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Kommentar Olympia in SotschiKritik perlt ab

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Am Freitag werden die Spiele mit viel Tamtam eröffnet. Einwände westlicher Kritiker berühren Russlands Elite kaum – Dissidenten hingegen schon.

Spaß wird's machen – und den Rest wird man sehen. Bild: dpa

W as interessieren einen Wladimir Putin schon SchriftstellerInnen wie Günter Grass, Salman Rushdie, Orhan Pamuk oder Elfriede Jelinik? So nobel deren „offener Brief“ an den Präsidenten Russlands auch gemeint sein mag, wie moralisch akkurat gesinnt auch ihr Appell wider Homophobie, für Meinungsfreiheit und die Einhaltung der Menschenrechte auch gelesen werden könnte: Es hieße den Einfluss von arrivierten AutorInnen ein wenig zu überschätzen, glaubte man wirklich, dass sie einem Politiker wie Putin irgendetwas abverlangen könnten.

Letztlich kann sich die russische Politikelite desinteressiert zurücklehnen: Was müssen sie schon öffentliche Mitteilungen von Gutmeinenden angehen? Die ökonomische Elite Russlands hat ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Einwände von westlicher Seite gegen die Art des Kapitalismus, die Missachtung der Menschenrechte und die Inszenierung von Homophobie perlen an ihr ab.

Putins Prestigeprojekt, die Olympischen Winterspiele in Sotschi, die am Freitag Abend am Schwarzen Meer eröffnet werden, wird natürlich funktionieren. Mit allem pompösen Tamtam, mit dem Einzug der Länder, (Mein-)Eidformel eines Athleten und den letzten FackelträgerInnen mit der sogenannten Olympischen Flamme: Sicherheitsmaßnahmen inklusive. Was es am Ende Putin und den Seinen bringt, ist einerlei.

Der wichtigste Ertrag dieser Olympischen Winterspiele ist ja längst eingebracht: dass die westliche Welt intensiver als sonst monatelang über das fragwürdige politische System in Russland diskutiert hat. Und dass dies viele Menschen zwischen Kaliningrad und Wladiwostok mitbekamen: Sie haben Gleichgesinnte im Westen, die wie sie eine Demokratie wollen. Sie opponieren nicht allein. Sie hoffen auf den Westen. Also auf uns.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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6 Kommentare

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  • Liebe TAZ, lieber Autor, Kritik perlt ab, auch an Ihnen. Sie meinen immmer noch, "kritische" Artikel zu Sotschi 2014 schreiben zu können, in denen der Völkermord an den Tscherkessen außen vor gelassen wird. Warum klappt die Berichterstattung bei Ihnen nicht, bei anderen Medien dagegen, darunter auffällig oft Schweizer Zeitungen, schon immer besser? Bekommen Sie politische Vorgaben? Ist es die Selbstzensur? Haben Sie Angst um Werbeeinnahmen oder Abozahlen? Was ist der Grund?

  • E
    Eule

    Der Westen sollte sich erstmal an die eigende Nase fassen...

     

    und die Medien (auch TAZ) sollte sich nicht von Washington und der CIA manipulieren lassen.....

     

    Bei Aussenpolitik und Krieg wird nämlich manipuliert und gelogen, das sich die Balken biegen.....

     

    Die Amys sind doch nur sauer, weil Putin ein Spitzenpolitiker ist der wieder Russland zu einer ansprechenden Grösse verhilft......

     

    Die ganzen Anti Putin Kampagnen werden von PR Agenturen und bestimmten Kreisen gesteuert!

     

    Journalisten (oder PR Schreiber?)

     

    sollten vielleicht hier mal ein wenig lesen....

     

    http://www.nachdenkseiten.de

     

    http://www.hintergrund.de

  • J
    Jan

    Welch' selbstherrlicher Kommentar mit russophoben Züge.

     

    Die Art des Kapitalismus ist schlecht! Was für ein Witz! Als wenn der schlechter wäre als die diversen Spielarten des Systems.

     

    "Missachtung der Menschenrechte"

    Die natürlich viel gravierender sind, als Krieg führen und Verschleppung von Menschen (beides unter dt. "Anteilnahme")

     

    "dass die westliche Welt intensiver als sonst monatelang über das fragwürdige politische System in Russland diskutiert hat."

    Und das, wo wir die EU vor der Nase haben mit nicht demokratisch legitimierter EU-Kommission. Ne, da ist es einfacher ohne Nachweis auf Zar Putin zu meckern.

  • Wieviel "westliche Kitiker" gibt's denn so, zwei, drei?!

  • J
    JensN

    Nein, Eliten interessieren sich nie dafür. Anstrengend im deutschen Medienmainstream zu dem spätestens seit einigen Beiträgen dieser Tage ist die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass Russland so viel mehr ist als Eliten und Dissidenten.

    Ich habe nichts gegen die auch hier geäußerte Kritik an Eliten, wen man auch immer damit genau meinen mag. Das Verhalten im Westen schafft in der Bevölkerung in Russland nichts als Ablehnung. Und das liegt weniger an den Medien in Russland, die sehr viel bunter sind, als das hier oft dargestellt wird, sondern an der Holzschnittartigkeit des westlichen Vortrages.

  • D
    Doppelmoral

    Vergeleicht man Olympia in China und in Russland, dann sieht man die Doppelmoral unserer medien. 4000 Hinrichtungen im Jahr, Diktatur, Gefangenenlager, bestztes tibet etc.etc. gegen Verbot für Homo-Themen zu werben wie bei uns. Dissidenten in China konnten nicht enttäuscht sein, zumindest nicht laut. Wer noch ein Maoposter im Keller hat, dem fallen solche Dinge natürlich nicht auf. Mir schon und ich bin nicht allein.