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Kommentar Briten und SyrienSternstunde des Parlamentarismus

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das britische Unterhaus lehnt ein Eingreifen in Syrien ab und spiegelt die aktuelle Stimmung im Land: Der Rest der Welt soll die Insel in Ruhe lassen.

Skeptische Zurückhaltung aus London gegenüber auftrumpfender Entschlossenheit aus Paris. Bild: dpa

D ie Ablehnung einer britischen Beteiligung an einem internationalen Militärschlag in Syrien durch das britische Unterhaus war, egal wie das Ergebnis bewertet wird, eine Sternstunde des britischen Parlamentarismus. Großbritanniens Premierminister David Cameron wollte mit Syrien alles besser machen als einst Tony Blair mit Irak.

Er schaltete das Parlament ein, wollte sogar zwei Voten gewähren. Die Debatte war intensiv und sehr ernsthaft, und am Ende lehnten nicht nur die Opposition, sondern auch ein großer Teil der eigenen konservativen Partei, darunter eine ganze Reihe von als Nachwuchsstars gefeierten Hoffnungsträgern, die Beschlussvorlage der konservativ-liberalen Regierungskoalition ab, obwohl die noch gar keine Intervention absegnen sollte, sondern nur das Prinzip.

Das spiegelt die aktuelle Stimmung in Großbritannien wider, dass der Rest der Welt einen gefälligst mal in Ruhe lassen soll. Seit Jahren predigt die Regierung Cameron, der Staat habe kein Geld. Seit Jahren gilt der Konsens, Blairs globale Abenteuer hätten die Vernachlässigung der heimischen Probleme befördert, und es sei Zeit, das Ruder herumzureißen.

Die euroskeptische und rechtspopulistische United Kingdom Independence Party lief den Konservativen bei den Kommunalwahlen im Mai um ein Haar den Rang ab, und ihre Anhänger gelten als die allergrößten Interventionsskeptiker. Massive Skepsis von rechts, gekoppelt mit dem tief sitzenden Anti-Blair-Reflex auf der Linken – gegen die Große Koalition der Isolationisten konnte Cameron nicht bestehen.

taz am wochenende

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Nun also hält sich das konservativ regierte, atlantisch orientierte Großbritannien militärisch aus Syrien heraus, während das sozialistisch regierte, europäisch orientierte Frankreich weiterhin einzugreifen gedenkt. Irgendwie hat das seine Richtigkeit. Skeptische Zurückhaltung aus London gegenüber auftrumpfender Entschlossenheit aus Paris – jede Nation bleibt dem Klischee von sich letztendlich doch irgendwie treu.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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4 Kommentare

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  • GS
    Günter Scholmanns

    Warum fahren Sie in Ihrem Artikel folgende Linie:

    "Globale Abenteuer hätten die Vernachlässigung der heimischen Probleme befördert" sei der Grund für diese ablehnende Haltung zum Kriegseinsatz?

    Kann Ihr heißes Kriegsherz nicht oder will es nicht, die Sache auch mal so sehen, dass im Gegensatz zu Ihnen, in der dsbzgl. britischen Unterhausatmosphäre sich vielleicht auch eine moralische Instanz gegen diesen Kriegseinsatz gemeldet haben könnte? Es ist schon ziemlich perfide, man spürt es, dass Sie diese auch persönliche Niederlage für Ihre Befürwortung dieses Kriegseinsatzes, nicht verwinden können und nun in gespielter journalistischer Unbefangenheit sowas in die Leserschaft hinein schwadronieren wollen. Wiewohl, und das benutzen Sie hier anscheinend für Ihre Spielchen, es die von Ihnen hier herangezogene Mentalität im Unterhaus tatsächlich auch geben dürfte- keine Frage.

  • K
    kalam

    Nun muss ich leider meine Kritik am Artikel auf die taz bezogen verallgemeinern, denn beides hängt zusammen. Der Besuch auf der Artikelseite beginnt mit dem Aufruf : taz zahl ich - nein, danke ! Dann folgt die Lektûre und wieder : Ihnen hat der Artikel gefallen? taz zahl ich 0,50 cents... Wo aber bleibt die Möglichkeit zu signalisieren, dass dieser Kommentar meiner Meinung nach nicht bezahlenswert ist, zu sagen, dass das, was hier auf taz.de oft publiziert wird leider nicht bemerkenswert wunderbar ist. Ich wûnsche mir erhellende Kommentare, die mich auf "andere" Gedanken bringen, dieser Kommentar hingegen, die Kritik geht nicht gegen den Autor, ist aus der Not entstanden vielleicht für die Zeitung so und so viele Zeilen zu füllen, vielleicht schnell noch was online zu stellen, aber er spiegelt nicht eine Haltug wieder, die diese Zeitung doch haben will...

  • CB
    Carl-Heinrich Beckermann

    "Seit Jahren gilt der Konsens, Blairs globale Abenteuer hätten die Vernachlässigung der heimischen Probleme befördert, und es sei Zeit, das Ruder herumzureißen."

     

    Genau diese Ansicht sollte endlich auch in USA Konsens werden.

     

    Profilneurotisch begründete Angriffskriege sollten von den jeweiligen US-Präsidenten privat bezahlt (Vorkasse !) und privat verantwortet werden, das heisst: der US-Präsident schiesst vor Ort selbst und kann auch das Echo ab.

     

    Weswegen der "sozialistische" Präsident Frankreichs so kriegsgeil ist, dass er sogar einen Alleinkrieg nicht ausschliesst, kann auch mit dem rapiden Verfall seines politischen Ansehens zu tun haben, denn wirklich gelungen ist M. Hollande noch genau nichts. Den Gesetzen der Transitivität zufolge geht allerdings der Überfall Syriens auch in die Hose.

     

    Der gequälten Zivilbevölkerung Syriens nützen die NATO-Kriegsdrohungen gar nichts. Schade, dass den weisen Häuptern der imperialistischen Länder immer nur Ballerspiele einfallen

  • AU
    Andreas Urstadt

    Dominic Johnson s Enttaeuschung schwingt tsunamimaessig durchs internet.

     

    Die Deutschen befuerworten offenbar in einem Deutschlandtrend ein Eingreifen, aber ohne Deutsche. Wieder mal Wertefragmentierung. Wer Wertefragmentierung betreibt, hat ueberhaupt keine Werte. Wenn die Leute wuessten, was sie ueber sich verraten.

     

    Die Argumente im britischen Parlament waren stark (dadurch zehn Seiten mit Arbeit zurueck) und erfrischend anders als Deutschland.

     

    Camerons staendiges look at the pictures wurde ignoriert. Es verlief voellig unsentimental, gegen Hague und Cameron.

     

    Das deutsche Ja aber nicht mit uns nennt man eigentlich kleines A............