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Ikea auf ExpansionskursDer Vormarsch in die Stadt

In Hamburg eröffnet der erste City-Ikea. Die Mieten steigen, doch der Konzern geht in die Charme-Offensive: Schließlich hat er noch Großes vor.

Kreuzfahrtschiff mitten in Altona: Der neue City-Ikea. Bild: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Ein Ufo ist gelandet. Keines aus dem Weltraum, aber dafür ein stadtplanerisches. Wenn das am Montag in Hamburg-Altona, unweit des Fernbahnhofs, offiziell die Türen öffnet, kann man sich dann noch einmal vergewissern, dass der schwedische Möbelkonzern Ikea in ihm tatsächlich sein komplettes Sortiment – und vielleicht ein bisschen mehr Schnickschnack als sonst – an die kauffreudige Kundschaft zu bringen versucht. Alter Wein in neuen Schläuchen also. Und doch ist es irgendwie neu.

Dass dieses Raumschiff dennoch in den Schlagzeilen landet, liegt nämlich nicht nur daran, dass Ikea für die weltweit erste City-Filiale kräftig die Werbetrommel rührt, sondern eher daran, dass solche Möbelhäuser in einer Stadt gemeinhin so gar nichts verloren haben. Weil sie so viel Verkehr mit sich bringen und die Umgebung verschandeln, findet man sie bislang an Autobahnen in irgendwelchen Randlagen. Nicht aber in der Stadt.

Nun aber doch. Und um auch den skeptischen Zeitgenossen in bisschen milde zu stimmen, hat Ikea versprochen, ein guter Nachbar zu sein. Sein dritter Standort in Hamburg habe das Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt, sagt Simone Settergren, die Sprecherin für den Bereich Expansion. Das kolossale Gebäude steht auf dem kleinsten Grundstück, das Ikea je bebaut hat. „Wir sind aber überzeugt davon, dass wir da ideale Bedingungen für diesen City-Store haben“, so Settergren.

Ganz anders sehen das die Ikea-Gegner, die sich in der Initiative „Kein Ikea in Altona“ versammelt haben. Sie befürchten, dass die Eröffnung zum Verkehrschaos führt, dass die Lebensqualität sich verschlechtert und ärmere Bewohner und viele alte Läden aus dem Stadtteil verdrängt werden.

Wegen der zentralen Lage und der guten Erreichbarkeit hofft Ikea darauf, dass möglichst jeder zweite Kunde auf das Auto verzichtet. An einem Transportschalter im zweiten Obergeschoss kann man seine Lieferungen abgeben. „Wenn man dort bis 18 Uhr seine Ware aufgibt, wird sie noch am gleichen Tag geliefert“, so Ikea-Sprecherin Settergren. Das erste Paket kostet 9,90 Euro, jedes weitere 6,90 Euro.

Vermieter haben die Preise erhöht

Um von der neuen Innenstadtlage zu profitieren, hat Ikea ein Haus mit großen Schaufenstern gebaut. Verglichen mit anderen Ikea-Filialen ist die in Altona mit einer Verkaufsfläche von 18.000 Quadratmetern und einer Bruttogeschossfläche von 40.000 Quadratmetern etwas kleiner geraten. Zumindest die Rolltreppen, über die man die verschiedenen Etagen erreicht, muten noch nach dem alten Karstadt-Kaufhaus an, das Ikea an dieser Stelle beerbt. Hier, in der ältesten Fußgängerzone Deutschlands, verendete mit dessen Schließung auch ein Hauch der alten Fortschrittshoffnung der 70er-Jahre.

Aber so unschuldig waren auch die schon nicht: Für den Bau des Betonkaufhauses mit „Pariser Flair“ und der modernen Flaniermeile in der Großen Bergstraße wurde auch damals schon verdrängt, die Bewohner wurden aus den Altbauwohnungen getragen und in eine Großwohnsiedlung deportiert.

Als eine Antwort auf das alte Kaufhaus will sich Ikea nicht verstehen. „Das ist nicht unser Selbstverständnis“, sagt Settergren. „Unsere Geschäftsidee dreht sich ausschließlich um das Thema Einrichten, und speziell in Altona haben wir die Idee, dass mit einem großen Frequenzbringer auch viele kleine Einzelhändler gut leben können.“

Sofern sie die Mieten noch bezahlen können. Denn mit der Entscheidung über die Ansiedlung des Möbelhauses erhöhten viele Vermieter die Preise. In der Großen Bergstraße, bisher einem stark migrantisch geprägten Viertel mit Billigläden und türkischen Gemüsehändlern, sollen sich nun auch besserverdienende Familien wohl fühlen. Denn auch Ikea ist heute nicht mehr so frech und unverhohlen wie noch in den 70er-Jahren. Damals warb das Unternehmen noch mit Slogans wie „Bei uns gibt’s was unter den Popo“ oder „Nur stehen ist billiger“. Heute setzt Ikea auf das konservative, bürgerlich-patriarchale Familienbild und das Heim (Slogan: „Weil Zuhause der wichtigste Platz auf der Welt ist“).

Ikea versus Wiesenpieper

In Bremerhaven, einem weiteren Experimentierfeld der konzerneigenen Expansionsabteilung, verdrängt Ikea keine Menschen, dafür aber: zwei Kiebitze, ein Feldschwirl, zwei Teichrohrsänger, einen Schilfrohrsänger, einen Wiesenpieper, ein Blaukehlchen und andere, weniger seltene Arten. Die haben laut Naturschutzbund Nabu ihre Brutplätze in der Rohrniederung, einem Landschaftsschutzgebiet im Süden der Stadt.

Um die Kritik der Naturschützer zu befrieden, gibt es nun eine Regelung, wonach das Gebiet in Zukunft unangetastet bleibt. „Daran haben auch wir ein großes Interesse“, sagt Settergren. Weil das Möbelhaus auf diese Weise gut sichtbar und erreichbar sei.

Dass der schwedische Möbelkonzern in eine der wirtschaftlich abgehängten Regionen expandiert, ist bemerkenswert. Zumal weil die nächste Dependance in Bremen-Brinkum mit genau 63,7 km gerade mal 48 Autominuten entfernt liegt.

Doch Ikea testet in Bremerhaven das neue XS-Store-Konzept mit einer Bruttogeschossfläche von 24.000 Quadratmetern, um künftig auch kleinere Märkte mit weniger Kaufkraft zu erschließen. Dafür hatte Ikea vorher keine guten Lösungen, erklärt Settergren. Gespart werden soll hier vor allem an den Büroflächen für die Mitarbeiter. Der Kunde dagegen soll das beim Einkauf ab dem kommenden Frühjahr kaum zu spüren bekommen, dass die Kaufkraft der Bremerhavener nicht mehr trägt.

Bereits im März hatte Ikea das deutschlandweit erste Shoppingcenter unter seiner Regie in Lübeck eröffnet. Rund 120 Millionen Euro haben Ikea Deutschland und deren Tochterfirma Inter Ikea Centre Deutschland GmbH in das Möbelhaus und eine Einkaufspassage mit rund 24.000 Quadratmetern Verkaufsfläche investiert. Weil die benachbarten Städte Bad Schwartau und Neustadt Nachteile für ihre Läden befürchten, haben sie beim Verwaltungsgericht Schleswig gegen den Bebauungsplan geklagt. Fürs Erste ohne Erfolg.

So leicht ist ein Player wie Ikea nicht aufzuhalten, denn der Konzern hat große Pläne. So will die Tochter Inter Ikea auch in Deutschland „Budget Design-Hotels“ und Studentenwohnheime bauen, die praktischerweise gleich mit Ikea-Möbeln eingerichtet wären. In London plant Ikea sogar, einen ganzen Stadtteil zu errichten – in der Nähe des Olympiaparks.

In Deutschland will der Konzern den Marktanteil im Einrichtungssegment in zehn Jahren verdoppelt haben – auf dann 26 Prozent.

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15 Kommentare

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  • Eine IKEA-Filiale gibt es bereits seit Jahren in der Essener Innenstadt. Ist sogar ganz schick. Leider soll sie trotzdem umziehen, weil man gerne mehr Platz hätte: http://www.derwesten.de/staedte/essen/ikea-bleibt-in-essen-und-zieht-in-den-krupp-guertel-id9160202.html

     

    Bleibt die Frage: Was ist ordentlicher Journalismus und warum schreibt ihr alle voneinander ab? Manchmal bekommt man das Gefühl, das Ruhrgebiet gäbe es bei den großen Schmierenblättern nicht. Hat aber auch Vorteile: So bleiben die Hipster zu Hause und versauen uns nicht die Mieten.

  • Der Artikel in der Zeit ist deutlich besser recherchiert und kommt mit weniger Stereotypen aus.... erstmal richtig recherchieren und dann schreiben. Aber die taz bedient wieder alle Klischees, derer sie habhaft werden konnte

    • @Ex Altonaerin:

      einige Anmerkungen zum Artikel der "Echte Vor-Ort-Expertin" Nicola Meir in der Zeit: der zitierte Kleingewerbetreibende Hr. Sydow ist Beauftragter der ECA(EinkaufsCityAltona), einer Lobbygruppe Altonaer Firmen - nein, nicht der kleinen. Das Lokal Klippkroog ist zwar neu, in denselben Räumen gab es früher einen ital. Lokal. Die meisten Geschäfte, von denen Fr. Meir so angetan ist, zogen vor 4 Jahren in das benachbarte Forum Gebäude, das mit Subventionen der Stadt Hamburg renoviert wurde, z.B. die "Kulturetage" mit 1 Mill. und Mietsubventionen usw..

      Dort ist vor 4 Jahren auch die "Altonale Gmbh" eingezogen. Die Karstadt Filiale hatte schwarze Zahlen geschrieben, doch ein selten ungünstiger Mietvertrag hatte den Mietpreis an den Umsatz gekoppelt - und Hr. Middelhof war damals Karstadt Chef. Das wars dann für Karstadt in Altona. In der Folge wollte ein Hamburger Oberbaudirektor das Frappant Gebäude "wegbomben" lassen, so erregt waren die Gemüter ob der vielen Zeitungsenten vom "häßlichsten" Gebäude Hamburgs usw. .Ikea selbst wollte lieber an der Behringstraße, in Autobahnnähe, bauen, doch die Altonaer Lobbyisten - allen voran in Cdu und Spd, mit freundlicher Unterstützung der Grünen waren hilflos und sich einig, das Frappant muß weg.

    • @Ex Altonaerin:

      Was meinen Sie denn jetzt konkret?

  • Jedes Unternehmen will doch wachsen,

    mehr verkaufen, mehr verdienen, größer werden. Jedes. Kann man doch also Ikea nicht vorwerfen.

    Und solange Menschen bei Ikea eine gute Arbeit haben, spricht doch nichts dagegen. Leider wird hier nicht erwähnt, wie viele Menschen bei Ikea-Altona arbeiten und wie ihre Arbeitsbedingungen sind. Aber die Arbeitswelt der "normalen" Arbeitnehmer hat die braven Öko-Bürger ja leider noch nie interessiert.

  • Ewig dieses Gemecker über Konzerne die uns allen Gutes tun wollen: IKEA muss bei all seinen Schwierigkeiten durch die Allgemeinheit und den Fiskus besonders unterstützt werden! Zum Glück klappt das auch:

    Zahlst du noch oder verschiebst du schon?

    http://www.attac.de/ikea

    Rätselst du noch oder blickst du schon durch?

  • "Weil sie so viel Verkehr mit sich bringen und die Umgebung verschandeln, findet man sie bislang an Autobahnen in irgendwelchen Randlagen. Nicht aber in der Stadt." Der Autoverkehr ist doch gerade einer der großen Kritikpunkte an den Super-, Bau- und Möbelmärkten auf der "grünen Wiese". Nun wird in der Stadt gebaut und es ist auch nicht richtig.

    • @Christian_72:

      Genau - der Artikel stellt die Argumentation auf den Kopf. Viele Leute kommen mit dem Auto, weil die Märkte auf der grünen Wiese stehen und mit dem Auto sehr gut und sonst aber kaum erreichbar sind. In Altona werden dann die Ivars etc. einfach ein paar Blöcke zu Fuss nach Hause getragen - und wenn Ikea dann auch in Altona keine Gratisparkplätze anbietet, werden die Autofahrer_innen weiterhin nach Schnelsen fahren, während die anderen bequem um die Ecke einkaufen können.

  • Positiv ist, dass das hässliche Karstadt-Taubenklo endlich abgerissen wurde.

     

    Ob sich besserverdienende Familien ausgerechnet durch Ikea an die Grosse Bergstrasse locken lassen, darf man wohl bezweifeln. Die ziehen ja auch nicht gerade wegen des Hafens mit seiner Lärmbelästigung und den reichlichen Schiffsabgasen an die Elbchaussee.

  • Sehr geehrte Frau Kaiser, der Artikel ist geradezu erschreckend, weil die Expansionsgelüste von Ikea einfach nicht mehr nachzuvollziehen sind und weit über das Gebaren eines normalen Kaufhauses hinausgehen. Es wirkt grössenwahnsinnig! Einzig Ihre Wortwahl bei "...und in eine Großwohnsiedlung deportiert." halte ich für fehl am Platze, da das Wort "Deportation" heute nicht mehr aus dem Kontext der Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern zu lösen ist. Selbst bei der Verdrängung von Menschen aus ihren Wohngebieten sind diese nicht der Vernichtung durch staatliche Organe ausgesetzt. Durch den Fehlgriff bei der Wortwahl wird der eigentliche Skandal zur Nebensache. Das finde ich schade.

    • @Lesebrille:

      "Deportation (lat. deportare „wegbringen“, „fortschaffen“) ist die staatliche Verbringung von Menschen in andere Gebiete. Sie erfolgt auf staatliche Anordnung, die sich auf das geltende Recht des durchführenden Landes bezieht. Deportationen dienen dem Antritt von Strafmaßnahmen, der zwangsweisen Unterdrückung von politischen Gegnern oder der Isolierung von ethnischen Minderheiten. Sie sind mit Teil- oder Totalverlusten von gesetzlichen Rechten der Deportierten verbunden." (Wikipedia)

       

      Wenn man sich die gesamte Entwicklung um den Ikea-Bau in Altona anschaut, ist "Deportation" der durchaus zutreffende Begriff.

      • @Rainer B.:

        Auch ich habe vorher vorsichtshalber gegoogelt. Und Sie beantworten sich den Grund meines Posts selbst. Weder war es eine "Strafmassnahme", noch eine "Unterdrückung politischer Gegner", noch einer Isolierung ethnischer Minderheiten". Von einem Fehlen eines "Teil- oder Totalverlust{es] gesetzlicher Rechte" ganz zu schweigen. Selbstverständlich konnten die Verdrängten den Klageweg eingehen (ob sie deshalb Recht bekamen steht auf einem anderen Blatt). Dennoch sollten Sie nicht nur den ersten Satz der Wiki anwenden... .

         

        Deportation ist immer noch in anderen Zusammenhängen zu verstehen. Dass Verdrängung alles andere als nett ist und gesamtgesellschaftlich überdacht werden sollte, bevor das zu einem nicht endenden "Karussell" wird, ist - denke ich - jedem klar. Aber falsch verwendete Begriffe können nicht selten einen ganzen Artikel diskreditieren und das finde ich schade.

        • @Lesebrille:

          Dass Deportation heute sehr viel subtiler vonstatten geht als früher, ändert nichts am Ergebnis und der Begriff wird schließlich vom Ergebnis her definiert.

          Unternehmen wie IKEA bedienen sich dieses Staates und seines Rechtssystems nach Belieben. Die haben ganze Abteilungen von eigenen Anwälten. Dem türkischen Kleinkrämer sind da von vorneherein nur sehr enge Grenzen gesetzt. Was glauben Sie wohl, warum bislang organische Kleinstrukturen in diesem Land praktisch immer künstlichen Großstrukturen weichen müssen? Ohne Deportationen wäre das gar nicht durchführbar. Wer da ein Ungleichgewicht erkennt - und dazu gehören Sie ja offenbar auch - und dies nicht länger hinnehmen will, muss die Dinge schon wenigstens auch beim Namen nennen.

  • Das das System Ikea zieht sieht man daran das andere Unternehmen wwie wild in seiner Nähe Geschäfte eröffnen möchten.

    Außerdem, wenn später einmal die Welle zurück in die Stadt, bedingt durch den demografischen Wandel und steigende Energiepreise, kommt wedrn sich die Menschen vor Ort noch freuen diese Geschäfte zu haben.

    Eigentlich haben es ja zur Zeit Kaufhäuser schwer sich gegen den Internethandel zu behaupten.

    IKEA folgt hier einer Strategie die langfristig gedacht Erfolg haben wird.

    Und die Mieten sind noch lange nicht am Ende der Fahhnenstange. Da ist noch reichlich Luft nach oben. Den Berlinern und Hamburgern empfehle ich mal nach Frankfurt/M und München zu schauen.

    • @Leserin1:

      Klar! Das hat ja schon mit Karstadt an gleicher Stelle so super funktioniert. Fragt sich nur, wer in 15 Jahren genug Geld haben wird, den Dreck dann wieder abzureißen.