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Rote-Flora-PokerVorerst kein Rückkauf

Der Eigentümer der Roten Flora kündigt an, das Ultimatum des Senats zum Rückkauf der Immobilie verstreichen zu lassen.

Hart umkämpft: Die Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Ultimatum steht – und wird wohl unbeachtet verstreichen: Der Hamburger SPD-Senat hat dem Besitzer des autonomen Kulturzentrum Rote Flora, Klausmartin Kretschmer, bis Montag eine Frist eingeräumt, die Immobilie im Schanzenviertel für 1,1 Millionen Euro an die Stadt zurück zu verkaufen. Damit wollen die allein regierenden Sozialdemokraten den spekulativen Ambitionen des Immobilien-Kaufmanns ein Ende setzen.

Kretschmer hatte in den vergangenen Monaten durch Räumungsambitionen das Klima angeheizt und sorgte laut Senat „für Aufruhr in der Stadt“. Doch die Abfuhr scheint schon ausgesprochen zu sein. „Das Thema ist durch, wir verkaufen nicht und wollen neu bauen!“, erklärte Kretschmers Immobilien-Berater und graue Eminenz Gert Baer über das Hamburger Abendblatt.

Nun muss der SPD-Senat wohl den angekündigten „Plan B“ in Kraft setzen und Kretschmer wegen „Vertragsbruch“ verklagen. Denn als Kretschmer im Jahr 2001 dem damaligen rot-grünen Senat als Freundschaftsdienst die Flora für 370.000 D-Mark abkaufte, um dem räumungsbesessenen Rechtspopulisten Ronald Schill und dem CDU-Spitzenkandidaten Ole von Beust beim Thema „Innerer Sicherheit“ die Wahlkampfmunition zu nehmen, hatte sich der damals noch aufstrebende Eventmanager verpflichtet, die Rote Flora als Kulturzentrum dauerhaft zu erhalten. Er versprach, nichts neu zu bauen und alle Verkaufserlöse aus dem Areal über den aktuellen Verkehrswert von aktuell 540.000 Euro hinaus an die Stadt abzuführen.

Stattdessen hat das Duo Kretschmer und Baer im vorigen Oktober mit einer US-Investmentfirma, die offenbar den klammen Kretschmer entschuldet hat, einen Bauvorantrag gestellt. Sie wollen auf dem Gelände ein Veranstaltungszentrum für 2.500 Besucher bauen und haben gegen den neuen Bebauungsplan, der laut Baer einer „Enteignung“ gleichkommt, Beschwerde eingelegt.

Die Rotfloristen verfolgen den Machtkampf zwischen Senat und Kretschmer derzeit aus einer gewissen Distanz, sind sich aber im Klaren, dass bei dem Millionenpoker nach der Entschuldung Kretschmers noch „unorthodoxe Überraschungen“ auf sie zukommen können.

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10 Kommentare

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  • ick biete een euro..., für die schmucke rote flora...,und ziehe dann ein mit der roten zora...,

  • M
    M.A.

    "Er versprach, nichts neu zu bauen und alle Verkaufserlöse aus dem Areal über den aktuellen Verkehrswert von aktuell 540.000 Euro hinaus an die Stadt abzuführen."

     

    Seit wann brechen mündliche Absprachen existierende schriftliche Verträge, die derartige Klauseln nicht enthalten???

  • K
    Klaus

    Man könnte diesem kapitalistischen Gernegross auch zeigen, dass es anders geht.

    Der hat das Gebäude günstig gekauft und jetzt ein Angebot zum Rückkauf abgelehnt, dass den Kaufpreis sowieso schon um ein vielfaches überstiegen hat.

     

    Dabei läge dieser Rückkauf stark im öffentlichen Interesse. Das interessiert den Herrn aber nicht, er will nur möglichst viel Kapital aus der Sache schlagen.

     

    Im Grundgesetz steht eindeutig, dass Enteignungen legitim sind, sofern sie im öffentlichen Interesse liegen.

    Wer zu gierig wird sollte lernen zu verzichten.

    • G
      gast
      @Klaus:

      Im öffentlichen Interesse läge sicher eher ein neues Hospiz, ein Flüchtlingsheim, ein Tauschladen. Weder Kretschmer noch die Floristen sind im öffentlichen Interesse. Kretschmer ist Spekulant, Floristen nicht demokratiereif und teilweise nur dumpf gewalttätig.

    • SB
      stephan b.
      @Klaus:

      welches öffentliche Interesse? Es liegt vielmehr im öffentliche Interesse die Rechte des Menschen an seinem Eigentum zu verteidigen und ggf. auch gegen Gewalttäter durch zusetzens

      • BB
        Butter bei die Fische
        @stephan b.:

        Eigentum bringt nicht nur Rechte sondern auch Pflichten.

         

        Und wer gegen die Pflichten so wie hier grob fahrlässig verstößt, der muß mit der ersatzlosen Einbuße der Rechte zum Wohle der Allgemeinheit rechnen.

         

        Wir leben schließlich nicht in irgendeinem mittelalterlichen Feudalstaat, auch wenn Deine Ansichten besser dorthin passen würden.

      • K
        KLAUS
        @stephan b.:

        Das gilt nur so lange, wie die Öffentlichkeit diesen Besitz als gerechtfertigt ansieht und der Eigentümer seinen gesellschaftlichen Pflichten nachkommt.

         

        Es liegt nicht im öffentlichen Interesse, die unersättliche Gier von Kapitalisten zu befriedigen, wenn die Allgemeinheit zu viel dafür bezahlen muss.

  • Man kann sich als Bürger über Herrn Kretschmer ohne Ende aufregen. Für mich ist er eine Seite der Veranlassung, dass Ende Dezember Bürgerinnen und Bürger mit ihren Kindern zwischen die Fronten zwischen rechtsstaatsfern handelnder Polizei und staatsfeindlich gesinnten Krawallos gerieten. Dennoch ist es Unrecht, was die Hamburger SPD ihm antut. Wo immer es geht, benutzt Bürgermeister Scholz die Rote Flora, um von seinen eigenen Fehlern abzulenken. Dank der Springerpresse verliert sich dann auch bald der Eindruck, dass die im Bezirk Altona ausgedachte bauordnungsrechtliche Quasienteignung des Herrn Kretschmer eigentlich überall anders in der Stadt auch funktioniert. Wer sagt denn dem Besitzer eines Lückengrundstückes, dass er demnächst nicht zwecks Lückenbebauung enteignet wird? Wer läßt den Kleingärtner sicher Tomaten pflanzen, wenn die SPD wegen Flughafenausbaus schon ein Auge auf seine Parzelle geworfen hat? Hier geht es also um viel mehr. Um sehr viel mehr als das, was die Springerpresse und der NDR für uns filtern. Vielleicht geht es sogar um Grund- und Menschenrechte. Auch wenn Herr Kretschmer ungeliebt ist. Er hat Rechte. Und verletzt man seine Rechte, wird man irgendwann auch unsere Rechte angehen. Wer wird dann demonstrieren?

    • N
      Nikolausi
      @Rüdiger Bäcker:

      @Rüdiger Bäcker

      .... was ist das denn für ein Lamento - K. ist vertragl. Verpflichtungen eingegangen, die er so aber nicht einhalten will und dazu soll es jetzt eine gerichtliche Klärung geben.

      Hat eigentlich schon eimal jemand gefragt, wie sich eine linke/radikale Regierung die Frage von Enteignung bzw. deren Gründen vorstellte oder wie diese mit Demonstranten gegenteiliger Meinung umginge? Das müsste dann ja wohl das Paradies werden.

      • @Nikolausi:

        Zu einer Stadt wie Hamburg muß es ein gesellschaftliches Gegenmodell geben. Sonst geht es immer so weiter.