linken wie auch den der CDU an den Ausschuss überweisen.

„Erledigt durch eigenes Handeln“: So begründet SPD-Fraktionssprecher Claas Ricker das Nein zum Weiterreichen des CDU-Papiers. Tatsächlich formulierte die SPD in Abstimmung mit den Grünen einen eigenen Antrag, der Ende November in die Bürgerschaft kommt –und der, so Prien, „teilidentisch mit unserem Vorstoß ist“.

Erst ablehnen, dann abschreiben, das sei bei der SPD üblich, sagt auch Boeddinghaus: „Mit unserem Antrag zur Beschulung von Flüchtlingskindern haben sie es genauso gemacht.“ Eine Folge sei, „dass Konzepte der Opposition nicht mehr beraten werden und wir im Ausschuss Däumchen drehen“, klagt Prien: „Ich ärgere mich maßlos über dieses Verhalten der Regierungsfraktionen.“ Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, hält dagegen: „Wir haben nicht abgeschrieben, sondern nur etwas länger gebraucht und sind so ins Hintertreffen geraten.“

In dem CDU-Antrag, dem die Linke in großen Teilen zustimmen wird, geht es darum, dass Kinder in Flüchtlings-Erstaufnahmen schneller beschult werden, und das in kleineren Gruppen. Um das zu gewährleisten, soll der auf Spracherwerb ausgerichtete Unterricht nicht in den Erstaufnahmelagern selbst stattfinden, sondern in nahen Schulgebäuden. Dieser Forderung schließen sich SPD und Grüne nun an. Ebenso übernimmt der Antrag der Regierungsfraktionen die CDU-Idee, Flüchtlingskinder nicht sofort in Regelklassen zu stecken, sondern ihnen zuerst in Integrationsklassen Deutschkenntnisse zu vermitteln. Auch hier unterscheiden sich die Formulierungen von Schwarz und Rot/Grün kaum.

„Ich ärgere mich maßlos über dieses Verhalten der Regierungsfraktionen.“

Karin Prien, CDU-Abgeordnete

Doch es gibt auch Differenzen, die im Ausschuss nun nicht anhand verschiedener Antragsvorlagen debattiert werden. Anders als die SPD fordert die CDU etwa spezielle KoordinatorInnen für die Integration von Flüchtlingen an den Schulen. Auch will sich nicht alle Flüchtlinge so wohnortnah wie möglich unterrichten lassen, erklärtermaßen um zu verhindern, dass Schulen in der Nähe von Unterkünften über Gebühr belastet werden. „Werte, Normen und demokratische Grundprinzipien im Sinne des Grundgesetzes“ möchte die CDU Flüchtlingskindern von Anfang an nahe gebracht wissen. Dagegen hält die SPD die Vermittlung dessen, was in CDU-Kreisen gern als „Leitkultur“ bezeichnet wird, nicht für vorrangig.

Der Linken fehlt es im christdemokratischen Antrag „an Substanz“, aber auch „an vernünftigen Finanzierungsvorschlägen“: Die CDU „rekuriert ständig auf die Schuldenbremse, fordert dann aber alles und jedes“, sagt Boeddinghaus. So viel Abgrenzung muss sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen