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Debatte Flucht und LandgrabbingAllianz der Heuchler

Kommentar von Ilija Trojanow

Schlepper sind böse, aber Landgrabbing ist öffentlich akzeptiert. Wenn es um Flüchtlinge geht, schlägt der moralische Kompass wirr aus.

Es wäre seit Jahren vorauszusehen gewesen: Hunderte Flüchtlinge warten an einem Bahnhof in Schönefeld (Brandenburg). Foto: dpa

W er selber mal Flüchtling war, der muss unweigerlich ein Spezialist für „Flucht“ sein. Deswegen werde ich seit Wochen und Monaten bei jedem Interview und jeder Moderation auf dieses Thema angesprochen. Es brennt allen Bürgern und Bürgerinnen so sehr unter den Nägeln, dass ich immer wieder eindringlich gefragt werde: „Was denken Sie angesichts dieser Bilder?“ Oder alternativ: „Was fühlen Sie angesichts dieser Massen?“

Wäre man nicht so schrecklich gut erzogen, infiziert vom Virus des guten bürgerlichen Benehmens, müsste man die Fragenden entweder abwatschen oder grob darauf hinweisen, dass es dem Intellekt eigen ist, sich mit Phänomenen auseinandersetzen zu können, bevor die eigenen Sinne sie unmittelbar wahrnehmen. Es ist geradezu verwerflich, Migration erst dann zu problematisieren, wenn sie über den eigenen Gartenzaun schwappt.

Stattdessen versuche ich mich an einer halbwegs sinnvollen Antwort, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Denn das, was zu sagen wäre, mit lauter Stimme, was nottäte, wäre ein Hinweis auf die komplexen Zusammenhänge und inneren Widersprüche unseres globalen Systems, die sich seit Jahren und Jahrzehnten zuspitzen. Man müsste einer genauen Weltkenntnis das Wort reden, man müsste das Fähnchen der hintergründigen Erkenntnis hochhalten.

Handeln statt reden

Denn die Berichte über das Voranschreiten der Wüste in der gesamten Sahelzone, über Landgrabbing in vielen Regionen Afrikas, über Waffenlieferungen großen Stils seitens der Rüstungskonzerne in führenden Ländern der Nato und nicht zuletzt die Angriffskriege im Nahen Osten hätten uns schon früh auf die kommenden Fluchtbewegungen hinweisen müssen. Fast die gesamte Region von der Westsahara bis zum Horn von Afrika ist inzwischen ein einziges Bürgerkriegsgebiet.

Übrigens haben die Konflikte in Syrien auch einen ökologischen Hintergrund – das Land hat eine schreckliche, fünfjährige Dürre durchlebt. Wir sollten also zum Beispiel einmal darüber reden, was wir gegen den Klimawandel tun müssen, tun ganz im Sinne von handeln, anstatt das dümmliche Mantra zu wiederholen: „Wir können doch nicht alle bei uns aufnehmen.“ Das analytische Betrachten der Welt ist eine Art Frühwarnsystem.

Wir könnten damit beginnen, die eigene Politik unter die Lupe zu nehmen. Eine aktuelle Analyse des Instituts für Welternährung zeigt auf, wie die gegenwärtige Entwicklungspolitik der Bundesregierung, schönfärberisch „New Alliance for Food Security and Nutrition“ genannt (ein Bündnis der führenden Industriestaaten mit den multinationalen Konzernen der Agrar-, Chemie- und Lebensmittelindustrie, u. a. Cargill, Dupont, Danone, Monsanto, Nestlé, Swiss Re, Syngenta, Unilever), die Flüchtlingsströme aus Afrika verstärken wird. Denn der angestrebte Strukturwandel in der dortigen Landwirtschaft – industrielle Massenbewirtschaftung unter der Kontrolle internationaler Konzerne – wird unzählige Kleinbauern ihrer Existenz berauben.

Politiker und Kommen­tatoren tun so, als hätte sie der Ansturm der Menschen überrascht

Wie wir schon in Staaten wie Indien erfahren haben, strömt infolgedessen die Landbevölkerung in die Städte, landet in den Slums und findet kaum ein Auskommen. Sie ist entwurzelt und entrechtet: „überflüssig“ aus Sicht der neue Allianzen. Nach Schätzungen des Instituts wird diese von der Bundesregierung unterstützte Politik in den kommenden Jahren mehr als 100 Millionen Kleinbauern in Afrika vertreiben! Würden wir nicht die Flucht, sondern die Fluchtursache bekämpfen, könnten wir die falsche Entwicklungspolitik leicht ändern.

Stattdessen tun Politiker und Kommentatoren so, als seien sie überrascht worden von dem Ansturm der Menschen, die sich vor Klimawandel, Gewalt und sozialer Marginalisierung zu retten versuchen. Und weil wir derart überrumpelt worden sind (was implizit natürlich die Schuld der Flüchtlinge ist), müssen wir diesen unkontrollierten, unregulierten Strom irgendwie in Griff kriegen, ohne „unsere“ Menschenrechte völlig aufzugeben (obwohl manche, etwa der brandstiftende Kasperl von Spiegel Online namens Jan Fleischhauer oder einige der führenden CSU-Politiker schon Vorschläge in diese Richtung unterbreiten).

Also sollen wenigstens die Schlepper militärisch bekämpft werden (das sind angeblich die größten Verbrecher), damit die Flüchtlinge möglichst keine Chance haben, zu uns zu gelangen, damit sie also zu ihrem eigenen Wohl und Gedeih in ihren Heimatländern bleiben und dort verhungern oder verdursten oder erschossen werden. Wie kann es sein, dass kaum jemand darauf hinweist, wie absurd ein Asylrecht bei gleichzeitiger Abschottung ist?

Vom Fluchthelfer zum Schlepper

Besonders verblüffend ist in diesem Zusammenhang das Attribut „geldgierig“, das benutzt wird, um die Schlepper zu dämonisieren. Als übrigens meine Eltern mit mir geflohen sind, hier kommt ausnahmsweise die eigene Lebenserfahrung zum Tragen, hießen die beiden Studenten, die uns den Weg über den Eisernen Vorhang gezeigt haben (gegen Geld!), „Fluchthelfer“ und galten, nicht nur in unserer Familie, als Helden. Ist nicht die Geldgier laut neoliberaler Theorie die gesegnete Kraft, die zu gesunder Konkurrenz führt, die wiederum Wohlstand schafft, weil jeder gegen jeden um den besten Platz und das prallste Konto kämpft?

Verzeihung, ihr öffentlichen Heuchler, aber ein Geschäftsmann, der in Landgrabbing investiert, oder ein Shell-Manager, der in der Arktis drillen lässt, ist genauso ein Verbrecher wie ein Schlepper, der gegenwärtig das Böse schlechthin darstellt. Sie alle akzeptieren für ein wenig Profit das Leiden oder gar Sterben von Menschen und die schweren Schäden an der Gesellschaft. Was ist der moralische Unterschied zwischen dem Inhaber einer Textilfabrik, der den Tod seiner Arbeiterinnen in Kauf nimmt, und einem Schlepper, der den Tod der Flüchtlinge in Kauf nimmt?

Wir erleben dieser Tage und Wochen, wie wirr der moralische Kompass ausschlägt, wenn man absehbare Probleme aus ideologischen oder egoistischen Gründen nicht an der Wurzel behandelt. In diesem Wirrwarr haben leider die allerwirrsten Stimmen die besten Chancen, gehört zu werden.

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26 Kommentare

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  • Die Welt ist auf Geld aufgebaut und alles andere ist Augenwischerei und Schwindel. Bei Politikern herrscht der Kadavergehorsam, koste es, was es wolle. Ist ja auch keiner persönlich verantwortlich. Nur gut Reden und anschließen sagen, tut uns leid, wir haben uns versprochen. So geht Politik heute. Ach du lieber Gott!

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Ich kenne nur Heuchler aus Europa. Ich war ca. vor einem Jahr in Kambodscha-Laos-Vietnam in der Gegen. Die Bauern haben erzählt wie sie von der deutschen Bank gezwungen worden ihren Felder für ein Apfel und Birne zu verkaufen. Im Land des Heuchlers bezahlt man Ackermann und Winterkorn bezahl man für Landraub Millionen Bonus. Wenn die Leute wie Putin, Erdogan oder Al- Baschar aus Sudan und viele anderen gegen den Räuber währen, werden diese Leute als Diktator beschimpft. Weil sie den Räuber nicht unterwerfen. Die Chicksal von Saddam, Gaddafi, Mursi ist ja bekannt. Weil sie die Interessen ihres eigene Land vertreten haben. wenn ich lese "Dieser Artikel von Ilija Trojanow spricht mir aus der Seele und trifft den entscheidenden Punkt hinsichtlich der Ursachen für die weltweiten Flüchtlingsströme." geht es vielleicht weniger heuchlerischer.!

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Bisschen wirr, Achie:

      a) echt, Heuchelei ist rein europäisch?

      b) Winterkorn mag Abgase manipulieren, von seinem Landraub weißt nur du allein,

      c) Putin etc. werden nicht für ihren Widerstand gegen die Deutsche Bank kritisiert, sondern u.a. für autoritäre Politik, den Ukraine-Überfall, Einschränkung der Menungsfreiheit, Niederschlagung friedlicher Proteste oder, im Falle von al-Bashir (!), auch mal für einen Völkermord in Darfur. Auch Saddam und Gaddafi sollen verschiedentlich unliebsame Gegner und Bevölkerungsgruppen recht brutal behandelt haben, aber das ist (wie Saddams Massaker in Halabdsha und Dudshail) sicher nur eine Erfindung der USA,oder?

       

      Trojanov hingegen hat recht: Wir ernten gerade mal wieder, was wir jahrzentelang versäumt haben.

  • Sehr guter Artikel, der nachdenklich stimmt.

  • So, wie es im Bericht beschrieben ist, trifft es höchstwahrscheinlich auch voll den Kern. Leider (oder weil es sonst viel zu umfangreich werden würde?) ist aber auch das erst die halbe Wahrheit. Ebenso maßgeblich ist, wer diejenigen sind, die welche Meinung zu dem Thema äußern. In diesem Punkt ist schon das Wort "wir" zu einem Unwort verkommen, denn wo sich ein fernab vom Geschehen agierender auf Wählerstimmen bedachter Politiker äußert, da hat "wir müssen ..." eine völlig andere Bedeutung als dort, wo ein Mini-Jobber verzweifelt eine bezahlbare Wohnung sucht und keine findet, oder wo jemand in einem Problemstadtteil wohnt und dort ständig ganz spezielle Erfahrungen gesammelt hat.

    Es reicht nicht aus, nur das Flüchtlingsproblem zu fukussieren, wenn zeitgleich das Problem der hausgemachten Verarmung eines erheblichen Bevölkerungsteils zu drohnenden Eskalationen heranwächst.

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Da es dem Intellekt eigen ist, sich mit Phänomenen auseinandersetzen zu können, bevor die eigenen Sinne sie unmittelbar wahrnehmen, Ihre Beschreibung der Zusammenhänge nicht nur zutreffend ist, sondern für jedermann auch evident war, wird diese präzise Analyse leider völlig unverdient das Los einer Eintagsfliege erleiden. Dennoch: es war die Mühe wert. Vielen Dank!

  • Sowas Ähnliches hat unsere Frau Bundeskanzlerin heute vor dem Europaparlament auch schon gesagt, "Wir müssen unsere Außen- und Entwicklungspolitik stärker darauf ausrichten, Konflikte zu lösen und Fluchtursachen zu bekämpfen“ , zugegeben etwas schlichter, wie das halt so ihre Art ist.

     

    Über „Fluchtursachen“ und die „Widersprüche des Kapitalismus“ zu parlieren macht sich hübsch dekorativ, für das Politikgeschäft im Hier und Jetzt nützt uns das gar nichts. Wie zaubert man Hunderttausende von Wohnungen, Deutschkurse, Jobs, Integrationshelfer etc. und das Stillhalten der Millionen von „besorgten Bürgern“ so aus dem Fast-Nichts, und dafür ganz schnell aus der Tasche?

     

    Das politische und administrative Tagesgeschäft hieß schon immer und heißt immer noch in erster Linie „dicke Bretter bohren“, mühsam, undankbar, anstrengend, angefeindet von Hintz und Kunz und wenig glamourös. Eine Predigt aus dem Elfenbeinturm mag ein wenig die Seele erwärmen, ein guter Schluck Whiskey tut’s das auch.

  • Der Vergleich des überwiegenden Teils heutiger Schlepperbanden mit Fluchthelfern aus der Zeit des kalten Krieges ist eine Frechheit. Die Fluchthelfer nahmen (und nehmen auch heute) nicht durchschnittlich 2-4 Jahresgehälter als Entgeld. Bei der geleiteten Flucht über die innereuropäische Grenze haben die Fluchthelfer einen erheblichen Aufwand betrieben (Tunnelbau, Grenzzaunschädigung, Unschädlichmachung von Minen etc.), während die heutigen Banden dafür bekannt sind, den Tod Tausender billigend in Kauf zu nehmen, nur um Kosten zu sparen. Ein wirklicher Fluchthelfer hätte niemals während der Herbststürme ein seeuntüchtiges Boot überfüllt auf die Reise geschickt, sondern andere mögliche Wege gesucht. Nein, hier werden nicht Äpfel mit Birnen verglichen, hier wird menschenverachtenden, tödlichen Industrie eine Absolution erteilt, die grausam ist.

    • @Cerberus:

      Es wäre ganz einfach, den 'bösen' Schleppern das Handwerk zu legen. Die deutsche/europäische Politik müsste nur den Fluggesellschaften erlauben, Menschen ohne Visum nach Europa mitzunehmen. Dann könnten die Flüchtlinge problemlos in das Land fliegen, in dem sie Asyl beantragen wollen. Als 'angenehmer' Nebeneffekt würden dann auch keine Flüchtlinge mehr im Mittelmeer ertrinken.

       

      Nur so als weiterer Punkt der unerträglichen Heuchelei unserer Politiker.

    • @Cerberus:

      So kann nur reden, wer ignoriert, dass das ein Ergebnis amerikanisch-europäischer und damit auch deutscher Konzernpolitik ist und wer sich in diesem Raubtierkapitalismus, trotzdem er vielleicht sogar ein Kritiker ist, doch recht gut eingerichtet hat. Menschen, dessen Lebensstandard darauf beruht, dass es hier stetiges Wirtschaftswachstum gibt und so von einem System abhängig sind, in dem die eigenen Erwerbsarbeitsplätze abzusichern eben weit weit wichtiger ist, als Menschenwürde oder gar das Elend bzw. die Unterdrückung und Ausbeutung in der 3.Welt zu beenden, deren Augenverschließen und deren Festhalten am Status quo ist eines der Grundübel, denn das alles geschieht vor dem alleinigen Hintergrund, das der heimischen Wirtschaftsmafia auch zukünftig zu einem Spottpreis der Zugriff auf die Ressourcen der sogenannten 3.Welt ermöglicht werden soll und so der eigene Erwerbsarbeitsplatz, damit vielleicht etwas "sicherer" ist. Wer heute aber noch so denkt, ist nur noch ein gehirngewaschener "Dasistalternativlos"-Untertan, also eine Art "Lemming" und wird schon deshalb sehr bald eben weder eine Zukunft noch irgend so etwas wie Freiheit zu erwarten haben.

    • @Cerberus:

      Die DDR-Fluchthelfer konnten es sich ja auch leisten: Da hatte jeder sein planmäßiges Einkommen und war nicht drauf angewiesen, seine Hilfsaktionen nach marktwirtschaftlichen Bedingungen zu finanzieren.

  • Sehr gut. Es freut mich, daß das langsam auch mal öffentlich gesagt werden darf.

    Daß das Elend in Teilen der Welt die direkte Folge eines rücksichtslos profitorientierten, weltweit vernetzten Wirtschaftens ist, predigen manche seit langem, werden aber stets entweder abgewiegelt oder niedergezetert. Denn Kapitalismus ist ja heilig, seine Ziele stehen hoch über allem anderen, daran darf man niemals zweifeln...

  • Wie wär's, wenn wir uns darauf einigen, dass Landgrabbing und Menschenschlepperei inakzeptabel sind? Der Unterschied ist doch bloß, dass Landgrabbing auf staatlicher Ebene funktioniert und Menschenhandel mafiöses Privatbuisiness ist.

    • @produster:

      Mit dem klitzekleinen Unterschied, daß in diesem Zusammenhang gar keine Schlepperei stattfindet. Und Menschenhandel wäre Sklaverei. Aber die Flüchtlinge werden ja nicht zur Flucht gezwungen, jedenfalls nicht von ihren Helfern.

       

      Es sind beide Begriffe irreführend und wahrheitsverzerrend.

  • Toller Kommentar.

    Er bringts auf den Punkt. Als jemand, der schon seit über 30 Jahren versucht, den Menschen in ihren Heimatländern in Afrika mit fairen Preisen für ihre Produkte eine Perspektive zu geben, werde ich nicht überrascht sein, von dem, was noch auf uns zukommen wird.

    Und: wenn seit Jahren die Gelder für das UN-Flüchtlingshilfswerk gestrichen werden (auch von Deutschland) braucht man sich auch nicht zu wundern, dass sich die Menschen aus den Lagern rund um Syrien sich auf den Weg nach Europa machen.

    Fairer Handel, keine erpresserischen Freihandelsabkommen mit afrikanischen Staaten und keine Waffenexporte sind ein Schritt einer Lösung.

  • Gratuliere! Sie haben ins Schwarze getroffen!

  • Einen gewissen Widerspruch bei Schlepperbekämpfung und dem gleichzeitigigen Hochhalten offener deutscher Grenzen für Asylbewerber sehe ich auch. Abgesehen davon, dass die Bundesregierung laut Berichten sogar Züge nach Österreich zum Abholen schickt, also quasi selbst zum Schlepper wird.

     

    Aber zu dem Zitat..."anstatt das dümmliche Mantra zu wiederholen..."Wir können doch nicht alle bei uns aufnehmen.'":

     

    Dieses (sachlich ja richtige) Mantra ist nur deshalb populär, weil die Politik zu feige oder zu unentschlossen ist, feste Grenzen, Kontingente oder Ähnliches festzusetzen, die schon aus pragmatischen Gründen angebracht wären.

     

    Würde es diese geben, würde sich auch die Debatte auf Anderes konzentrieren können wie z.B. langfristige Ursachen.

     

    Und das mit den Waffenlieferungen wird zwar gerne kritisiert, aber Deutschland redet sich auch nicht aus der Verantwortungen in den Weltkriegen heraus, weil es in großem Stil Waffen oder Rohstoffe dafür importieren konnte.

     

    Religiös motivierte Kriege gab es schon immer. In Syrien bekämpfen sich Muslimbruderschaften, Islamisten, IS-Anhänger und andere verschiedene religiöse Strömungen. Die politische Macht der Religionen ist dort vielleicht auch einfach zu stark geworden - und dagegen gibt es keine einfachen Lösungen, außer Aufklärung und Bildung und der Durchsetzung des Verbotes extremistischer Gruppen. Wie soll man das derzeit effektiv durchsetzen außer militärisch, mit entsprechenden Risiken?

    • @Jeki:

      "Dieses (sachlich ja richtige) Mantra ist nur deshalb populär, weil die Politik zu feige oder zu unentschlossen ist, feste Grenzen, Kontingente oder Ähnliches festzusetzen, die schon aus pragmatischen Gründen angebracht wären."

      Es ist eben sachlich Quatsch, dieses Mantra.

      Denn es wird niemals geschehen.

      Eine inhaltsleere Aussage.

      Übrigens ist die ZEIT-Blog von Fischer im Recht da sehr aufschlussreich und zudem ein intelligentes Vergnügen. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-fischer-im-recht

      • @Teufelsabbiss :

        Das Wort "können" bedeutet ja gerade, dass man es nicht prognostiziert, sondern eine theoretische Möglichkeit ausschließt. Wenn Sie jetzt sagen "es wird niemals geschehen", behandeln sie aber eine Prognose. Sie weichen der Frage "möglich?" im Grunde aus. Das Mantra bleibt sachlich gesehen richtig.

         

        Dass es eine Binsenwahrheit ist, steht auf einem anderen Blatt.

         

        Im Grunde sagt der Satz nur so viel wie, dass es irgendeine Grenze geben muss.

         

        Aber ob diese Grenze durch die Anzahl von Migranten gesetzt ist, die überhaupt jemals ihr Land verlassen werden, oder durch die Aufnahmekapazität in diesem Land, ist durchaus eine Diskusion wert.

  • Hallo,

    ein sehr guter Artikel, der zumindest die Themen anspricht, die in diesem Zusammenhang genannt werden MÜSSEN. Diese Zusammenhänge sollten mal detailliert...Punkt für Punkt als einzelne Beiträge abgehandelt werden.

    Thema : Ursache und Wirkung

    Aber die zentrale Frage ist dann, wer liest es?

    Wer will dann, wenn er sagt:" wir haben zu viele Asylanten!" , sich mit den Ursachen beschäftigen/diese Artikel lesen?

    Viel einfacher ist es doch , den Weg der " Bild-Zeitung" zu beschreiten und nach zu blöcken,was da mit großen Buchstaben steht.

    Noch Eines: die politische Elite in diesem Lande muß wissen, was da z.Z. passiert und noch auf uns zu kommt. Das einzige was diese Politik im Lande tut, Sie benutzt es zu Wahlzwecken. Das ist abscheulich.

    Hans-Ulrich Grefe

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Lieber Herr Grefe,

      auf unserer Seite http://www.fluchtgrund.de können Sie dazu ab morgen mehr lesen.

      Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

  • In 12 Wochen ist schon wieder Weihnachten. Es wird also bald wieder losgehen, das Gejammer über die damit verbundenen Zumutungen. Darüber, dass sämtliche Lautsprecher sämtlicher Malls "Last Christmas" von Wham! dudeln (was glauben denn die Leute, was dieser Name soll?), oder darüber, dass bestimmte Menschen erwarten, dass man wenigstens an einem der drei Feiertage seine Füße unter ihren Tisch steckt.

     

    Was das mit dem "moralischen Kompass" zu tun hat, der "wirr […] ausschlägt", wie Ilja Trojanow meint? Recht viel. Die Leute, die angeblich alles besser wissen, weigern sich nämlich oft hartnäckig, dieses Besserwissen in ihrer Alltagspraxis zu beweisen. Sie kneifen aus, statt irgendwen zu führen. Sie können nicht einmal die eigenen Eltern, Nachbarn und Geschwister dazu bringen, "absehbare Probleme" erkennen und "an der Wurzel behandel[n]" zu wollen. Deshalb dröhnen sie sich lieber unter ihresgleichen die Rübe zu an Heiligabend, als irgendwelche Kompasse neu zu justieren. Man nennt so etwas Regression, hab ich gelernt.

     

    Schon klar, dass "dieser Tage und Wochen […] die allerwirrsten Stimmen die besten Chancen haben, gehört zu werden". Den anderen ist es ja nicht genug, nur drei, vier Leute zu "bekehren". Entweder alles oder nichts. Und weil es alles nicht für jeden geben kann, ist von der Linken momentan nicht viel zu spüren. Obwohl die Chancen lange schon nicht besser standen, Zusammenhänge aufzuzeigen, und zwar quasi am lebenden Objekt.

     

    Nein, man ist nicht "unweigerlich ein Spezialist für Flucht", wenn man geflüchtet (worden) ist. Man ist nur Spezialist für sich, ein Puzzlestück im großen Weltenpuzzle, das einen Platz im Bild bekommen muss. Und zwar von Anderen. Das, allerdings, muss man sein wollen, denke ich. Ganz "schrecklich gut erzogen" und "infiziert vom Virus des guten bürgerlichen Benehmens" zu sein, hat übrigens noch niemandem geschadet. Wer wird schon gerne abgewatscht und grob zurechtgewiesen?

  • Dieser Artikel von Ilija Trojanow spricht mir aus der Seele und trifft den entscheidenden Punkt hinsichtlich der Ursachen für die weltweiten Flüchtlingsströme. Man sollte ihn einmal der Merkel und ihren Handlangern vor die Nase halten und sie zwingen, ihn laut und deutlich vor der Fernsehkamera zu verlesen.

     

    Man kann es nicht oft genug wiederholen, daß Deutschland, die EU und andere reiche Staaten mit ihrer Wirtschafts- und Handelspolitik, mit dem ökologischen Fehlverhalten, mit der Macht- und Kriegspolitik, mit der Förderung der Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und an Despoten, mit der falschen Entwicklungspolitik und mit der finanziellen Unterstützung von Projekten, die dem Landraub dienen, diese Flüchtlingsströme erst auslösen. Es wäre allerhöchste Zeit, daß die Politik und Wirtschaft endlich die Verantwortung dafür übernehmen und gegensteuern.

     

    Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den in diesen Tagen in den Kinos anlaufenden Dokumentarfilm "Landraub - Der Film". Es ist wirklich schändlich, daß die EU dieses sog. Landgrabbing auch noch fördert. Es hat ein regelrechter Run von Investoren und Konzernen eingesetzt, die durch Landraub vor allem in Afrika und Asien, der von den entsprechenden Regierungen unterstützt wird, einheimische Bauern von ihrem Land vertreiben. Hohe Renditen werden dabei erzielt - mit dem Effekt, daß außer der Verelendung der Bauern und ihrer Familien, riesige Monokulturen angelegt, die mit Pestiziden behandelt werden und die die Ökologie aus dem Gleichgewicht bringen. Auch China fällt in diesem Rahmen sehr unangenehm auf, weil es sich in Afrika schon riesige Ländereien unter den Nagel gerissen hat.

  • Danke für diesen Kommentar.

    Wenn mensch die Entwicklungen in mehreren Teilen der Welt vor Ort mitverfolgt, dann kommt vieles nicht überraschend.

    Wenn größere Teile der Bevölkerung sich für die Lebenslagen der "Anderen" interessieren, dann relativiert sich

    1. die geopolitische Denke: Ost oder West - hat Obama Recht oder Putin?

    2. der Unterschied zwischen den Politikern und den "überraschten erschrockenen Bürgern"

     

    Was heißt "weit weg"?

  • Danke, direkt auf den Punkt gebracht!

  • Dieser Kommentar sollte zur Pflichtlektüre für JEDEN werden -vielleicht könnte man ihn ausdrucken und an alle Ampeln des Landes hängen?