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Kommentar EnergiewendeDie Rechnung, bitte!

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Der von Sigmar Gabriel vorgelegte Entwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz führt die Energiewende ad absurdum.

Protest gegen die „Reform“ der Energiewende vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Bild: Reuters

D ie ist ein öffentlicher Aufruf: Die taz würde gern die Agentur auszeichnen, die im letzten Jahr im Auftrag der energieintensiven Industrie das Drehbuch geschrieben hat. Mit dem jetzt von Sigmar Gabriel vorgelegten Reformentwurf zum Erneuerbare-Energien-Gesetz ist klar, dass die Energiewende andere zahlen. Das Ergebnis ist ein Meisterstück öffentlicher Suggestion.

Für Genießer: Wenn künftig etwa ein Zementhersteller ein eigenes, kleines Kohlekraftwerk baut und den Strom selbst nutzt, zahlt er 15 Prozent der EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien. Wenn sich ein mittelständischer Gewerbebetrieb eine Solaranlage aufs Dach baut, um sein Logistikzentrum oder sein Kühlhaus mit dem so erzeugten Strom zu betreiben, zahlt er die Hälfte der EEG-Umlage. Das ist Energiewende in Zeiten der GroKo.

Wie es kam? Am Beginn der Debatte stand die Idee, die Kosten der Energiewende etwas fairer zu verteilen. Auch die von Förderabgaben weitestgehend befreite energieintensive Industrie sollte etwas mehr zahlen als bisher, auch wenn sie eigene Kraftwerke betreibt. Das Gleiche sollte für die Produzenten von Ökostrom gelten, und für die kam es auch so.

Dann ist der Öffentlichkeit eingetrichtert worden: Wenn die Industrie auch nur einen einzigen Euro mehr zahlen muss, ist alles vorbei. „Arbeitsplatzverlust“ stand über allem. Die privilegierte Industrie suggerierte, man wolle sie mit der vollen Ökostrom-Abgabe (was nie zur Debatte stand) belasten, warf mit falschen Behauptungen um sich (doppelt so hohe Strompreise wie in den USA, was gerade für die befreite Indsutrie nicht stimmt) und konstruierte daraus ein Horrorszenario. Die Idee einer gerechteren Kostenverteilung der Energiewende ist ad absurdum geführt. Und das war erst Gabriels erste Reform.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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3 Kommentare

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  • Liebe Leute, Mitmenschen,

     

    ihr habt ja schon jede Menge dezentraler, auch partizipativer, und vor allem effizienter, technologisch und technisch guter, sogar ausgezeichneter Energielösungen in euren Regionen – warum lässt ihr euch so was gefallen?

     

    Immer wieder – wenn ich den Rhein nordwärts überschreite – staune ich, was ihr euch so alles noch gefallen lässt. Hoffentlich erhebt ihr auch bei dieser zentralplanerischen "Durchwurstel-Abzocke" bald euere Stimmen.

     

    Vernetzt euch doch – bundesweit – setzt die Vernunft durch, dem zentralplanerisch (Riesen-)Grossen, und leider auch Rückwärtsgewandten, entgegen. Dessen Kosten, also zentralplanerisch festgelegten Belastungen, davon laufen, damit ihr dann die davonlaufenden "Preise" zahlt. Glatt das doppelte, bei halben und noch kleineren Löhnen, Arbeitseinkommen, also das VIER- bis FÜNFFACHE (!) was wir südlich des Rheins zahlen bei unseren Gemeinde-/kantonalen Werken, dasselbe bei Wasser, Abwasser...

     

    Vielleicht hören euch dann euere Politiker – die es sicher nicht böse meinen, es aber, wie es aussieht, nicht besser können – auch zu, und lernen daraus. Auch wie sie Kompetenz erkennen und fördern können, was eigentlich ihre Aufgabe wäre.

     

    Und, ja, klar die Infrastruktur beinhaltet auch bei uns die Netze, doch so wie nötig und gut, und so wie wir uns auch da finden:-)

     

    PS - auch bei uns gibt's Abzocke, klar, wissen wir:-)

  • Geredet wird immer von der Energiewende, doch wir sind ja erst bei der Stromwende angelangt. Große Teile des Personen- und Güterverkehrs sind beispielsweise immer noch vom endlichen Erdöl abhängig. Und trotzdem ist für den Bürger ein nahezu unverständliches Chaos entstanden, was mich in Punkto echter vollständiger Energiewende nicht gerade optimistisch stimmt. Jedenfalls, wenn alles zentral geregelt ist und starke Lobbyinteressen viele Vorhaben verwässern...

  • A
    aurorua

    So wie Schröder ist auch Gabriel nur ein Arbeiterverräter und noch viel mehr. Einst war die SPD Partei des "kleinen Mannes". Partei für Arbeiter, für Erwerbslose, für kranke Menschen, für Rentner, eben die zu kurz gekommenen weil die Verhältnisse nicht mehr hergaben.

    Heute ist es ein neoliberaler Verein von Lobbyistenknechten getrieben von persönlichen Egoismen , weit, weit weg vom Volk und seiner Seele. Wie sollen gerade Erwerbslose und Rentner mit ergänzender Sozialhilfe diese immer mehr steigenden Kosten noch stemmen? Gerade mit denen ganz unten machen die doch was sie wollen. Wehrt Euch doch bitte!

     

    https://www.openpetition.de/petition/online/buergerversicherung-altersversorgung-solidarisch-und-gerecht