piwik no script img

Kommentar Machtkampf in ÄgyptenDas Verschwinden der Liberalen

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Das Militär ist in seinem Führungsanspruch bestätigt und toleriert keine Kritik. Die Demokratiebewegung sollte sich Sorgen machen.

Hosni Mubarak wurde aus der Haft entlassen – unter dem Schutz des Militärs. Bild: dpa

E xdiktator Husni Mubarak wird aus der Haft entlassen und in ein Militärkrankenhaus gebracht, die führenden Muslimbrüder mitsamt des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi sitzen hinter Gittern. Mit dieser Entscheidung demonstriert das Militär seine nun wieder unangefochtene Macht. Fast ist alles wieder so wie vor dem 11. Februar 2011. Und dieses Mal hat die Massenbewegung Tamarod – Rebellion – mitgeholfen, die Islamisten zurück in den Untergrund zu zwingen, und sie hat die Militärs in ihrem Führungsanspruch bestätigt.

„Das Volk und die Armee Hand in Hand“ – so lautete die naive Parole der Revolutionäre. Auch wenn juristisch noch nicht alles ausgestanden ist für die Familie Mubarak, die Botschaft ist klar: Das alte Regime ist zurück. Es sorgt für die Seinen. Wehe dem, der das zu kritisieren wagt.

Es geht dabei nicht um die Frage, ob ein alter Mann wie Mubarak vielleicht tatsächlich Haftverschonung bekommen sollte. Oder um juristische Spitzfindigkeiten wie die maximale Dauer der Untersuchungshaft. Die allmächtige Armeeführung, die sich sonst auch nicht um rechtliche Grundsatzfragen schert, hätte die Entlassung verhindert, wenn ihr das opportun erschienen wäre. Mursi wird schließlich auch ohne Rechtsbeistand an einem unbekannten Ort festgehalten.

Die Mursi-Gegner und die vermeintliche Demokratiebewegung, die das herrschende Militär unterstützen, sollten Mubaraks Haftentlassung unbedingt als Warnung begreifen. Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Armee der falsche Bündnispartner ist.

Die Herrschaft Mursis war verheerend. Die eifrige Islamisierung hat viele liberale Ägypter zu recht schockiert. Aber was bedeutet „liberal“ noch, wenn bei Bedarf das Massaker am politischen Gegner gutgeheißen wird?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • W
    Wolfgang

    Ein außenpolitischer Sprecher für den Einsatz der ägyptischen Militärs, - für 'Freiheit', 'Demokratie' und 'Menschenrechte' -, konnte der Zuhörer am Donnerstag beim ZDF-Polit-Talk von Frau Maybrit Illner erleben und kennenlernen.

     

    So repräsentiert sich ein selbst-ernannter Vertreter der faschistischen Militätdiktatur Ägyptens, unter dem (westlichen) Deckmantel von (westlicher) "Freiheit", "Demokratie" und "Menschenrechte".

     

    Siehe: http://maybritillner.zdf.de/

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Mit den demokratisch gewählten Islamisten hat es ja nicht funktioniert. Wann ist Ägypten reif für eine Demokratie? So komisch es sich anhört: Die Armee hat Bevölkerungsminderheiten vor dem Mob beschützt.

  • AT
    alper tunga

    die vorigen taz artikel bzgl. ägypten hörten sich noch anders an!