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Debatte Attentat auf Henriette RekerNennt es endlich Terror

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Der Attentäter Frank S. ist kein „Irrer“, er ist ein Rassist. Und genau so muss seine Tat eingeordnet werden. Darin zögerlich zu sein, ist gefährlich.

Es war keine Kurzschlussreaktion: Frank S. soll die Tat vorher geübt haben. Foto: dpa

A ls Arid Uka im März 2011 am Flughafen Frankfurt am Main mit einer Pistole auf eine Gruppe von US-Soldaten zugeht und zwei von ihnen erschießt, ist die Bewertung eindeutig. Die Tat des jungen Mannes, der sich durch Dchihad-Videos radikalisiert hatte, sei ein islamistischer „Terroranschlag“, sagte der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dieser sei „aufs Schärfste“ zu verurteilen.

Wenige Tage ist es her, da attackierte der 44-jährige Frank S. die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker; er rammte ihr ein Messer in den Hals. Auch jetzt ist die politische Bestürzung groß. Nur: Von Terror ist bisher keine Rede.

Dabei überlebte Reker offenbar nur mit Glück. Frank S. soll „mit voller Wucht“ zugestochen haben, das Messer traf die Luftröhre der Politikerin. Diesmal aber ist der Täter ein Neonazi. Ist das der Grund für die verdruckste Bewertung?

Für die anfangs vertretene These, es handle sich um einen „Irren“, spricht jedenfalls nichts. Ein Psychiater attestierte Frank S. volle Schuldfähigkeit. Seine Attacke begründete dieser mit der derzeitigen Flüchtlingspolitik, und er wählte gezielt diejenige, die in seiner Stadt Köln dafür zuständig war: Reker.

In der rechten Szene wird seit langem das Konzept des führerlosen Widerstands verbreitet

ist taz-Inlandsredakteur für Themen der Inneren Sicherheit. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der rechtsextremen Szene. Zuletzt schrieb er am 29. 8. 2015 in der taz ein Essay über die wiedererstarkte „Politik der Gewalt“ innerhalb der Neonazi-Bewegung.

Tatkräftiger Terror gegen Einwanderung

Eine spontane Kurzschlusstat? Auch das nicht. Vor der Attacke soll S. Festplatten seines Computers und Dokumente entsorgt haben, um Spuren zu tilgen. Auch soll er die Tat im Vorfeld geübt haben. Und der Attentäter bewegte sich in den Neunzigern in den Reihen der damals radikalsten Neonazigruppen, der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und Nationalistischen Front. Die horteten Waffen, propagierten „Rassenmischung ist Völkermord“, Mitglieder attackierten Flüchtlingsheime.

Frank S. wusste also, was er tat. Man darf es auch so benennen: Es war eine Terrortat.

In der rechtsextremen Szene wird seit Mitte der 90er Jahre, der FAP-Zeit von S., das Terrorkonzept des „führerlosen Widerstands“ verbreitet. Statt straffer Organisationen brauche es nur kleine Zellen oder Einzeltäter, um den verhassten Staat zu bekämpfen. Schon 1996 beschwor das militante Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ Terror gegen Einwanderung: Es gelte, sich auf „den größten aller Kriege, den Rassenkrieg“, vorzubereiten.

Zwei Jahre später ging der NSU in den Untergrund. Auch er radikalisierte sich in einer Kleingruppe, blieb so jahrelang unerkannt – und tötete zehn Menschen. Daneben gab es die Einzeltäter, die offen zur Tat schritten.

Der Berliner Neonazi Kay Diesner schoss 1997 mit einer Pumpgun einen linken Buchhändler nieder und tötete auf seiner Flucht einen Polizisten. Der rechtsradikale Michael Berger ermordete 2000 in Dortmund drei Beamte mit Kopfschüssen. Die Bereitschaft zu äußerster Gewalt hat die rechtsextreme Szene bis heute nicht abgelegt. Und wieder redet die Szene von einem nahenden „Bürgerkrieg“, vom Kampf gegen „Überfremdung“, von „Notwehr“ fürs „deutsche Volk“.

Digitale Daueranstachelung zum Hass

Die Propaganda verbreitet sich dabei längst nicht mehr nur über Kameradschaften, sondern so, wie es bisher nur Islamisten zugeschrieben wird: per Selbstradikalisierung im Internet. Dort putschen sich Rechtsextremisten derzeit mit Berichten über vermeintliche Migrantengewalt und einreisende Islamisten auf, verbreiten IS-Gräuelbilder und Videos mit Aufrufen wie „Abendland erwache! Die Zeit ist reif!“. Es ist eine Daueranstachelung zum Hass.

Dass mit Frank S. ein Rechtsextremist nun wieder eine Terrortat umsetzte, ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Sprache der Gewalt inzwischen auch über die rechtsextreme Szene hinaus Akzeptanz findet – transportiert über Pegida oder die AfD.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wetterte jüngst auf einer Parteikundgebung in Erfurt, die Politik der „unkontrollierten Masseneinwanderung“ ziele auf eine „Auflösung Deutschlands“. Es gehe jetzt um „die Zukunft unserer Kinder“. Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann nannte Flüchtlinge „Invasoren“. Seine Mitstreiterin Tatjana Festerling befand, „wir befinden uns bereits im Krieg“. Es ist die Sprache der Neonazis. Und Tausende Zuhörer klatschten.

Der Aufruf zum Aufstand, er findet Gehör. Bezeichnenderweise rief der Kölner Attentäter Frank S. laut Augenzeugen bei seiner Tat: „Ich tue es für eure Kinder.“ Der Angriff erinnerte, wenn auch nicht in der schrecklichen Dimension, an den des norwegischen Rechtsextremen Anders Breivik. Auch er wählte 2011 für seinen 77-fachen Massenmord ein politisches Ziel, mit ganz ähnlicher Begründung: die Jugendorganisation der Sozialdemokraten. In seinem Manifest macht er diese verantwortlich für den „Multikulturalismus“, die „Auslöschung der westeuropäischen Rasse“.

Auch das Kölner Attentat auf Henriette Reker wurde in der militanten rechtsextremen Szene entsprechend kommentiert. Die Tat sei „ziviler Ungehorsam“. Man werde von „Kanacken in den grundlegenden Lebensinteressen bedroht“, schrieb einer. „Welchen Grund gibt es da noch, nicht zur Waffe zu greifen?“

Pegida als Brandbeschleuniger

Politiker gehören hier seit Jahren zum festen Feindbild. Die Szene stellt Drohlisten mit missliebigen Parlamentariern ins Internet, ein Neonazi warf jüngst im Namen einer „Deutschen Widerstandsbewegung“ Brandsätze auf den Bundestag oder die CDU-Zentrale. Und auch hier vergrößert Pegida den Hass: Die Politikerschmähung als „Volksverräter“ ist dort Standardparole. Sie erschallte auch nach dem Köln-Attentat ungerührt weiter.

Weite Teile der Politik haben der Eskalation lange zugesehen, von „berechtigen Sorgen“ der Pegida-Teilnehmer und AfD-Anhänger gesprochen, auch mit Rücksicht auf Sorgenträger in der eigenen Wählerschaft. Es ist dieser Geist, der nun das Zögern begründet, von rechtsextremem Terror zu sprechen.

Nur gibt es kein Innehalten der Rassisten, auch nach Köln nicht. Zwei Tage nach dem Attentat wurde in Bernau dem Bürgermeister mit einem Graffito gedroht: „Erst Henriette Reker, dann André Stahl.“ Es führt kein Weg daran vorbei, rechtsextreme Gewalt klar als das zu benennen, was sie ist – und die Bedingungen, die sie befördern. Wie es derzeit aussieht, muss der Terror von Köln nicht die letzte Tat gewesen sein.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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28 Kommentare

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  • An Alle die hier immer wieder Alles relativieren wollen um Ihre eigene Gesinnung rechtSzufertigen:

    Es wird Zeit, dass die verbliebenen Anständigen sich nicht weiterhin von Euch belehren lassen müssen was den den "Rechtsstaat" ausmacht. Denen, denen es nicht nur an Intelligenz sondern auch an Herz mangelt werden wir baldigst mit allen verfügbaren rechtstaatlichen Mitteln entgegentreten müssen um dem "RECHTS-STAAT" in ihren Köpfen Einhalt zu gebieten. Im Gegensatz zur RAF-Hysterie der 60er Jahre mit Rasterfahndungen, Sonderprozessen usw. wird zur Zeit noch ein Softkurs gegen die kleinen und großen Hetzer gefahren. Das muss sich ändern. Den über 500 realen Brandstiftern und potentiellen Mördern und ihren Gesinnungsgenossen muss eine effektive polizeiliche, verfassungsschützende, richterliche Allianz entgegenstehen.

    Im Moment mutet es sich doch sehr seltsam an, dass von den hunderten von Anschlägen so gut wie keiner aufgeklärt wurde. Jämmerlich.

    Und an Alle, die meinen durch Ihr Getöse würde sich irgendetwas an den Flüchtlingsströmen ändern: Vergesst es.

    Es werden immer mehr. Heute Kriegsflüchtlinge, morgen Klimaflüchtlinge, übermorgen wieder Andere. Wenn ihr das verhindern wollt müßt ihr SCHIEßEN ! MORDEN!

    Wir können nur versuchen die Krisen zu bewältigen und an die Solidarität der anderen (feigen) Europäer appellieren. Vielleicht müssen wir sogar Druck auf die Verweigerer ausüben. Europa ist und insbesondere wir als größter Nettozahler sind kein Goldesel aus dem man sich bequem bedient. Wenn es dann an Solidarität in humanitären Situation wie der jetzigen trotzig fehlt, sollten wir überdenken ob wir dieses asoziales Verhalten einzelner europäischer Staaten nicht sanktionieren.

    Nur so wird sich etwas ändern. Leider.

    • @Fred Schäfer:

      Und all diese freiheitsbeschneidenden Maßnahmen, wie Rasterfahndung, Sonderprozessen und Sondergefängnissen, bis hin zur Aussetzung des Bezuchsrechtes von Anwälten in Stammheim. Das war für dich alles legitim, so wie die Vorratsdatenspeicherung heute?

       

      Was gedenkst du denn "mit den immer mehr K&K Flüchtlingen" zu tun?

      Mir für meinen Teil gefällt es ganz und gar nicht, wenn die Leute jetzt schon frieren, weil sie keine Heizung im Zelt hätten und bei Nachts 1-2 Grad überhaupt in selbigen pennen müssen.

       

      Aber schon vor 4 Jahren, ging die Schätzung bis zu 4,5 Millionen fehlender Wohnungen im gesamten Bundesgebiet.

      Und dummerweise, kommen die Flüchtlinge aufgrund des Königssteiner Schlüssels doch auch nicht größtenteils dahin, wo potentiell Wohnraum frei wäre, da freier Wohnraum meist auch wirtschaftsschwach bedeutet.

      Und auf der Wirtschaftskraft beruht die Verteilung nuneinmal mit.

       

      Ergo verstärt sich durch mehr Zuzug noch die Wohnungsnot noch dort, wo es sowieso schon fehlt.

       

      Inwieweit ist das der Würde des Menschen angemessen, wenn wir Menschen hier ins Land holen, denen wir nicht einmal eine Unterkunft für den Winter anbieten können?

      Von den schon hier lebenden Menschen gar nicht erst zu sprechen.

       

      Führt halt endlich und unverzüglich ein neues Vermögenssteuergesetz ein, überführt zurück in staatlichen Besitz die Wohungsbestände die ihr aufgrund des Privatisierungswahns in den letzten 15 Jahren verscherbelt habt und baut, baut, baut.

      Aber NICHT in PPP/ÖVP Projekten sondern schön so wie es laut Bundesrechnungshof ökonomisch ist, in Eigenregie.

       

      Im übrigen, Schießen und Morden will ich niemanden, aber Probleme an der Wurzel lösen.

  • Recht hat Konrad Litschko.

     

    Der Anschlag des Frank S. auf Henriette Reker ist genauso ein Terroranschlag auf eine Politikerin/einen Politiker wie z.B. jene Terroranschläge der RAF in den 1970er, 1980er und z.T. auch noch in den frühen 1990er Jahren.

     

    Und genau so müsste er endlich auch von Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdiensten behandelt werden.

  • terror bitte nur wenn es einen islamistischen hintergrund hat. sonst kommt der hiesige medienkonsument allzu schnell durcheinander und feindbilder verschwimmen.

  • Die berichtete Vorbereitung seiner Tat ("S. soll[...]) ist zunächst einmal ein Indiz für seinen Vorsatz, sonst gar nichts.

     

    Diesen Täter jetzt mit all seinen "Kameraden" in einen Topf zu werfen und unsere ganze Verachtung für nicht nur seine, sondern auch deren Taten an ihm auszulassen, bringt uns nur weiter in die Richtung unseren Rechtsstaat selbst weiter abzuschaffen.

    Denn machte man ihn dann zu einem Sündenbock all dieser Taten und ließe die Einzefallgerechtigkeit außen vor.

    Die Gefahr, das dies geschieht, und auch die Wahrscheinlichkeit, wurde mit dem Einführen der "hate crime legislation" in § 46 STGB sowieso schon geschaffen.

    Denn woraus speißt sich denn die Bewertung der Umstände der Tat in den Kategorien " besonders auch rassischtisch, fremdenfeindlich oder sonstig menschenverachtend" , wenn nicht aus einer Eingruppierung in eine Kategorie der Tat und vorheriger Taten der selben?

     

    Ich habe hierbei ernsthaft Magenschmerzen und muss an eine Form der Kollektivbestrafung denken.

     

    Sehr passend auch dazu die Frage an Maas auf seiner Bürgerpressekonferenz, wieso denn Straftaten an Behinderten nicht extra aufgeführt wären.

    Denn wenn man als Begründung wiederum die Gruppen Menschen genommen hätte, auf welche die Nazis besonders fokussiert waren (wie schon beim GG Art. 3 (3) ), hätten diese dabei sein müssen.

    Maas Begründung nach wurde dies diskutiert aber dann fallengelassen und es solle nur über das "menschenverachtend" Kriterium abgedeckt - vielmehr aufgefangen - werden.

     

    Was unlogisch ist, denn die anderen beiden Merkmale sind ebenso menschenverachtend.

    Man hat hier also sogar unter den Gruppen Menschen und den Taten die man an ihnen begehen kann, noch einmal eine Privilgierung gegen den Gleichheitsgrundsatz.

     

    Man muss also bei all dem Bestürzen und Entsetzen immer extrem wachsam sein, nicht zu weit zu gehen.

     

    Und damit fast jeden Gewalttäter als Terroristen zu "hypen" geht man meiner Meinung nach schon seit längerem zu weit.

    • @Pleb:

      Hier braucht es keine Differenzierung. Gegen Nazis durchgreifen!

  • Die Informationen, die die AntiFa zu Frank S. gesammelt hat, sind sehr eindeutig und lassen keinen Zweifel an seiner Gesinnung zu. Sie decken sich voll mit seinen eigenen Angaben nach der Tat. Es handelt sich um einen politisch motivierten Mordversuch, der das Ziel hatte durch die grausame Tat Angst und Schrecken (Terror) in der Bevölkerung und unter den Flüchtlingen (denen hier, unterwegs und denen, die heute erst losgehen) zu verbreiten. Das Primärziel war vielleicht nicht der Mord an der politischen Gegnerin, sondern das massenmediale Verbreiten des Terrors (vgl. den öffentlichen Mord des brit. Sodaten durch Anhänger des IS). Dann träfe die Einordnung wahrscheinlich zu. Ich könnte mir vorstellen, dass sich "alle" noch schwer tun mit dem Klartext, weil alles ganz klar zu sein scheint und trotzdem lauter Fragezeichen auftauchen, wenn man versucht genauer hinzusehen. Er muss ja nicht gleich V-Mann (wie Roland Sokol!) gewesen sein, aber warum ausgerechnet bei ihm der Datenschutz wirkt und Pressekontakte nicht ausreichen sollen, erhellende Akten zu öffnen, erscheint etwas komisch. Besonders in so bewegten Zeiten mit so vielen Zweiflern allerorten.

  • Ähhmm - was ist eigentlich so wertvoll an der Bezeichnung? Ist ein Terrorist mehr oder weniger Verbrecher als Andere? Geht es am Ende darum, dass islamistischer Terror "gerechterweise" ein teutonisches Gegenstück erhalten soll, damit die Islamisten sagen können: "Haha, Ihr seid ja auch nicht besser!"?? Letzteres wäre absurd.

     

    Was ist eigentlich Terror?

    Für mich ist Terror ein Mittel der politischen Druckausübung: "Tu, was ich will, oder Du bist vielleicht der Nächste!" Er zeichnet sich also vor allem dadurch aus, dass sein Zielobjekt nicht das konkrete Opfer ist sondern alle Anderen, die dem gleichen Feindbild entsprechen. Der Terrorist will nicht primär Gewalt ausüben, sondern Angst verbreiten.

     

    Ich weiß nicht, ob diese Motivation auf Herrn S. zutrifft. Rechter Terror wäre sicher nichts Neues - KKK, SA oder Gestapo waren (auch) Terrororganisationen und die Methoden der rechten Schläger und Brandstifter sowohl in den 90ern alsauch heute gehen in dieselbe Richtung - aber es ist möglicherweise etwas anderes. Denn wenn Rassisten anfangen, gezielt zu töten, dann häufig nicht um Andere zu erschrecken, sondern um das Ziel zu eliminieren, und die Gruppe, der der eigene Hass gilt, damit zu schwächen.

     

    Rekers war ein solches Ziel - eine engagierte Befürworterin der maximalen Aufnahme von Flüchtlingen, auf dem Sprung zu einer größeren politischen Handlungsfähigkeit. Es kann gut sein, dass er einfach nur Schaden anrichten wiollte, indem er sie tötet.

     

    Tatsache ist: Tötungsversuch ist Tötungsversuch, und niederer Beweggrund ist niederer Beweggrund. Macht zusammen versuchten Mord - egal ob "Terrorist" oder nicht. Alles weitere ist Panikmache und damit ein kleiner Sieg für etwaige Terroristen.

  • PEGIDA & Co heizen den bereits seit einiger Zeit wieder deutlich sichtbaren rechten Terrorismus in unserem Land an. Dazu missbrauchen solche Bewegungen wie PEGIDA unsere Grundrechte. Und deshalb wird es Zeit, dass der Staat endlich den Artikels 18 Grundgesetzes aus dem Abstellraum des Verfassungsrechts raus holt und dieser Bande mit aller Härte des Gesetzes eine Ende bereitet.

  • Der Täter ist nicht einfach nur ein Irrer und nicht nur ein Rassist. Er ist ein Rassist, der zur Durchsetzung seiner Ideologie bereit ist zu töten. Üblicherweise nennt man das Terrorist. Da ist dann die Ideologie gar nicht mehr so wichtig -ob er jetzt Rassist, Femminist oder Kommunist wäre - wer für seine Ideologie Menschen umbringt, ist Terrorist und muss als solcher verfolgt werden.

    Von daher ist hier der Fokus auf "Rassist" verharmlosend - auch wenn diese Zuordnung sicherlich nicht verkehrt ist.

  • Alle Mitläufer auf Pegida-Demonstrationen und Alfa/AFD Mitglieder sollten einen entsprechenden Eintrag im Polizeilichen Führungszeugnis bekommen, dass sie VERFASSUNGSFEINDE sind. Solche Menschen dürfen nicht in Schlüsselpositionen unseres Staates arbeiten (Polizei, Verwaltung) oder als Kindergärtner, Erzieher, Betreuer oder Lehrer arbeiten.

    • @tillupp:

      Freiheitsfreunde wie Sie kann jeder Staat gut brauchen, der demokratischen Konsens bequemlichkeitshalber durch Polizeiarbeit ersetzt.

       

      Wie schade, dass Sie seinerzeit nicht an den guten alten bundesrepublikanischen Berufsverboten mitwirken konnten - Sie hätten höchstens Ihr Vorzeichen zu ändern brauchen, die demokratische Grundgesinnung hätte bombig gepasst.

      • @Marzipan:

        Nun, bei Nazis gibt es nur zwei Möglichkeiten: Man bekämpft sie konsequent oder man unterstützt sie. Die Weimarer Republik hat letzteres getan.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Die Machtübernahme der Nazis in der Weimarer Republik wurde begünstigt durch die problematische Verfassung einerseits und andererseits durch eine Bevölkerung, die autoritär sozialisiert und durch Kriegsfolgen und schwerwiegende Umbrüche (sozial, wirtschaftlich, kulturell) überfordert war. Ein tragfähiger demokratischer Konsens konnte sich unter diesen Bedingungen in so kurzer Zeit nicht entwickeln.

           

          Von den genannten Faktoren spielen im Moment vorwiegend Sozialisation und Umbrüche für einen Teil der Bevölkerung - vorwiegend in der Ex-DDR - eine Rolle. Aber die Basis der aktiven Nazis ist schlicht zu schmal, um irgendetwas Nennenswertes zu bewegen.

           

          Im Gegenteil: Soweit es sich um Nazis handelt - was ich so pauschal wie Tillupp nicht sehe (es ist m. E. kontraproduktiv, in ein hysterisches "alles Nazis" zu verfallen) - könnten die sich die größtmögliche systemverändernde Wirkung zuschreiben, wenn der Staat tatsächlich mit Tillupp-Maßnahmen reagiert.

           

          Um ein entsprechendes Beispiel von links zu nennen: Erklärtes Ziel der RAF war es seinerzeit, dem "Schweinesystem" die Maske vom Gesicht zu reißen, indem man es zu verfassungsbrechenden staatlichen Maßnahmen zwingt und damit am Ende eine revolutionäre Situation herbeiführt.

           

          Tillupps Maßnahmen würden auch Rechte, deren Denken und Handeln sich noch im Verfassungsrahmen bewegt, weiter radikalisieren. Und im Unterschied zur RAF-Zeit ist der demokratische Konsens in der Bevölkerung heute brüchiger geworden. Daran ändert man nichts durch staatlichen Druck, sondern nur durch eine verbesserte Einbindung.

  • Der Mann sagt laut Tagesspiegel bei seiner Tat:

     

    "Ich rette den Messias. Ich will die Gesellschaft vor solchen Leuten schützen."

     

    Also immer wenn ich in Berichten das Wort "Messias" in Verbindung mit einer Gewalttat hör, muss ich unwillkürlich an Irre denken. Aber auch zumindest teilweise Irre können natürlich Terror verüben. Ich sehe darin nicht unbedingt einen Widerspruch. Die Wirkung ist ja eine sehr Ähnliche, denn beim Terrorismus geht es um Aufmerksamkeit und Einschüchterung, und beides ist durch eine solche Tat gegeben.

     

    Dass in der militanten rechtsextremen Szene die Tat als „ziviler Ungehorsam“ beschrieben und damit das Opfer verhöhnt wird, überrascht mich nicht. Bei den Taten der RAF gab es damals viele Gruppen, die statt "Terror" lieber von "Widerstand" sprechen wollten.

     

    Daher sollte die Tat auf jeden Fall nicht einfach als "Angriff" eines Irren abgetan werden. Sie hat eine höhere Dimension. Das Gleiche gilt allerdings auch für linksradikale Steine- und Molotowwerfer in Hamburg oder Berlin.

     

    Denn eine Demokratie braucht unbedingt den Konsens, dass Gewalt gegen Unschuldige keine legitime Lösung politischer Probleme sein darf!

    • @Kapiert:

      Die Verharmlosung als „ziviler Ungehorsam“ findet nicht nur in der militanten rechtsextremen Szene statt, sondern massenhaft in den Kommentarspalten der üblichen konservativen bis sozialdemokratisch angefärbten Lokalzeitungen statt.

      • @Khaled Chaabouté:

        Nennen Sie doch mal Beispiele für eine solche Verharmlosung - bei "massenhaftem" Auftreten in der Presse sollte das ja kein Problem sein.

         

        Ich glaube Ihnen schlicht nicht, werde aber bereitwillig nach Canossa gehen, falls Sie mich mit Beispielen widerlegen.

  • In der Einschätzung des Anschlags auf Frau Reker und Ihre Begleiter als Rechtsterrorismus stimme ich Konrad Litschko voll zu.

    Man darf gleichzeitig aber auch nicht übersehen, dass der zugrunde liegende Rassismus ansich schon eine krasse Form des Irrsinns darstellt. Es kann nunmal keinen "gesunden Rassismus" geben und auch das muss hier völlig klar sein.

    • @Rainer B.:

      Na, "gesund" ist eine solche Geisteshaltung sicher nicht. Nur hab ich so meine Zweifel ob man für die Einordnung allein auf die erzeilte Wirkung beim Medienschaffenden zurückgreifen sollte. Es ist kompliziert, denn natürlich, schon aus statistischen Erwägungen, könen solche rechtextrem motivierten Gewalttaten nicht 100% Einzelfälle sein, was aber dann leider impliziert das es auch in anderen Feldern eben eher wenige Einzelfälle gibt: http://www.lemondejuif.info/2015/10/suede-un-allahu-akbar-attaque-une-ecole-avec-un-sabre-cinq-enfants-blesses/

      • @KarlM:

        Keine Gewaltanwendung ist "gesund". Auch nicht auf Befehl.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Auch nicht gegen Nazis?

          • @KarlM:

            Ich weiß, dass die Ihnen am Herzen liegen. Letztlich aber lassen sie keine andere Wahl.

          • @KarlM:

            Gute Frage!

      • @KarlM:

        Ein Einzelfall wird ja immer nur dann konstruiert, wenn man nicht bereit ist, den ganzen Irrsinn dahinter konsequent anzugehen.

        • @Rainer B.:

          Genau DAS befürchte ich ja, in beiden Beispielen!

  • Bei anderen Foren würde ein solcher Kommentar mit genau den rechten Platitüden überschüttet werden, die er zurecht verurteilt!

     

    Es ist bezeichnend, dass die TAZ als erstes deutsches Medium hier den Begriff Terror verwendet - andere Medien, die sich sonst sehr viel schneller aus dem Fenster lehnen, schweigen inzwischen den Vorgang mehr oder weniger tot.

     

    Da sind DFB-Skandale und Nazi-Puppen, die wie Schweini aussehen, wichtiger - armes Deutschland... die echten Probleme werden "übersehen"...

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Endlich eine klare Sprache, danke taz.

  • Wenn diese Forderung mal nicht "nach hinten losgeht"!