Nach dem Unabhängigkeitsreferendum: Das Königreich wird föderaler
Premier Cameron verspricht allen Landesteilen ein größeres Mitspracherecht. Die Engländer haben bislang aber noch gar kein Regionalparlament.
DUBLIN taz | Nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum in Schottland hat Großbritanniens Premierminister David Cameron allen Landesteilen mehr Selbstständigkeit versprochen. „Die Menschen in Schottland werden mehr Entscheidungsgewalt über ihre Angelegenheiten haben. Daraus folgt, dass die Menschen in England, Wales und Nordirland genauso mehr Mitspracherecht in ihren Angelegenheiten haben müssen“, kündigte Cameron am Sonntag auf Facebook an.
Vor der Entscheidung der Schotten über ihre Unabhängigkeit hatte Cameron ihnen versprochen, Kompetenzen von London nach Edinburgh zu verlagern, und damit großen Ärger in seiner konservativen Partei ausgelöst. Viele englische Politiker argumentieren, dass in diesem Fall schottische Abgeordnete im Unterhaus nicht mehr über englische Gesetze bestimmen sollten.
Die sogenannte West Lothian Question bezeichnet das Problem, dass schottische, walisische und nordirische Unterhausabgeordnete bei Angelegenheiten mitbestimmen können, die alleine England betreffen. Englische Abgeordnete dürfen hingegen nicht mitreden, wenn es um Punkte geht, die nur in den anderen drei Ländern des Vereinigten Königreichs gelten.
Cameron plant offenbar, lediglich englischen Abgeordneten bei englischen Fragen Stimmrecht zu gewähren. Damit versucht er, seine eigenen Hinterbänkler zu beschwichtigen, die ihm vorwarfen, den Schotten im Vorfeld des Referendums viel zu viel versprochen zu haben. Weniger hätte auch ausgereicht, um Schottlands Austritt aus dem Vereinigten Königreich zu verhindern, argumentieren sie.
Englische Abgeordnete nur für englische Fragen
Was die Tory-Hinterbänkler beruhigen soll, bringt die Labour Party auf die Palme. Labour-Chef Ed Miliband warf Cameron vor, übereilt zu handeln. Er hat allen Grund, besorgt zu sein: Sollte Labour die britischen Parlamentswahlen im Mai gewinnen, könnte Miliband als Premierminister ohne die Stimmen der schottischen und walisischen Labour-Abgeordneten praktisch kein Gesetz gegen den Willen der Tories verabschieden, das allein England betrifft. Es entstünde die absurde Situation, dass er zwar Premierminister des Vereinigten Königreichs wäre, aber Schotten, Waliser und Nordiren ihre Angelegenheiten weitgehend selbst regeln, während England de facto von den Tories regiert würde.
Vorerst hat er seinen ehemaligen Außenminister William Hague beauftragt, bis Ende November einen Katalog mit allen Optionen vorzulegen. Im Januar soll das entsprechende Gesetz dem Unterhaus vorgelegt werden, die zweite Lesung ist jedoch erst für den 27. März geplant. Das bedeutet, dass sich vor den britischen Parlamentswahlen im Mai nichts verändern wird, wie der schottische Premierminister Alex Salmond anmerkte.
Sturgeon als neue Premierministerin?
Salmond war noch am Freitag zurückgetreten. Er hat die schottische Politik in den vergangenen zehn Jahren dominiert wie kaum ein anderer vor ihm. Mit populistischen Reden und Programmen gelang es ihm, die SNP 2007 zur stärksten Partei zu machen. Salmond wurde Premier einer Minderheitsregierung.
„Die vergangenen sieben Jahre als Premierminister Schottlands waren das Privileg meines Lebens“, sagte Salmond am Freitag. „Man muss aber erkennen, wann es Zeit ist, jemand anderem die Gelegenheit zu geben, die Dinge vorwärts zu bewegen.“ Es sei eine Situation voller Möglichkeiten, fügte er hinzu, Partei, Parlament und Land können von einer neuen Führung profitieren.
Salmond wird auf dem Parteitag der Scottish National Party (SNP) im November nicht mehr kandidieren. Es gilt als sicher, dass seine Stellvertreterin Nicola Sturgeon, die bei der Referendumskampagne eine prominente Rolle spielte, zur Nachfolgerin gewählt wird. Da die SNP im schottischen Parlament über eine absolute Mehrheit verfügt, würde sie automatisch Premierministerin. „Ich kann mir kein größeres Privileg vorstellen, als Alex Salmond auf den Posten als Parteichefin und Premierministerin zu folgen“, sagte sie.
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