Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Showdown vor der letzten Runde
Kitas dicht, Bahnen lahmgelegt – bundesweit kommt es diese Woche zu Warnstreiks. Die Beschäftigten erhöhen vor der letzten Tarifverhandlung den Druck.
BERLIN taz | Schriller Trillerpfeifenlärm – am Montag sind Berlin mehrere Hundert Beschäftigte von Zoll und Polizei vor das Bundesfinanzministerium gezogen. Ihre Forderung, gut sichtbar auf Luftballons: 3,5 Prozent mehr Lohn und 100 Euro mehr für Beschäftigte aus Bund und Kommunen.
Auch Thorsten Mertens (Name geändert) ist dabei: der 28-jährige Zollbeamte bekommt für seine Vollzeitstelle mit 41 Stunden in der Woche 1.800 Euro netto. „Ich wohne in Hamburg, das Geld reicht bei den steigenden Mieten hinten und vorne nicht.“ Er hofft auf einen guten Tarifabschluss, der auf die Beamten übertragen werden soll.
Die Gewerkschaften haben im Tarifkonflikt um die Löhne von 2,1 Millionen Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes am Montag den Druck erhöht. In Brandenburg, Berlin und Baden-Württemberg gab es weitere Warnstreiks: Kitas blieben zu, der Nahverkehr wurde in etlichen Städten lahmgelegt, Angestellte in Kliniken und Kommunalbehörden verweigerten die Arbeit. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich laut Ver.di über 110.000 Beschäftigte an Arbeitsniederlegungen beteiligt.
Gestreikt werden soll noch bis einschließlich Donnerstag, und das im gesamten Bundesgebiet. Am Dienstag sollen die Schwerpunkte in Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen liegen. Am Frankfurter Flughafen müssen sich Reisende am Donnerstag auf Verzögerungen einstellen.
Die Gewerkschaften, darunter Ver.di und der Deutsche Beamtenbund (dbb), wollen Stärke zeigen, bevor es am 31. März in die dritte und letzte Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern geht. Vergangenen Freitag war die zweite Runde gescheitert.
Keine Einigung in Sicht
Beide Seiten betonen zwar, die Gespräche verliefen in angenehmer Atmosphäre. Gleichwohl liegen die Positionen noch weit auseinander. Die Gewerkschaften fordern nicht nur 3,5 Prozent mehr Lohn und zusätzlich 100 Euro mehr. Sie verlangen zudem auch 30 Tage Urlaub für alle, die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung oder etwa 70 Euro Extrazuschlag für den öffentlichen Nahverkehr.
Die Arbeitgeber bremsen die Forderungen mit dem Verweis auf leere Kassen aus. Allein auf die Kommunen kämen durch die Lohnforderung jährlich 6 Milliarden Euro Mehrausgaben zu. Das Argument lässt Willi Russ, dbb-Verhandlungsführer, nicht gelten: „Die Finanznot der öffentlichen Haushalte kann nicht aus den Taschen der Beschäftigten bezahlt werden“, ruft er am Montag Richtung Finanzministerium. Die Gewerkschaften monieren, dass die Gehälter des öffentlichen Dienstes denen in der Privatwirtschaft zum Teil deutlich hinterherhinken. So werde es auch immer schwieriger, Nachwuchs zu finden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der als Arbeitgeber für den Bund mitverhandelt, musste sich letzte Woche von Beschäftigten anhören, die Lohnforderung sei hoch. Aber die Abgeordneten hätten sich vor Kurzem ja auch problemlos eine Diätenerhöhung genehmigt – um 10 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video