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Kommentar Post-StreikFast schon eine Kapitulation

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das Einlenken von Verdi ist nach dem Ende des Kitastreiks die nächste Pleite. Jetzt gibt es Postzusteller erster und zweiter Klasse.

Die Verdi- und die Postvertreterin haben sich geeinigt. Freude sieht anders aus. Foto: dpa

D er Ausstand ist beendet, es bleibt der Frust. Viele Postmitarbeiterinnen und -mitarbeiter fragen sich, wofür sie die vergangenen Wochen eigentlich gestreikt haben. Denn was die Gewerkschaft Verdi mit dem Postvorstand ausgehandelt hat, gleicht einer Kapitulationserklärung. Nach dem desaströsen Ende des Kitastreiks nun also die nächste Pleite.

Erneut enttäuscht die Gewerkschaft ihre Mitglieder. Freuen können sich hingegen die Aktionäre: Der Postvorstand kann an seinen aberwitzigen Renditezielen festhalten – auf Kosten der Beschäftigten. Die Postaktie machte direkt einen Freudensprung.

Es war ein Abwehrkampf gegen die Profitsucht des Konzerns – und Verdi hat ihn verloren.

Erklärtes Ziel der Gewerkschaft war es, die Flucht der Post aus dem Haustarifvertrag zu verhindern. Deshalb sollten die Anfang des Jahres neu geschaffenen 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung, in denen ein bis zu 20 Prozent niedrigerer Stundenlohn gezahlt wird, aufgelöst und die dort Beschäftigten wieder eingegliedert werden. Jetzt hat Verdi akzeptiert, dass es Paketzusteller erster und zweiter Klasse bei der Post gibt.

Was Verdi dafür bekommen hat? Sehr wenig. Der Lohnabschluss bleibt deutlich hinter denen in anderen Branchen zurück – und das, obwohl der ehemalige Staatsbetrieb Milliardengewinne schreibt. Die geforderte Arbeitszeitverkürzung fällt ganz aus. Immerhin gibt es eine Verlängerung des Kündigungsschutzes für die nächsten vier Jahre.

Das ist allerdings auch nur ein Jahr mehr, als es die Post von sich aus schon vor dem Ausstand angeboten hatte. Eines einmonatigen Streiks hätte es für dieses Ergebnis nicht bedurft.

Der Postvorstand hat mit harten Bandagen gekämpft, um Verdi kleinzukriegen. Sein Kalkül ist aufgegangen, weil der Gewerkschaftsführung jener lange Atem gefehlt hat, um diesen Arbeitskampf zu bestehen. Das ist eine Erkenntnis, die nicht nur für die Beschäftigten der Post bitter ist.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • Das Ergebnis ist bitter. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir Onlineschreiber/innen gemütlich vor dem Rechner sitzen und jede kleine oder große Fachschaft ihren Kampf alleine führen lassen.

    Alle Streiks der letzten Monate gingen um das gleiche: Der Wert der Arbeit. In diesem Land will jeder nur billig und die Globalplayer nur Profit.

    Die Kämpfe wurden nicht zusammen geführt (ein Versäumnis der jeweiligen Führung), der Rest der Republik hat zugeschaut, bestenfalls mit dem Kopf genickt.

    Eine spürbare, wirkmächtige Empörung über den Umgang mit der Arbeit ist nicht in Sicht. Eine relevante gesellschaftliche Linke ebenfalls nicht.

    • @heuohr:

      Ja, aber ver.di könnte doch mal verhandeln - oder?

  • Das Ergebnis ist bitter. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir Onlineschreiber/innen gemütlich vor dem Rechner sitzen und jede kleine oder große Fachschaft ihren Kampf alleine führen lassen.

    Alle Streiks der letzten Monate gingen um das gleiche: Der Wert der Arbeit. In diesem Land will jeder nur billig und die Globalplayer nur Profit.

    Die Kämpfe wurden nicht zusammen geführt (ein Versäumnis der jeweiligen Führung), der Rest der Republik hat zugeschaut, bestenfalls mit dem Kopf genickt.

    Eine spürbare, wirkmächtige Empörung über den Umgang mit der Arbeit ist nicht in Sicht. Eine relevante gesellschaftliche Linke ebenfalls nicht.

  • "Jetzt hat Verdi akzeptiert, dass es Paketzusteller erster und zweiter Klasse bei der Post gibt."

     

    Ver.di ist eben eine angeschlagene, geschwächte Organisation. Warum sie allerdings gleich zwei Mal nicht verhandeln und sich auf Ergebnisse einlassen, für die es keiner Streiks bedarf, kann selbst ich nicht verstehen.

     

    Und ich kann ver.di nicht ab, weil diese Gewerkschaft ein durchgeknalltes Megaprojekt ist, dass nicht notwendig gewesen ist. Dass die GEW damals bei Ver.di absprang war wohl das allerbeste was diese Gewerkschaft in den letzen 30 Jahren entschieden hat.

     

    Warum allerdings ver.di einfach nicht verhandelt?

     

    Es bleibt ein Rätsel.

     

    Fakt ist, dass mit diesem Abschluss ein klassenartiges Beschäftigungssystem installiert wird, dass im Zweifel auf Aufstocken durchs Jobcenter setzt. Eigentlich hätte die Politik sogar ver.di helfen müssen, denn dieser Kompromiss wird teuer und kontraproduktiv, suggeriert er doch, eine endgültig mögliche Entwertung von Arbeit in einem ehemaligen Staatsbetrieb.

    • @Andreas_2020:

      Die GEW?

      Die ist doch immer noch Kultusminister/ins Liebling.

      Nach oben buckeln -

      nach unten mit der "Inklusion" feste druffe treten auf die Lehrkräfte.

      Gewerkschaft geht ganz anders.

      NEIN sagen.

      KÄMPFEN.

      Klagen.

      Aber das schaffen die kleinen Egos der Funktionär/innen leider nicht.

      Gewerkschafts-Vortäuscher/innen mit weggelaufenen Lehrkräften sind das - leider.

  • Postzusteller erster und zweiter Klasse:

    Sehr gut (nzuli sana)!

    Dann sind es aus Unternehmenssicht genau die richtigen Gewerkschaften, Verdi & co.

  • Mehrere GdL's bzw. pro Wirtschaftsbranche mehrere Gewerkschaften zu gründen, hat auch keinen Sinn mehr, nachdem die SPD-Arbeitsministerin Nahles das sogenannte Tarifeinheitsgesetz durch den Bundestag gebracht und es dem Bundespräsidenten zur Prüfung vorgelegt hat. Nach seiner Unterschrift und der Veröffentlichung im Bundesanzeiger wurde es rechtsgültig. Also, "vergebene Liebesmüh'".

  • Schafft 2, 3, viele GdL!

    • @Spitzbube:

      Mehr Weselskys (und wackere Mitstreiter) braucht das Land. Viel Aussicht darauf gibt es aber nicht. Was sagte doch Lenin über die Deutschen...

  • immer sind die AN die Verlierer, was allerdings erdi an letzter Zeit an der Streikfront geleistet hat, ist wohl das unterste nachde ich nun selber einige Verdi Streks bobachtet habe, müsste man den erdi Beitragszahlern ihr Geld zurückgeben, einen solchen chlappen Haufen gabs wohl nie, das sag ich euch, aus der Generation als man 6 Tage die Woche 48h gearbeitet hat und 11 Tage Urlaub bekam°

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "...Gewerkschaftsführung jener lange Atem gefehlt hat, um diesen Arbeitskampf zu bestehen. Das ist eine Erkenntnis, die nicht nur für die Beschäftigten der Post bitter ist."

     

    Wie schon seit 15 Jahren gibt sich verdi bei der Post mit der Bestandswahrung zufrieden. Funktioniert nur kurz oder mittelfristig, dann schneidet der Vorstand die nächste Scheibe von dem Gewerkschaftssalami. Für alle künftigen AN der Post AG sieht's dann immer düsterer (prekärer) aus. Solche Einheitsgewerkschaften braucht keiner.

  • Lieber Herr Beucker !

    Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für Ihre kritische Kommentar-Begleitung während unseres Streiks sowie natürlich alle anderen kritischen Kommentare, die ich lesen durfte.

     

    Als Zusteller der Deutschen Post bin ich über das Tarifergebnis ... enttäuscht, um mal ein sehr entschärftes Wort zu bemühen.

    Ich halte es für ein Kunststück von Verdi, grosse Teile der Bevölkerung, ja sogar der Politik hinter sich zu bringen und dann nach dem umfangreichsten Streik in der Geschichte des Unternehmens ein Ergebnis zu präsentieren, das einem Angebot der Arbeitgeberseite so sehr ähnelt.

     

    "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit !"

     

    Dafür habe ich gekämpft, geträllert, gepfiffen und gejubelt. Mir wurde mehrfach beteuert... ich wurde geradezu angeschrien, dass es darum ginge !

    Dass ich deswegen streike.

    Und dieses Mal habe ich es wirklich geglaubt.

    Und komme mir nun vor wie ein naiver Vollidiot im Regen.

     

    Wie leer können Phrasen sein ?

     

    Ich möchte noch auf Stefan Raab hinweisen, der da meinte, wie dämlich wir Postboten eigentlich sein könnten, wenn wir streiken... ?!

    Dass wir die ganzen Berge ja dann doch noch wegbringen müssten... !

     

    Tja, das steht uns ab morgen bevor.

     

    In all seiner zynischen Schwachsinnigkeit hatte er recht.

     

    Ich geh jetzt wohl besser schlafen, die nächsten Wochen werden Chaos pur.

     

    Schade, Verdi.

    Wie schön wäre es gewesen, wenn es die Sache wert gewesen wäre.

    So bleiben nur Resignation und Austritt.