: Die SPD entscheidet – nur wie?
Wahl Am 18. September 2016 wird voraussichtlich das nächste Abgeordnetenhaus gewählt. Welches der möglichen Bündnisse wird sich wohl durchsetzen? Die SPD, die keinen Koalitionswahlkampf führen will, hat es in der Hand
Text Uwe RadaIllustration Eleonore Roedel
Es wäre aufschlussreich gewesen, zu beobachten, wer von den grünen oder linken Spitzenpolitikern am Dienstagabend im Pavillon am Reichstag auftaucht. Wer sich mit welcher Abgeordneten oder welchem Senator der SPD in eine Ecke zurückzieht, um ungestört zu plaudern? Ob auch jemand von der CDU vorbeischaut? Doch SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte vorgesorgt. „Eingeladen sind SPD-Abgeordnete, SPD-Senatoren und Journalisten.“ Die vorgezogene Koalitionsbeobachtung beim traditionellen SPD-Fraktionsfest fiel also aus.
Vielleicht war das auch ein bewusst gesetztes Zeichen. Schon vor Längerem hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betont, keinen Koalitionswahlkampf führen zu wollen. Vielmehr will sich die SPD ganz auf ihre eigenen Ziele konzentrieren. Und auf ihr neues Zugpferd. Im direkten Duell mit seinem Herausforderer Frank Henkel (CDU) liegt Müller klar vorn. 58 Prozent der Berlinerinnen und Berliner würden, wenn möglich, Müller direkt als Regierungschef wählen. Henkel bringt es gerade einmal auf 12 Prozent Zustimmung.
So richtig freuen wollte sich am Dienstag über diesen Trend aber niemand. „In Bremen schien das Rennen auch gelaufen, und am Ende wurde es richtig knapp“, sagte ein Mitglied des Landesvorstands. Soll heißen: Ein schwacher Henkel und eine schwache CDU könnten für die SPD noch zum Mobilisierungsproblem werden.
Dennoch lassen sich die meisten Sozialdemokraten nicht davon abhalten, hinter vorgehaltener Hand über die CDU zu lästern. „Das Einzige, was Henkel kann, sind Dienstreisen“, sagt einer. Ein anderer meint: „Henkel kann noch nicht einmal die Law-and-Order-Bedürfnisse seiner Kernwählerschaft bedienen.“ Schwer vorzustellen, dass die SPD 2016 mit Frank Henkel und seiner CDU noch einmal ein Bündnis eingeht.
Blickt man auf die jüngsten Umfragen, muss das die SPD auch nicht tun. Zwar profitieren die Sozialdemokraten als Partei noch nicht ganz vom Müller-Bonus, aber sie liegen mit zuletzt 29 Prozent Anfang September wieder deutlich vor der CDU mit ihren 23 Prozent. Auf Platz drei und vier liegen Grüne (18 Prozent) und Linke (16 Prozent). Wenn es dabei bleiben sollte, dass weder die FDP noch AfD und Piraten den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen, wären rechnerisch neben Rot-Schwarz auch Rot-Grün und Rot-Rot möglich.
Dass es in der SPD unterschiedliche Vorlieben gibt, ist kein Geheimnis. Manch einer unkt sogar, dass Rot-Schwarz, Rot-Grün und Rot-Rot gleichmäßig auf die Troika verteilt ist, die sich vor einem Jahr einen heißen Kampf um das Erbe von Klaus Wowereit lieferte. Dieser Lesart nach steht SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der immer wieder mit harten Integrationsforderungen Schlagzeilen macht und einen guten Draht zu CDU-Fraktionschef Florian Graf hat, für eine Fortsetzung des heutigen Bündnisses. SPD-Landeschef Jan Stöß, beheimatet im weltoffenen Schöneberg, habe fest die Grünen im Blick, während Michael Müller eher auf Verlässlichkeit setze. Und wer war für die SPD in den vergangenen Legislaturperioden verlässlicher als die Linke?
Dass es die Grünen dabei nicht einfach haben, ist kein Geheimnis. „Wenn wir uns mit denen treffen, laufen die immer in ihrer Viererkette auf“, spielt einer darauf an, dass die Grünen diesmal mit einem Viererteam in den Wahlkampf gehen wollen. Die Botschaft: Die nicht unkomplizierten Grünen wären damit noch unberechenbarer.
Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die davor warnen, dass die Linke mitnichten so handzahm sein werde wie von 2001 bis 2011. „Udo Wolf kann auch Zähne zeigen“, heißt es mit Hinblick auf den mutmaßlichen linken Spitzenkandidaten. Am Ende, sagt einer, wird es wieder davon abhängen, mit wem es die sicherere Mehrheit gibt.
Bleibt noch eine andere Koalition, auch wenn diese laut Umfragen derzeit keine Mehrheit hätte: Schwarz-Grün. Noch Anfang des Sommers hat dieses Thema bei den meisten Sozialdemokraten Unbehagen ausgelöst. Seit dem negativen Votum der CDU-Basis gegen die Homo-Ehe scheint das Thema abgehakt. „Nicht vermittelbar“, heiß es unisono bei den Sozialdemokraten wie bei den Grünen.
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