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Hamburgs Suche nach UnterkünftenImmobilien beschlagnahmen erlaubt

Als erstes Bundesland beschließt Hamburg ein Gesetz zur zwangsweisen „Sicherstellung“ privater Immobilien. Die Opposition prophezeit eine Prozesslawine.

Hamburg setzt für den Winter auf leerstehende Gewerbeflächen: Auch gegen den Willen der Eigentümer Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Hamburg prescht vor. Als erstes Bundesland wird Hamburg am Donnerstag in zweiter Lesung ein Gesetz verabschieden, das die Beschlagnahme leerstehender Gewerbe-Immobilien auch gegen den Willen der Eigentümer erlaubt. Zumindest wenn die Gebäude und Hallen zur Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden.

Für die CDU-Fraktion ist das Gesetz, das in der kommenden Woche in Kraft treten soll, ein „Tabubruch“. Die FDP geißelt es als „schwerwiegenden Eingriff“ in die Grundrechte. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) hält trotzdem daran fest. Die einzige Alternative wäre, wie in vielen nordrhein-westfälischen Kommunen, städtische Schulturnhallen mit Flüchtlingen zu belegen und den Schulsport auf absehbare Zeit aus dem Lehrplan zu streichen, sagte Neumann.

Dabei betont der Senator, sein „Ziel“ sei es, das zunächst bis zum Frühjahr 2017 befristete Gesetz „niemals anzuwenden“. Er brauche es aber als Drohkulisse und Druckmittel. In der eilig einberufenen Sondersitzung des Innenausschusses berichtete er von gescheiterten Verhandlungen mit Immobilienbesitzern, die ihre Gebäude – ob ehemalige Krankenhäuser oder Gewerbehallen – lieber leerstehen ließen, als sie für gutes Geld zeitweilig als Flüchtlingsunterkunft zu vermieten.

Das „schade dem Image der Immobilie“ habe Neumann immer wieder zu hören bekommen. Solche Worthülsen habe er angesichts der Flüchtlingsnot nur „schwer erträglich“ gefunden, sagte der Senator.

Das Beschlagnahme-Gesetz

... trägt den Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen“.

Es gehört zu den ersten Gesetzen, die in Hamburg mit rot-rot-grüner Mehrheit verabschiedet wurden.

Am 1. April 2016 tritt das Gesetz automatisch außer Kraft. Auch die bis dahin sichergestellten Grundstücke und Gebäude dürfen nicht über den 31. März hinaus sichergestellt bleiben.

Zum Nachlesen gibt es das Gesetz online in der Parlamentsbibliothek der Hamburgischen Bürgerschaft unter der Drucksachennummer 21/1677.

AfD wittert Etikettenschwindel

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, kritisiert, dass schwerwiegende „Eingriffe in die Grundrechte der HamburgerInnen und Hamburger durchs Parlament gepeitscht“ würden. „Eine riesige Welle an Gerichtsverfahren“, prophezeite sein Fraktionskollege Karl-Heinz Warnholz. Die FDP befürchtete, „solche Zwangsmaßnahmen“ würden „Ressentiments gegen Flüchtlinge beflügeln“ und die AfD witterte einen „riesigen Etikettenschwindel“, weil der Senat in Wahrheit nicht nur Gewerbeimmobilien, sondern „auch Wohnungen enteignen“ wolle.

Das schließt das Gesetz, das SPD, Grüne und Linke gemeinsam verabschieden werden, in der Tat nicht ganz aus: „Wir wollen verhindern, dass wir eine Gewerbeimmobilie nicht bekommen, nur weil sich in ihr eine leere Hausmeisterwohnung befindet“, beantwortete Neumann die Frage der Opposition, warum in wesentlichen Passagen des Gesetzentwurfes die „klare Beschränkung auf Gewerbeimmobilien fehle“. Wer aber behaupte, die Stadt wolle nun in großem Maßstab „Wohnimmobilien enteignen“, spiele „grundlos mit den Ängsten der Menschen“, gab Neumann zurück.

Maßgeschneidertes Gesetz

Das Gesetz ist dabei im wesentlichen eine Präzisierung des Hamburger Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG), das die „Sicherstellung“ auch von Immobilien zur Gefahrenabwehr erlaubt. Nach SOG, das alle Bundesländer in vergleichbarem Wortlaut haben, wurden in der vergangenen Wochen bereits in anderen Bundesländern und Städten, besonders in Berlin, Immobilien beschlagnahmt, um in ihnen Flüchtlinge unterzubringen. Neumann aber will ein maßgeschneidertes Gesetz für solche Maßnahmen: „Unsere Rechtsordnung“, so der Senator mit Blick auf die 878 Flüchtlinge, die in Hamburg allein am vergangenen Sonntag und Montag ankamen, „ist auf so eine Situation nicht vorbereitet“.

Andere Bundesländer, darunter auch Bremen, haben bereits angekündigt, dem Hamburger Beispiel zu folgen. Leerstehende Gebäude mit einer Fläche von mindestens 300 Quadratmetern sollen zukünftig auch gegen den Willen der Eigentümer vorübergehend für Flüchtlinge genutzt werden können. Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lässt derzeit die rechtlichen Rahmenbedingungen für zeitweilige Beschlagnahmungen prüfen, in Schleswig-Holstein gibt es laut des dortigen Innenministeriums derzeit noch keine konkreten Bestrebungen, ein Beschlagnahme-Gesetz zu entwerfen.

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8 Kommentare

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  • Das Gesetz ist weit weniger spektakulär als die FDP glauben machen will. Immerhin haben die Immobilienbesitzer jetzt Zeit genug ihre Immobilien doch noch vollzupacken und wenn es tatsächlich mal zu einer Beschlagnahme kommen sollte, gibt's eine finanzielle Entschädigung obendrauf - also eigentlich alles ganz im Sinne der Oppositionsparteien. So wird in Hamburg seit Jahr und Tag tiefschwarze Politik noch als "links" verkauft, damit die Fischköppe immer noch genug zum sich Aufregen haben.

  • Ich finds klasse. Erstens entstehen daraus eventuell halbwegs menschenwürdige Unterkünfte und zweitens bekommen diese verkackten Immobilienspekulanten mal einen auf den Deckel. Lehrstehende Wohn- und Gewerbeflächen sind besonder in unseren preisintensiveren Städten ein riesen Problem. Wenn jetzt noch die Nachricht käme, dass Flüchtlinge sich ohne Aufenthaltsgenehmigung sofort eine Beschäftigung suchen dürfen, so sie können, wäre das schonmal fast ein guter Tag.

    • @Neinjetztnicht:

      Wäre mal interessant zu wissen, ob Immo-Spekulant/innen mit cdu-Parteibuch ihre Immobilien quasi zwangsenteignet bekommen oder ausschließlich Nicht-cdu-Mitglieder, sondern Parteilose oder Mitglieder anderer Parteien.

      • @Krawatte:

        Sehr geehrte Krawatte,

        Sie schreiben "... ihre Immobilien quasi zwangsenteignet bekommen ..."

         

        Da ich ein neugieriger Mensch bin, eine Frage:

        Gibt es auch eine "quasi freiwillige Enteignung"?

         

        Viele Grüße

        DHM

  • Eigentum ist ein geschütztes gut gemaess GG.

    Es veplichtet aber aucg gemaess GG.

    Dieses neue Gesetz ist nur eine logische Folge aufgrund der notsitustiin, die faktisch da ist.

    Es sollte aber nicht nur auf gewerbeimmos beschraenkt werden.

    • @Demokrat:

      Dann ziehen Sie doch aus Ihrer Immobilie aus, wenn Ihnen sowas Spaß bereitet und Sie befriedigt.

      • @Krawatte:

        Einfach zuhören, dann klappt`s auch mit dem Verstehen: leerstehende Immobilien sollen genutzt werden, also braucht keiner irgendeine immobilie räumen.

    • @Demokrat:

      Ganz wichtig ist dass die Normalbürger geschützt bleiben, dann stimmen sie eigentlich jedem beliebigen Gesetz zu - es trifft ja nur "die da oben" die kurzerhand allesamt zu "Spekulanten und Krisengewinnler" zusammengefasst werden, damit man sich keine Gedanken mehr darüber machen muss ob man den den Menschen damit Unrecht tut.