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Kritik an IslamkritikWenn Gymnasiasten Proleten tadeln

Warum stoßen Bücher von Menschen, die unter dem Islam gelitten haben, auf die Ablehnung der Linken? Weiß es der weiße Mann besser?

Nicht ganz einfach: Kritik und Gegenkritik der Kritik und Kritik der Gegenkritik. Foto: dpa

Nichts ist davon zu halten, wenn sich jetzt wahlkampfinteressierte Politikerinnen wie Julia Klöckner (CDU) ereifern, dass ein Imam ihnen nicht die Hand geben wollte. Das Publikum soll verstehen: Na, ist das etwa nicht ein wenigstens teilweise obskurer Haufen, der da jetzt ins Land strömt? Die Leutselige in der Pose der Zwietrachtsäerin also.

Ebenso wenig überzeugt als Beitrag zu einem guten Leben in diesem Land, wenn manche die Idee hegen, an Flüchtlinge, womöglich schon durch ihre Schlepper, eine Ausgabe des Grundgesetzes auszuhändigen. Sollen bloß gleich die Geschäftsbedingungen kennenlernen – was dann wie eine Drohung klingt, nicht wie eine Verführung zu einer freiheitlichen Lebensweise.

Auch ist es ganz unnötig, dass Flüchtlinge die gleichgeschlechtliche Ehe verstehen müssen. Ist dafür nicht noch Zeit? Abgesehen davon zeigt diese Haltung, wie sehr die Belehrung und weniger das Miteinander geschätzt wird. In diesen Tagen und Wochen der Zufluchtsuche Tausender in Deutschland zählt dies zu den wichtigsten Tugenden: mal die Kirche im Dorf zu lassen.

Unschön ist es gleichwohl in puncto Belehrung, wenn ein muslimisch geprägter Autor wie Hamed Abdel-Samad ein Buch veröffentlicht, das „Mohamed, eine Abrechnung“ betitelt ist und er durch die Kritik eine fast durchweg ablehnende Haltung erfährt. Durch das Bad der Kritik muss jede*r Autor*in, aber es fällt auf, dass dieser neudeutsche Bürger besonders harsches Urteil auf sich zieht. Gar Rassismus wird ihm attestiert: Weil er pauschalisiert, weil er nicht balanciert politische Sünden des Christentums miterörtert und obendrein den Koran missverstanden habe.

Wenn ein muslimisch geprägter Autor wie Hamed Abdel-Samad ein Buch veröffentlicht, das Mohamed, eine Abrechnung betitelt ist, erfährt er harsche Ablehnung

Auffällig am Stil der Kritik ist ein fast körperlich spürbarer Widerwillen von Rezensenten, sich mit einem möglicherweise akademisch weniger versierten Mann zu beschäftigen. Die Urteilskraft der Besprechungen schmeckt, so gesehen, wie der Tadel von Gymnasiasten Proleten gegenüber: ganz von oben herab.

In der Tat liest sich Abdel-Samads Text vergröbernd und bisweilen hitzig. Weshalb aber nahm kein Rezensent die Mühe auf sich, (am besten: sich) die Frage zu stellen, ob der Autor nicht ziemlich gute Gründe hat, die Welt zu sehen, wie er sie sieht: nicht gerade islamfreundlich.

Weshalb sollte er es auch? Kann der Mohamed-Kritiker nicht auf das Massaker an Journalisten bei Charlie Hebdo verweisen und auf die Tötung von Juden in einem Pariser Supermarkt? Ist es nicht verständlich, dass, allein schon seiner Biografie wegen, dieser Buchautor ernst zu nehmen ist?

Der Modus der pädagogisch vorgetragenen Rüge hat schon andere getroffen, und stets waren es, von linker Seite, Frauen (und wenige Männer), die einen gewissen Schmusipusi-Kurs mit dem Islam nicht mitmachen wollten, weil sie unter islamisch begründete Taten und Verhältnissen litten?

Die falsche Botschaft?

Weshalb trifft die linke Fatwa eigentlich so oft Frauen wie Seyran Ates, Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali oder einen Mann wie Ralph Ghadban – nur weil sie nicht der Logik trauen, dass Kritik am Islam schlechthin Rassismus befördert?

Aber, zugegeben, manche Bücher genannter Männer und Frauen sind schon starker Tobak. Doch vielleicht sind sie es gerade deshalb, weil die linke Community, bereit, jede*n Migrant*in als Freiheitskämpfer*in zu begrüßen, sie und ihre Befunde nicht ernst nehmen. Mehr noch: Sie gar zurückweisen. Kurzum: Frauen wie Ates, Kelek und jetzt der Mann Abdel-Samad müssten doch gehört werden, gerade von Linken und Alternativen, die ein buntes Land wollen.

Gälte es nicht besonders, ihnen und ihren Geschichten sich zuzuwenden – und sie nicht vom Platz zu stellen, weil einem die Botschaft nicht passt, die sie mitzuteilen haben?

Im Übrigen wandern aktuell Menschen nach Deutschland ein, die religiösen und mafiösen Höllen entkommen sind. Sie wissen, was sie an Deutschland haben möchten: Privatheit, Ruhe, ein gutes Leben. Wie sagte ein junger Syrer ins Mikro der „Tagesschau“ neulich, gefragt, was er von Frauengleichberechtigung hält: „Ungewohnt, klar, aber das geht schon. Wenn das hier so ist, ist das okay so.“ Echter ist das nicht zu haben.

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40 Kommentare

 / 
  • von dieser frau https://www.youtube.com/watch?v=tgOKDgwtiBc

    könnten Abdel Samad und Feddersen noch was lernen

  • Es stünde vielen akademischen Linken gut zu Gesicht, einfach mal ihren Klassismus aufzugeben und Muslims oder schlichtweg Migranten aus ärmeren oder krisengeschüttelten Ländern in ihren Bekanntenkreis aufzunehmen, also so richtig private Kontakte mit diesen Menschen zu pflegen.

  • wenn gymnasiasten proleten tadeln, dann gibt es strafe für https://truthaholics.files.wordpress.com/2015/01/charlie-hebdo-cest-de-la-merde.jpg

    • @christine rölke-sommer:

      Stimmt -

      Ein Lied kann eine Brücke sein!

      Sieben - solltens zum contest schon sein!

      Oder -

      Wenn Gymnasiasten- Proleten -Proleten

      nennen -:)

      (Schnipsel - frei nach Kurt Tucholsky)

  • und dann war da noch dieses https://truthaholics.files.wordpress.com/2015/01/charlie-hebdo-cest-de-la-merde.jpg

    hat da wer je suis charlie gekräht?

  • Die Transformation unserer Postmoderne bringt in ihrer harten Realität liebgewonnene Rechts-Links-Schemata, mit denen man sich im Alltag schön arrangieren konnte, ganz schön durcheinander.

     

    Mit der Diskussion um Abdel-Samad et.al. kommt mal das Problem unserer deutschen Auslegung der "Religionsfreiheit" auf den Tisch. Die bei uns als "individuelles Recht auf freie Ausübung einer Religion" anstatt "Freiheit von Religion im öffentlichen Raum" interpretiert wird. Mit der Wirkung, das eine solche Ausübung im öffentlichen Raum durch ihre impliziten Diskriminierungen IMMER, mal mehr, mal weniger, mit anderen Weltanschauungen in Konflikt treten wird.

     

    Schließlich stellt jede beliebige Religion (sofern sie eng genug definiert wurde und nicht wiederum weitere, abweichende Sekten/Interpretationen/Splittergruppen in sich trägt) in ihrem Moralkodex, ihren spezifischen Riten und Handlungs-Vorschriften ihren eigenen Weg als den richtigen dar. Mithin werden alle anderen als nicht-richtige/falsche/suboptimale und kritikwürdige Wege betrachtet.

     

    Schön für uns heute hier im Westen, dass lange nach dem Westfälischen Frieden offiziell keine Religion mehr die Alleinseligmachende sein darf. Aber, und da stimme ich @Jens Richter zu:

    "wer schweigt, stimmt zu":

    egal ob politisch rechts oder links, die sog. moderaten Christen oder Muslime (oder sonstwas) gewähren mit ihrer unkritischen "Toleranz" religiös-ignoranten Fundamentalisten in ihrem Dunstkreis eine Dominanz, die einem säkularen Staat mit unserer wissenschaftsbasierten Informationsgesellschaft nicht mehr angemessen ist.

     

    Nicht zuletzt deshalb, weil eine kritische Auseinandersetzung mit relig. Fundis auch die Basis der eigenen, moderaten Religiösität (oder besser: Apatheismus?) unerfreulich heftig ins Wanken bringen kann. Und solche aufkeimenden, grundsätzlichen Zweifel verdrängt man dann doch lieber. Es gibt ja Wichtigeres zu tun.

    • 3G
      3784 (Profil gelöscht)
      @vagabundix:

      Der Unterschied zwischen einem Wissenschaftler und einer Gesellschaft, die sich im Wahn befindet, eine

      „wissenschaftsbasierte Informationsgesellschaft“ zu sein, ist unschwer festzustellen. Während Albert Einstein intelligent genug war, einen Satz „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind“ zu formulieren, mutmaßt die wissenschaftsbasierte Gesellschaft, jede Religion stelle ihren Moralkodex, ihre spezifischen Riten und Handlungs-Vorschriften, ihren eigenen Weg als den richtigen dar, mithin würden alle anderen als nicht-richtige/falsche/suboptimale und kritikwürdige Wege betrachtet. Dass dies nicht nur ein auftretendes Phänomen bei Religionen ist, dafür legt Ihr Kommentar beredtes Zeugnis ab.

  • "Wer immer strebend sich bemüht…;))

    Theologie politics ala e-taz - C.S.-Version!

    sodenn -> 3.0

     

    Nunja - Jan Feddersen -

     

    Solipsismus ->

    "Ich pack oben was rein - &

    Hols unten wieder raus ;)"

    Ist gerade in einer Kolumne nur schwer vermeidbar - ja & hier aber auch wieder

    fein gelungen.

     

    Zum Nicht-die-Hand-Geben -

    (Julia Klöckner - rechte Socke is mir wumpe)

    "Nein - Ihnen gebe ich nicht die Hand -

    Sie sind unrein!" - Iran. Imam zur mit

    einem Kurden verheirateten Übesetzerin -

    Die gerade für seine

    Landsleute des langen & des breiten - &

    wie immer gekonnt in der

    Gerichtsverhandlung übersetzt hatte.

     

    Ob ich so resigniert-ruhig wie meine Kollegin - ohne Bemerkung daneben stehen geblieben wäre¿ - wohl nicht.

    Lernen - beginnt wie die längste Reise - mit einem Schritt(DAO).

    ---__

     

    @CRS (->Kirche ohne Dorf)

    korrekt - da hilft auch kein Kompaß!

     

    Aber - Verläßlichkeit - is at hand. ->

    Wo JAF JAF drauf steht -

    Ist auch JAF JAF - drin!

    Aber - Mehr is nich!

    http://www.taz.de/Kritik-an-Islamkritik/!5235274/

    &nochens Herr Feddersen -

    Gymniasten - geschenkt - but -

    Sie - & - Proleten???! Gehts noch!

    Als Nordlicht seis Ihnen op gau plattdütsch gespiegelt ->

    "Bannig fixen Dutt bi de Klütenpann -

    Kann liggers Kattenshiet in Düstern rüken!

    De - de weet doch vonne Steenstroot nix aff!"

    Get it?!

    ok - auf hochdeutsch -

    Wenn das Brett vorm Kopf unbedingt aus Teakholz oder Hebdo sein muß -

    Is auch nicht einfach!

  • das büchlein ist nicht der stein des anstosses - die (auch eigen-)werbung ist's.

    zu besichtigen beispielsweise in https://www.youtube.com/watch?v=bha3x5cUa-I

  • Kritik am Islam kann so wenig "rassistisch" sein wie Kritik am Buddhismus, Kritik am Christentum oder Kritik an der Scientology-Church "rassistisch" sein kann.

     

    Wer Hamed Abdel-Samad "Rassismus" unterstellt, der müsste konsequenterweise auch ebenso Ursula Caberta oder Karlheinz Deschner "Rassismus" unterstellen.

  • Guter Kommentar, Herr Feddersen. Ich kann als Linker die stellenweise fast schon Islambesoffenheit mancher Linker ebenfalls nicht verstehen. Der linke Hang zum Buddhismus wie vor 30 Jahren war schon nachvollziehbarer.

    • @DorianXck:

      Haben Sie schon mal versucht, verehrter DORIANXCK, zwischen "Islambesoffenheit" und Humanismus zu unterscheiden? Glauben Sie mir: Es ist gar nicht so schwer.

       

      Ein Linker, der kein Humanist ist, ist auch kein Linker. So wenig, wie ein Mensch, der andere allein aufgrund ihres Bekenntnisses zu einem Gott verurteilt, einer ist. Es gibt ja schließlich (wenn es sie gibt) ausgesprochen unterschiedliche Götter. So, wie es ausgesprochen unterschiedliche Menschen gibt. Die einen sind rachsüchtig, eifersüchtig und dumm, die anderen sind freundlich, tolerant und vernünftig. Man muss schon hinsehen um zu erfahren, an welchen Gott genau ein Mensch glaubt - und an welche Menschen.

       

      Im Übrigen bedeutet "kein Linke"“ zu sein natürlich nicht, dass man nie einer werden kann.

      • @mowgli:

        Ich begrüße jeden Linken mit humanistischem Anspruch. Doch verstehe ich den Reflex vieler Linker nicht, auch die unaufgeklärten Strömungen des Islam gegen Kritik verteidigen zu wollen.

  • Die bundesrepublikanische Linke hatte bis in die 1970er Jahre den internationalistischen Anspruch, dass Bürger aller Nationen die selben Rechte haben sollen, dass die selben Werte für alle gelten. Linke Emigranten und atheistische Gewerkschafter waren selbstverständliche Genossen. Das ist in der postmodernen Linken seit den 1990er Jahren überhaupt nicht mehr so. Heute schützen Linke religiöse Muslime, und linke Zeitungen bringen einfühlsame Interviews darüber, wie schön es sich für religiöse muslimische Frauen anfühlt sich zu verschleiern. Die Vorstellung, dass es auch liberale, moderne, oder gar ungläubige Muslime geben könnte, scheint keiner zu haben. Vielleicht sollte man einfach mal wieder über politische Werte sprechen: Seyran Altes und Hamed Abdel-Samad vertreten eine aufgeklärte, moderne, zivilisierte, nicht-nationale Kultur, die von Einwanderern und ihren Kindern mit gestaltet wird, die nicht religiös ist, die Frauen und Männern gleiche Chancen gibt. Feddersen hat völlig Recht. Es wäre die Aufgabe der Linken genau diesen Leuten zuzuhören.

    • @Mark2013:

      Das "scheint" tatsächlich nur so, verehrter Mark2013. Dass es auch liberale, moderne, oder gar ungläubige Muslime gibt, ist beispielsweise bei der taz längst keine bloße "Vorstellung" mehr, sondern konkretes Wissen aus einem gelebten Alltag. Etwas, was nicht unbedingt erwähnt und schon gar nicht aufgeblasen werden braucht zum Zweck der Selbstvergewisserung. Das können Sie als Leser natürlich nur wissen, wenn Sie nicht nur die Namen der Journalisten lesen, die neben ihren Texten stehen, sondern auch die Texte selbst.

       

      Ob Seyran Altes und Hamed Abdel-Samad tatsächlich "eine aufgeklärte, moderne, zivilisierte, nicht-nationale Kultur [vertreten], die von Einwanderern und ihren Kindern mit gestaltet wird, die nicht religiös ist, die Frauen und Männern gleiche Chancen gibt", mag ich vorerst nicht beurteilen. Ich habe nie ein Buch von ihnen gelesen. Dass Jan Feddersen aber grundsätzlich Recht hat, wenn er sagt, es sei "Aufgabe der Linken [...] diesen Leuten zuzuhören" kann ich sofort blind unterschreiben. Anderen zuzuhören, ist nämlich Aufgabe jedes Menschen. Genau wie es Aufgabe jedes Menschen ist, unter bestimmten Bedingungen laut und deutlich "Nein" zu sagen zu dem, was er hört.

       

      In der Tat: Wir sollten "einfach mal wieder über politische Werte sprechen". Auch, wenn wir das die ganze Zeit schon tun als Gäste unsrer taz. Erfahrungen und Gedanken austauschen können Menschen schließlich nie genug.

    • @Mark2013:

      "Die Vorstellung, dass es auch liberale, moderne, oder gar ungläubige Muslime geben könnte, scheint keiner zu haben."

      Ich dachte gerade das wäre die These von Abdel-Samad, dass Muslime, die sich selbst als liberal und modern betrachten, den Islam einfach nicht verstanden hätten? Sagt er nicht, dass Fundamentalisten wie vom IS den Islam korrekt auslegen und alle die mit dieser Auslegung nicht einverstanden sind den muslimischen Glauben ablegen sollten?

      "Seyran Altes und Hamed Abdel-Samad vertreten eine aufgeklärte, moderne, zivilisierte, nicht-nationale Kultur, die von Einwanderern und ihren Kindern mit gestaltet wird, die nicht religiös ist, die Frauen und Männern gleiche Chancen gibt."

      Das mag sein, ich habe mich mit ihren politischen Positionen nicht näher auseinandergesetzt. Wenn Ihre Darstellung korrekt ist, dann bin ich voller Symphatie für diese Menschen. Aber: Bei der Kritik an Herrn Abdel-Samad geht es um seinen unreflektierten Blick auf den Islam. Es erscheint mir als ob er fundamentalistische Sichtweisen (denen er ja wohl früher selbst anhing) inzwischen ablehnt, aber dennoch nie den darin enthaltenden Denkfehler ausgemacht hat. Das führt dazu, dass er zu der m.E. abwegigen These kommt, ein Bekenntnis zum muslimischen Glauben und ein Bekenntnis zur Aufklärung würden sich gegenseitig ausschließen.

  • Herr Feddersen scheint sehr genau zu wissen, wie es ist, eher die Belehrung als das Miteinander zu schätzen.

     

    Mag sein, dass Schreiben Therapie sein kann. Allerdings sind Rezensenten keine Therapeuten. Und Leser sind auch nicht die Krankenkasse. Es darf ihnen schlicht egal sein, ob ein Verfasser "ziemlich gute Gründe" hatte, ein ziemlich schlechtes Buch zu schreiben. Von ihnen zu verlangen, dass sie jemanden therapieren, der, glaubt man Jan Feddersen, vermutlich besser in einer Trauma-Klinik aufgehoben wäre, ist ziemlich albern, finde ich.

     

    Der Mensch Abdel-Samad ist ernst zu nehmen. Der Schriftsteller wohl eher nicht. Es würde von Respekt und Einfühlungsvermögen zeugen, beides nicht zu vermischen miteinander. Auch nicht aus Solidarität. Gerade nicht aus Solidarität.

     

    Vielleicht ist das Gefühl, "die linke Fatwa" träfe besonders oft Zuwanderer, nicht mehr als eben das: ein Gefühl. Eins, das Herrn Feddersen (be-)trügt. Womöglich zweifelt ja auch er daran, dass "Kritik am Islam schlechthin Rassismus befördert". Was meiner Ansicht nach nicht wirklich falsch ist. Nur halt auch nicht ganz richtig. Kritik ist nämlich nicht Kritik. Und "schlechthin" kann man den Rassismus nicht befördern. Nur ganz konkret. Deswegen ist es ja so wichtig, dass sich nicht jeder selber therapiert im öffentlichen Raum. Für sowas gibt es nicht ganz ohne Grund geschützte Räume.

     

    Dass "die linke Community" bereit ist, "jede*n Migrant*in als Freiheitskämpfer*in zu begrüßen, sie und ihre Befunde [aber] nicht ernst [nimmt]“ und mitunter sogar „zurückweis[t]“, kann gut sein. Ich kenne mich da nicht so aus. Wer allerdings den Anspruch hat, gehört zu werden in seiner Profession, der darf sich nicht benehmen wie ein kleines Kind, das seine Milchmahlzeit verlangt. Auch dann nicht, wenn er oder sie ein Schicksal hatte, das diversen Leuten ein ganz schlechtes Gewissen macht. Also, Herr Feddersen: Die Kirche einfach mal im Dorfe lassen. Da, wo sie hingehört.

  • Interessanter artikel. Regt zum nachdenken an.

  • Ich lehne Religion jeder Art für mich ab, und finde “Islamkritik” oft selbst kritikwürdig. Wie kann das sein?

     

    Es ist nicht allzu schwierig: ich lebe gerne mit meinen Mitmenschen friedlich zusammen. Deshalb werde ich jetzt nicht über den christlichen Glauben herziehen (wohl aber die Kirchen lautstark kritisieren), noch werde ich über den muslimischen Glauben verbal ausfällig werden.

     

    Mohammed ist mir so gleichgültig wie Jesus von Nazareth. Aber anderen Menschen nicht – meinen Mitmenschen nicht. Und deshalb lasse ich da die Kirche im Dorf. Bin ich nun Teil einer “linken Fatwa”?

    • @Volker Birk:

      Geht ganz gut. Bin selber atheistischer linker Katholik, der auch so einiges an der Kirche kritisiert.

    • @Volker Birk:

      Nö - nur wie andere hier auch & anders als Herr Feddersen -

      Nicht begriffsverwirrt.

    • @Volker Birk:

      Wenn Sie als Linker Religionskritik pauschal ablehnen, weil Sie Respekt vor einer Massenpsychose habe, dann JA. Ist Ihnen, Herr Birk der Spruch "Wer schweigt stimmt zu" von der einen oder anderen Demo noch bekannt?

      • @jens richter:

        Bitte lesen Sie den Kommentar von Herrn Birk nochmal - Sie haben da etwas übersehen, das Ihren Kommentar dazu etwas verloren (oder abgespult) wirken lässt.

  • Ich wollte Herr Samad empfehlen, seinen Büchern folgendes voranzustellen:

     

    Stefan Zweig-1881/1942-:

    Alle gewaltsamen Einschränkungen der Geistesfreiheit, der Meinungsfreiheit, Inquisition und Zensur, Scheiterhaufen und Schafott, hat nicht die blinde Gewalt in die Welt gesetzt, sondern der starr blickende Fanatismus, dieser Genius der Einseitigkeit und Erbfeind der Universialität, dieser Gefangene einer einzigen Idee, der in dies sein Gefängnis immer die ganze Welt zu zerren und zu sperren versucht.

     

    Seinen Kritikern mögen sich dann bereits vorab der Lektüre die Augen öffnen.

    • @adagiobarber:

      ist es nicht noch ein bißchen früh für ein wort zum sonntag?

      • @christine rölke-sommer:

        Und sonst? Inhaltlich was zu sagen?

  • Also, eine "linke Fatwa" kenn' ich nicht, und mit dem Begriff sollte man auch vorsichtig umgehen - je mehr (nun) davon die Rede sein wird, desto alltäglicher wird er. Folge wird sein, dass die tatsächliche Fatwa ihren Schrecken verliert.

     

    Zu "Ermi K.": Nein, auch in Deutschland sind Frauen leider noch nicht gleichberechtigt, jedoch ist die Situation der Frau in Deutschland schon noch merklich besser als anderswo. Aber das ist nun weder ein Argument, um in Deutschland beim Erreichten stehen zu bleiben bzw. stehen bleiben zu können, noch ist es ein Argument, um an anderen Orten dieser Welt alles beim Alten lassen zu können.

     

    Zurück zum Artikel.

     

    Könnte es sein, dass die dort erwähnte Kritik an den Genannten etwas damit zu tun hat, dass man sich hierzulande nicht sicher ist über die Motive und die Ziele solcher Bücher bzw. deren Autoren?

     

    Mein Paradebeispiel dafür ist der Sänger Wolf Biermann. Dessen Lieder waren kritisch, nicht nur bezogen auf die DDR, sondern auch bezogen auf das westliche Kapitalismus Modell und bezogen auf so manche gesellschaftliche Entwicklung in West-Europa, speziell natürlich in West-Deutschland. Bis er - nach seiner Ausbürgerung - sozusagen nicht nur körperlich hier war, sondern auch bis er sozusagen mental hier angekommen war.

     

    Von da an lief eine Anpassung, seine Lieder und sonstigen Wortmeldungen verloren ihre Kritik am Westen; ein trauriger Höhepunkt war sein Auftritt bei der CSU-Klausur in Wildbad-Kreuth, und seine letzte mir bekannte Aktion war sein Auftritt im Deutschen Bundestag, wo er zur "klammheimlichen Freude" des konservativen Teils des Parlaments (damit meine ich nun nicht nur die Union) gesungen und gesprochen hat.

     

    Ich kann mich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass die, die an den Orten, von wo aus Sie zu uns gekommen sind, in der oppositionellen Minderheit waren, hier bei uns vieles zu tun bereit sind, um hier zur Mehrheitsgesellschaft zu gehören.

  • Wir haben es bei Abdel-Samad mit einem typischen Vertreter des "feurigen Neukonvertiten" zu tun, der die Geborgenheit seiner religiösen Identität verloren hat und nun gegen die eigenen ehemaligen Überzeugungen wütend in den Kampf zieht. So weit und so verständlich. Im Übrigen ist er ein vorzüglich integriertes Mitglied der deutschen Gesellschaft, ist eine öffentliche Medienfigur und fungierte lange als Sidekick des Rechtspopulisten Henryk Broder. Er braucht den Welpenschutz von Herrn Feddersen nicht - seine "Abrechnung mit Mohammed" steht für sich selbst und unterliegt selbstverständlich der publizistischen und religionsgeschichtlichen Kritik. Das bisherige Ergebnis dieser Kritik ist eindeutig: Der Mann hat von seinem ehemaligen Propheten keine Ahnung und zeichnet ein Zerrbild von der Entstehungsgeschichte des Islam. Das Buch mag für die Pegida-Anhänger inzwischen zur Bettlektüre gehören - die kritische Auseinandersetzung mit seinen Hervorbringungen als "linke Fatwa" zu denunzieren, kann auch nur Herrn Feddersen einfallen.

    • @Thea:

      Wie kommen Sie zu Ihrer These, dass die bisherige Kritik eindeutig sei? Es gibt schließlich umfangreiche zustimmende Kritik - auch wenn Ihnen persönlich das nicht behagen sollte.

      Und falls Sie ein wirklich populistisches Zerrbild zur Historie des Islam lesen wollen, empfehle ich das groteske "Kein Gott außer Gott" von Reza Aslan - Kuscheltheologie vom Perfidesten.

  • Es wäre im Sinne der Lesbarkeit, wenigstens innerhalb eines Textes eine grammatische Linie durchzuhalten. Den Zufall entscheiden zu lassen, ob im einen Absatz generisches Maskulinum gilt ("Rezensenten"), im nächsten generisches Femininum ("Politikerinnen") und zwischendurch "geschlechtersensible" Rechtschreibung mit Sternchen ("Freiheitskämpfer*in"), macht das Lesen zu Qual.

  • wie? was?

    kritik an einem buch ist kritik an islamkritik?

    und wenn eine linker ein buch - gar eins von Abdel Samad - kritisiert, ist's gleich ne "linke fatwa"?

    wo bin ich denn hier gelandet?

    in einem dorf ohne kirche, will mir scheinen.

  • Viele meiner Mitlinken haben noch nicht die kognitive Dissonanz aufgelöst, dass sie Religion eigentlich scheiße finden, vor allem wenn sie sich zu ernst nimmt und reaktionär daherkommt, aber der Islam als Ziel von Rassismus ihnen schutzbedürftig erscheint, obwohl er heutzutage gerne reaktionär daherkommt und sich selbst zu ernst nimmt.

    • @Christian:

      Es geht um Religionsfreiheit. Zu diesem Eckpfeiler der Gleichberechtigung wird sich jeder aufrichtige Linke - selbst der Atheist - jederzeit und ohne Umschweife bekennen.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Religionsfreiheit als Teil der Meinungsfreiheit: natürlich. Religionsfreiheit als Sonderrecht für Leute, die ihre Meinung besonders schutzbedürftig finden, nur weil sie Übernatürliches beinhaltet: nein, dazu bekenne ich mich bestimmt nicht.

         

        Außerdem wird Meinungsfreiheit in letzter Zeit irgendwie gerne so missverstanden, dass man Meinungen nicht mehr kritisieren darf. Weil Kritik irgendwie nicht unter die Meinungsfreiheit zählt. Hab ich nicht verstanden, sieht man aber immer wieder.

  • Ähem... "linke Fatwas"? Wer zu solchen Übertreibungen greifen muss, hat wohl inhaltlich nicht viel zu sagen.

    Und wäre Herr Abdel-Samad tatsächlich ein "Prolet", dann könnte man in der Kritik an seinen Thesen darauf Rücksicht nehmen und sich bemühen nicht "von oben herab zu tadeln". Aber der gute Mann ist ja nun mal Akademiker und insofern ist es doch wohl durchaus berechtigt, von ihm ein gewisses intellektuelles Niveau einzufordern.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Abdel-Samad schreibt "vergröbernd und bisweilen hitzig". Wohl, weil er zur Militanz vieler Renegaten gegenüber ihren zuvor ebenso hitzig angebeteten Ideologien gefunden hat. Schließlich war er ja selbst mal Muslimbruder. Sein Buch mag deshalb eine interessante Lektüre für jene sein, die herausfinden wollen, warum er solche Geschütze gegen Mohammed und den Islam auffährt oder für solche, die seine Ressentiments teilen und sich darüber freuen, sie in seinem Werk gespiegelt zu finden. Aber als wissenschaftlich verlässlichen Text kann man dieses Buch ebensowenig lesen, wie die Werke von Karl-Heinz Deschner über das Christentum.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Dass Sie Hamad Abdel-Samad hier mit Karlheinz Deschner in einem Atemzug nennen, ist doch wohl eher eine Auszeichnung, denn eines kann man Karlheinz Deschner gerade nicht vorwerfen: Dass seine Bücher wissenschaftlich unzuverlässlich seien.

  • als wären frauen und glbt in deutschland gleichberechtigt.........

    • @ermi k.:

      Ha ja, alles relativ.