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Oper in der Roten FloraDas Phantom darf doch rein

Nach 25 Jahren Besetzung wurde die Rote Flora zur Bühne für eine Operninszenierung. Von einer linksradikalen Kritik ist das weit entfernt.

War so noch nie zu sehen: Die besetzte Flora als Opernbühne, eher bürgerlich als linksradikal Foto: dpa

Hamburg | taz Christin kann sich nicht entscheiden. An der stuckverzierten Ballustrade des Flora-Balkons steht die blonde Frau im weißen Kleid zwischen zwei Männern. Zu ihrer Rechten: Der wohlhabende Kulturmäzen Raoul. Links von ihr: Das Phantom der Flora.

Wer das Musical Phantom der Oper im Original kennt, weiß schon, dass sie sich am Ende für den Wohlhabenden entscheiden wird. Die AnhängerInnen der Gegenkultur hingegen, die dicht gedrängt auf dem Kopfsteinpflaster am Schulterblatt sitzen und die Neuinszenierung in der Roten Flora verfolgen, haben vielleicht noch ein wenig Hoffnung.

Rauchschwaden ziehen über die Köpfe des Publikums hinweg, Bierflasche um Bierflasche leert sich, während Punks und Zecken der Oper lauschen. Die Erwartungen sind nicht gerade niedrig: Vor 25 Jahren gab jene Inszenierung vom Phantom der Oper Anlass zur Besetzung des Gebäudes, die bis heute anhält.

Jetzt, 25 Jahre später, lassen die RotfloristInnen das Phantom rein. Von einer radikalen Neuinszenierung war die Rede. Er wolle das Musical „dem Markt entreißen“, hatte der inszenierende Künstler Christoph Faulhaber angekündigt.

So klatschen die ZuschauerInnen erwartungsgemäß, als das Phantom ein Manifest gegen Kommerz und Gentrifizierung vorträgt. Sie nehmen sogar die Wasserbomben, die ihnen gereicht werden, und schmeißen sie zum vorgegebenen Zeitpunkt gegen die Flora-Fassade. Aber die Wasserbomben explodieren nicht.

Genauso wenig wie mit der bürgerlichsten aller theatralen Darstellungsformen gebrochen wird. Da nützt auch das Einspielen von Videosequenzen auf der Leinwand nichts. Alles bleibt im Rahmen des Erwartbaren. Die hübsche Frau lässt sich von den Männern hin und her schubsen. Am Ende ziehen sich die drei aus und bewerfen sich mit Farbe.

„Es wird Zeit, dass wir uns öffnen“, erklärt eine Stimme zum Abschluss, während Scheinwerfer über die Fassade kreisen. „Aber wir bleiben weiterhin Störfaktor!“

Dann hüllt sich die Flora in Rauch. 30 Vermummte erscheinen auf dem Gerüst und schießen Bengalisches Feuer in die Nacht. Eine gigantische Diskokugel hängt an einem Kran über allem. Dazu dramatische Musik. Aber nichts zerschellt.

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