piwik no script img

Obamas EuropareiseKrimkrise statt Chlorhühnchen

Präsident Obama besucht Brüssel und beschwört die Verbundenheit zwischen den transatlantischen Partnern. Die Krise in der Ukraine ist dabei hilfreich.

Obama, van Rompuy und Barroso: Gemeinsamkeiten demonstrieren. Bild: reuters

BERLIN taz | Es ist das erste Mal, dass US-Präsident Barack Obama Brüssel besucht. Als die Reise in die Schaltzentrale der Europäischen Union vor Monaten geplant wurde, standen zwei Impulse im Mittelpunkt: Beide Seiten wollten für das in der Öffentlichkeit umstrittene Freihandelsabkommen werben – und sich hinter den Kulissen weiter über dessen Ausgestaltung streiten.

Zudem und vor allem wollte Obama verlorenes Vertrauen wiederherstellen oder das zumindest demonstrieren – nach all dem Ärger mit den wichtigsten europäischen Verbündeten wegen der Aushorchung durch die US-amerikanische NSA.

Dann kam die Ukraine. Für den US-Präsidenten ist die Krise auf der Krim ein Geschenk des Himmels. Zwar wird er in der Heimat heftig kritisiert: Zu lasch und zu spät habe seine Regierung auf den russischen Völkerrechtsbruch reagiert. Aber bei seinem Besuch in Europa kann Obama entschlossen wirken.

Die EU-Länder dürften in ihren wirtschaftlichen Interessen von möglichen Sanktionen gegen Russland viel stärker berührt werden als die US-amerikanischen. Und plötzlich rufen sie wieder nach US-amerikanischer Führungsstärke, wo sie eben noch dem Großen Bruder in Washington gehörig die Meinung sagen wollten.

NSA-Skandal fast kein Thema

So nutzten am Mittwoch sowohl Barack Obama als auch der Präsident des Europäischen Rates, Herman van Rompuy, und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Gelegenheit, vor allem auf die gemeinsamen Ziele und ihre gemeinsame Verurteilung der russischen Politik hinzuweisen.

Nur in einem einzigen Satz erwähnte van Rompuy den NSA-Skandal, ohne das Wort „NSA“ auszusprechen, mit der Bemerkung, man sei „sehr erfreut“ über die von Obama in dieser Woche angekündigten Maßnahmen zur Begrenzung der Datensammelei. Dass dies die Europäer gar nicht betrifft – geschenkt.

Statt sich also vor der EU noch einmal umfassend für die NSA rechtfertigen zu müssen, kann Obama verständnisvoll auf die europäischen Anstrengungen schauen, vom Energieimport aus Russland unabhängiger zu werden. Und er kann erklären, dank Fracking könnten die USA zumindest einen Teil der Lieferungen ersetzen. Das sollten die Europäer doch unbedingt auch tun: an der „Entwicklung neuer Energiequellen“ arbeiten.

Statt auf seine verhängnisvolle Drohnenpolitik angesprochen zu werden, kann Obama erklären, die 28 Nato-Mitgliedsstaaten stünden im Konflikt mit Russland Seite an Seite: „Die Welt ist sicherer und gerechter, wenn Europa und Amerika zusammenstehen“. Jedes einzelne Land sei aber gefordert, einen größeren Beitrag zu leisten als bisher: „Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass es Freiheit nicht umsonst gibt.“ Das ist die alte US-Kritik an den zu niedrigen Militärausgaben Europas in neuer Verpackung.

Bedeutung statt Kritik

Statt sich für Chlorhähnchen und Genmais rechtfertigen zu müssen, kann Obama das geplante Freihandelsabkommen als großen Schritt zur transatlantischen Partnerschaft darstellen.

Vorbehalte gegen das Abkommen und Befürchtungen seien unbegründet. Er habe sich schließlich während seiner Amtszeit stark für Umwelt- und Verbraucherrechte eingesetzt und werde mit Sicherheit kein Abkommen unterzeichnen, das diese Erfolge unterhöhle, sagt Obama. Man möge sich doch bitte nicht im Voraus aufregen, sondern erst einmal abwarten.

Insbesondere in der Ukrainefrage, die zumindest die Pressestatements der drei Politiker beherrschte, zeichnete sich das gleiche Bild ab wie seit Wochen: einerseits kategorische Ankündigungen, man werde „unakzeptable Handlungen“ nicht tolerieren, andererseits das große Bemühen um Deeskalation, vermischt mit der vagen Ankündigung weiterer Sanktionen, sollte sich die Lage zuspitzen.

Am späten Nachmittag wollte Obama im Palais des Beaux-Arts eine transatlantische Grundsatzrede halten. Laut Vorabinformationen der New York Times wollte der Präsident sich darin auf die Bedeutung der Krimkrise für die Weltsicherheit konzentrieren – um wiederum daraus die Bedeutung der US-europäischen Partnerschaft herzuleiten. Bei so viel Bedeutung, so scheint das Kalkül, kommt jede Kritik kleinkariert daher. Die europäischen Regierungen, denen das NSA-Thema bald peinlicher zu sein scheint als den USA selbst, werden das gern aufnehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
  • Fuck, jetzt wird hier auch schon (wieder) zensiert :o .

    • Statler , Moderator
      @Pleb:

      Wat? Wo?

  • "[Link gelöscht, hat nicht funktioniert. D.Red.]" ok...

    http://www.youtube.com/watch?v=faL4zRUdQTA#t=2786

    Dieser Link funktioniert jetzt ;-)

    Interessante Betrachtungen eines Altpolitikers (CDU) im Gespräch mit einem, meiner Meinung nach, sehr gut vorbereiteten freien Journalisten, der keiner Genossenschaft angehört und aussieht wie Ken.

  • D
    D.J.

    Neee, bloß keine Chlorhühnchen, am Ende gerät das Chlor dann noch in unser Trinkwasser - bewahre! Nur anständige europäische Salmonellen-Hühnchen - das leert auch ab und an die überfüllten Seniorenheime.

    • @D.J.:

      Gut, Chlor ist nicht der Aufhänger, dürfte ja keiner mehr ins Frei/ Hallenbad.

      Das Chlorhühnchen ist aber nunmal Synonym für andere Befürchtungen, wie mehr Antibiotika, Hormone, Genfood und das alles nicht gekennzeichnet. Leider ein sehr unglücklich gewähltes Synonym, sodass die Arglosen ihre helle Freude daran haben dürften.

      • D
        D.J.
        @lions:

        Einverstanden. Ich möchte mich ja keinesfalls über die Kritik am Abkommen insgesamt lustig machen. Die Diskussion sollte aber rationaler geführt werden. Das müsste gerade im Interesse der Kritiker/innen liegen.

  • @Frei

    "Analsonden", sehr konkrete Beschreibung.

  • Die Medien, vielleicht auch die Taz müssten die Chlorhühnchen und das Klonfleisch ja nur zum Thema machen. Scheinbar ist man nur getrieben von dem was die Politik (USA) vorgibt.

    Sehr interessante Überlegungen eines Altpolitikers , Wimmer (CDU). Auch die Chlorhühnchen haben darin ihren Platz, wobei er den Bogen etwas weiter spannt: Was könnte sich für die sog. Demokratie daraus ergeben. Interview von einem scheinbar wirklich freien Journalisten, der ganz ohne Genossenschaft auskommt und mehr nach Ken, denn einem Linken aussieht:

    [Link gelöscht, hat nicht funktioniert. D.Red.]

  • Es ist einfach wunderbar mit zubekommen wie die brüssler Analsonden wieder um den Hintern des großen Befreiers umherschwirren. Das sind die letzten Haufen noch nicht trocken da kommt der rettende frische....gab es da nicht gerade noch ganz andere Themen die sich so nach dringenden Handlungsbedarf anhörten??????

    naja ich hab sie auch schon vergessen...aber das gute an dem ganzen Politikzirkus ist ja, dass sich die Vorstellungen, Akteure und Darbietungen immer wieder wiederholen......des wegen kann ich über sie ganze Schei...auch nur noch lachen (oder wütend Flennen und wieder Streß bekommen)........

  • Schei...auf die Kohle....dafür werden die Chlorhühner billiger sein als unsere KZ-Hühnchen

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Und die Rep. daheim lachen sich ins Fäustchen.

  • Obama möchte NATO-Truppen in Grenznähe zu Russland stationieren.

    (Deutschlandradio Kultur)

    Er wird Bush immer ähnlicher.

    • @vic:

      Nach der erfolgreichen Verteidigung unserer Freiheit am Hindukusch können sich unsere Freiheitsverteidiger jetzt schon hinter den Ural zurückziehen . Ist doch toll ! Dumm nur , dass die Russen-Taliban die Freiheitsdrohnenbomber einfach abschießen würden . Wird also etwas teurer werden .

  • Danke , Herr Pickert ! So hübsche Satiren bekommt man von der Taz nicht oft geboten !

  • Die USA der Staat der das Völkerrecht mit Füßen tritt, der Staat der die ganze Welt ausspioniert und übervorteilt, der weltweit gezielte Tötungen durchführt, dessen Militärmaschine und dessen ausbeuterisches Wirtschaftssystem die ganze Welt unterjocht – dieser Staat als Garant der Freiheit! Ein Hohn auf die Menschenrechte!

  • don´t forget: Amerika, Land des Völkerrechts...

  • "Administration officials have said drone strikes have killed relatively few civilians, but have refused to say how many. The Long War Journal says 11 civilians have been killed in Pakistan this year and two in Yemen; other estimates are higher."

    http://www.latimes.com/nation/la-fg-drone-strikes-20131117,0,4735750.story#axzz2lfvl9MtV

    Yemen: Reported US covert actions 2013: "Total reported killed: 67-105 47-65 0

    Civilians reported killed: 17-26 0-3 Children reported killed: 4

    http://www.thebureauinvestigates.com/2013/01/03/yemen-reported-us-covert-actions-2013/

    Alone with a joystick

    The stressful lives of drone pilots:

    http://www.economist.com/news/united-states/21580461-stressful-lives-drone-pilots-alone-joystick?fsrc=rss|ust

    More than 2,400 dead as Obama’s drone campaign marks five years:

    http://www.thebureauinvestigates.com/2014/01/23/more-than-2400-dead-as-obamas-drone-campaign-marks-five-years/

    Amerika: Land der Freiheit

  • Clorhühnchen wegen der Krim. So wäre der Titel besser.

     

    Wegen dem grenzenlosen Russenhass der Grünen wären die sicher dabei!

  • Aus dem Land der großen Freiheit:

    Horrorgeschichten aus den USA.

    Obdachloser von Cops getötet 1:

    http://guardianlv.com/2014/03/homeless-man-executed-for-camping-illegally/

    Obdachloser von Polizei getötet, anderer Fall:

    http://www.washingtonpost.com/news/opinions/wp/2014/01/14/police-officers-who-beat-homeless-man-to-death-are-acquitted/?tid=pm_opinions_pop

  • Hey, ihr 3 Hüter der Menschenrechte: Trefft euch doch irgendwo die nächsten 500 Jahre mit wem auch immer zum Armdrücken. Hier vermisst euch nur eine kleine Minderheit, und das auch nur aus Karrieregründen.

  • Natürlich ist die NSA - und die jeweiligen nationalen Unterarten des Tiefen Staates - kein Thema für die Herrschaften. Man meint ja, das Volk mit der "russischen Gefahr" genügend geängstigt zu haben.

     

    Das funktioniert nicht mehr so.

     

    Ich meine auch nicht, dass es gerechtfertigt ist, für den Besuch eines Menschen 10 000 000 Euro an Steuergeldern auszugeben. Barack Obama's first visit to Brussels to cost Belgium more than EUR 10m http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140326060

     

    Ich halte das für einen Skandal.

  • Spätestens seit der NSA-Affäre ist jegliches Gerede von Freiheit, Demokratie etc. totale Heuchelei. Wer lässt sich von so einem Gelaber noch hinreißen?

  • Ach Herr Präsident--,:

    „Die Lage in der Ukraine erinnert uns daran, dass es Freiheit nicht umsonst gibt."---???

     

    Die Lage von Edvard Snowden auch, die Lage von in Kauf genommenen kollateral Drohnenopfern auch, die ...Guantanamo... auch, die.....auch, die...

  • So ist das richtig, genau so funktioniert Demokratie. Wenn man ein Opfer hat wie zum Beispiel den Staatshaushalt, halten alle fest z(usa)mmen.