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Präsidentschaft in Tschechien„Fotze hier, Fotze da!“

Mit vulgärsten Ausdrücken in einem Live-Radio-Interview schockiert Staatschef Milos Zeman seine Landsleute. Hat er die Kontrolle verloren?

Recht deftige Ausdrucksweise: Staatspräsident Milos Zeman. Bild: reuters

PRAG taz | „Fotze hier, Fotze da“, ertönte es vergangenen Sonntagnachmittag zur besten Sendezeit und live aus dem Äther des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunks. Nein, der berichtete nicht aus Prager Gossen. Sondern aus dem Schloss Lany, dem Landsitz des tschechischen Präsidenten.

Dort wollte der derzeitige Hausherr mit den „Gesprächen aus Lany“, einem vierteljährlichen Live-Radiointerview, eigentlich an die Zwischenkriegstradition der ersten Tschechoslowakischen Republik und ihres präsidentiellen Übervaters Tomas Garrigue Masaryk anknüpfen.

Doch wer am Sonntag in Achtung dieser Tradition das Radio eingeschaltet hatte, wurde von Zeman mit einem Vokabular bedacht, das selbst in böhmischen Bierschwemmen der fünften Kategorie an Vulgarität kaum zu überbieten war.

Zumindest der tschechischen Regierung gegenüber ließ der Präsident noch sprachliche Milde walten. Die habe eine Gesetzesreform „versaut“, erklärte Zeman, von dem nie jemand, der nur ansatzweise mit dessen Stil vertraut ist, diplomatisches Feingefühl erwartet.

So richtig im Dreck zu wühlen begann Zeman aber erst, als das Interview Richtung Ukraine umschwenkte. Schon lange verteidigt Zeman die Haltung Russlands. Den Ukrainekonflikt tat Zeman mit dem Satz ab: „Ich glaube Außenminister Lawrow, dass in der Ukraine keine russischen Soldaten sind.“

Zemans rektaler Alpinismus gegenüber Putin, den er mit wirtschaftlichen Interessen Tschechiens in Russland begründet, wohin etwa 5 Prozent des tschechischen Exports gehen, erfuhr dieser Tage aber einen herben Rückschlag. Ausgerechnet die Mädchenband Pussy Riot, einst von Putin ins Arbeitslager verfrachtet, erhielten den diesjährigen Václav-Havel-Menschenrechtspreis.

Warum Nutten unterstützen?

Grund genug für Landesvater Zeman, aufklärerisch zu wirken: „Wissen Sie, was Pussy heißt“?, fragte er den Radio-Chef, der das Interview führte. „Fotze“, beantwortete Zeman seine Frage gleich selbst. Das Wort gefiel ihm offensichtlich so gut, dass er es wiederholen musste. Die Texte von Pussy Riot bestünden ja nur aus „Fotze hier, Fotze da“, erklärte Zeman. Warum sollte er solche Nutten unterstützen?

Auf die Frage nach seiner vulgären Wortwahl antwortete der Präsident wie ein Staatsmann: „Da bin ich inspiriert von Schwarzenberg (Zemans Rivale bei der Präsidentschaftswahl 2013, Anm. d. Red.), der sagt in jedem zweiten Satz „Scheiße“.

Während einige, meist Eltern, die am Sonntag mit ihren Kindern die „Gespräche aus Lany“ gehört hatten, erst langsam aus ihrer Schockstarre erwachen, quellen die sozialen Netzwerke von Witzen, Häme und satirischen Videos über Zemans neuestes Meisterstück über.

Bleibt die Frage, ob sich der Präsident selbst nicht mehr unter Kontrolle hat – eigenen Angaben zufolge trinkt er täglich mindestens sechs Gläser Wein und drei Schnäpse – oder ob hinter seiner Vulgarität Kalkül steckt. Den Unmut eines großen, kritisch denkenden Teils der tschechischen Bevölkerung hatte sich der Präsident bei seiner China-Reise vor zwei Wochen zugezogen. Dort beteuerte er erst, wie sehr er die Ganzheitlichkeit Chinas anerkennen würde.

Im Privatjet nach Hause

Dabei trat er nicht nur das Vermächtnis Václav Havels mit Füßen, der hatte sich immer wieder für Tibet starkgemacht hatte, sondern auch das Selbstverständnis der tschechischen Außenpolitik. Dieses hatte in der Tradition Havels stets darin bestanden, auch die Wahrung von Menschenrechten in den diplomatischen Alltag mit einfließen zu lassen.

Im chinesischen Fernsehen posierte Zeman mit einer Figur des Kleinen Maulwurfs und sagte, er sei nach China gekommen, um zu lernen. Und dann flog der „Präsident der unteren Zehntausend“ mit dem Privatjet des reichsten Tschechen, Petr Kellner, zurück nach Prag.

Inzwischen braut sich in Tschechien was zusammen. Für den 17. November, den 25. Jahrestag der Samtenen Revolution, ist in Prag eine Demonstration gegen den Präsidenten geplant. Auf Facebook haben sich über 3.000 Teilnehmer angemeldet. In Tschechien, wo der Präsident als sakrosanktes Staatssymbol gilt, kommt das fast einer neuen Revolution gleich.

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24 Kommentare

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  • TAZ = BILD = Traurig aber wahr. Die Kinder die da geschockt worden sein sollen, sind viel härteres aus dem INet gewohnt. Auch wnn wir das nicht mögen. Putin ist frei gewählt worden. Bis heute hat das kein Politiker bei uns bestritten. Und was die puss roit betrifft, er sich Fotze nennt und sich als Vandale auffährt sollte auch so bezeichnet werden. Das hat mitPutin NICHTS zu tun.

  • Die Präsidentengrippe grassiert allenthalben

  • Ich glaube, die haben im Osten auch Fachkräftemangel. So schlecht wie der Typ aussieht, könnte er auch ein Alkoholproblem haben.

  • Die Wortwahl ist doch ok, pussy riot heißt ja auch übersetzt "Fotzenkrawall".

    Kritikwürdig ist natürlich das Verständnis für autoritäre und diktatorische Systeme.

  • Das sollen die Tschechen mal alleine regeln.

     

    Ich warte mal ab, wann sich Gauck im Sinne der Überschrift so zu der Frauenquote in Vorständen äußern wird.

  • niemand hat diese "künstlerinnen" gezwungen einen derart vulgär zu verstehenden namen anzunehmen. jetzt, wo ein politiker dies thematisiert heulen die deutschen medienwauwau's auf. hier wird ursache und wirkung verwechselt. haltet mal den ball schön flach.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Mit vulgären Ausdrücken macht man sich beim zahlenmäßig überlegenen Pöbel beliebt. Populismus ist ja auch in 'Schland die Methode für Lösungsfreie Machtpolitiker, um die Wahlen zu gewinnen.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Wenn Politiker sich klar und deutlich ausdrücken, ist das nicht verachtenswert, sondern goldrichtig. Natürlich kommt es darauf an, dass sie auch das richtige so klar und deutlich ausdrücken (Pussy Riot hat sich danebenbenommen) und das richtige tun. Ob letzteres zutrifft, also ob dieser Politiker ein guter oder schlechter Politiker ist, das wissen wohl die Tschechen besser als ich, aber an seiner Ausdrucksweise habe ich in diesem konkreten Falle nichts auszusetzen.

  • ah, aber da schau ich aber! endlich jemand, der die dinge beim namen nennt.

    'pussy' heisst ja wirklich 'fotze', nicht miezekatze... die 'mädchenband' pussy-riot' kam auch nicht in den knast, weil sie putin beleidigt hätte, sondern während einer orthodoxen messe in der kirche den patriarchen von moskau als hund & sau beschimpfte, auf den boden urinierte & ähnliches als performance betrieb...(und dafür kriegt man jetzt einen havel-preis? na, servas!) ich meine, nix gegen kunst-aktionismus...aber, probiert das erstmal bei den kommenden feierlichkeiten zum 09. november in einer deutschen kirche - ihr werdet froh sein können, da wieder lebend rauszukommen. putin hat die beiden zur olympiade begnadigt und freigelassen, nebenbei bemerkt.

    ...

    und was lesen wir gleich danach? wegen dieser unglaublichen entgleisung sind gleich massenkundgebungen in prag geplant! so a la maidan in kiew? mit echten deutschen hooligans auch... ?und tschechischen nazis ? und alles nur, weil der arme zeman nicht auf befehl der EU und der deutschen protektoratsherren die idiotischen sanktionen gegen russland befolgen will?

    der taz-reporter als sitten-wauwau (und pogrom-einpeitscher in einem): schäme er oder sie sich!

    • @Fritz Gessler:

      "ich meine, nix gegen kunst-aktionismus...aber, probiert das erstmal bei den kommenden feierlichkeiten zum 09. november in einer deutschen kirche - ihr werdet froh sein können, da wieder lebend rauszukommen."

       

      Das spräche dann aber nicht für Putin, sondern gegen die Kirche. Aber ist ja auch wurscht. Pussy Riot (wie auch Femen) setzen auf Provokation. Daß man heutzutage derartig krasse Mittel anwenden muß, um überhaupt noch zu provozieren, macht nur die ganze Abstumpfung der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts deutlich.

       

      Von diesen beiden Gruppierungen könnten übrigens deutsche "Feministinnen" noch was lernen, denen es nur darum geht, endlich auch an die Privilegien der Management-Etagen ranzukommen.

      • @Dudel Karl:

        "Daß man heutzutage derartig krasse Mittel anwenden muß, um überhaupt noch zu provozieren, macht nur die ganze Abstumpfung der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts deutlich."

         

        Ja, einerseits. Andererseits könnte man es auch Liberalismus oder Freiheit nennen, in jedem Fall etwas, wofür seit dem späten 17. Jh. in Westeuropa gekämpft wurde.

        Ich teile Ihre Ansicht in diesem Punkt nicht. Provokation ist ja nur sekundär Selbstzweck. Man kann sich immer noch entscheiden, ob einem eine spezifische Form(oder auch Inhalt) dann nicht doch zu blöd ist - wobei ich hier im Allgemeinen spreche, nicht über den konkreten Fall. Ich kann nicht beurteilen, wie "nötig" und progressiv derartige Mittel in Russland sind. Hier fände ich es eher unnötig respektlos, da damit nichts gewonnen werden kann (außer eben jetzt, durch den Fall in Russland, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Reaktionen der verschiedenen Kirchen und Staatsmächte aufzuzeigen).

    • @Fritz Gessler:

      "Pussy" wird am besten mit "Muschi" übersetzt und hat damit auf deutsch und auf englisch die gleiche Doppelbedeutung!

    • @Fritz Gessler:

      Sie meinen also, wer in die Kirche uriniert und den Popen mit Sau betitelt, gehört zurecht 2 Jahre in den Knast.

      Da hatte Putin mit der Begnadigung ja echt ein großes Herz für Pussys.

      • @lions:

        Ja, er hat ein mildes Herz für seine Agenten Provokateure, die den Auftrag brav erledigt haben.

        • @Gregor Hecker:

          Aha, es war ein politisches Urteil. Ist nur nicht darin als solches benannt wurden; Vll. aus vermeintlichen Gründen, wie Ihren.

          • @lions:

            Wenn es ein "politisches Urteil" war, dann hat Putin gewonnen, indem er in einem Spektakel Klitoromanie mit Politik vertauschte und verkaufte.

             

            "F.tze" wurde Politik, wie der tschechische Präsident meint.

            • @Gregor Hecker:

              Offenbart aber eben, dass unter einem Vorwand, Erregung öffentlichen Ärgernisses und Beleidigung, verurteilt wurde, um ein politisches Ziel zu erreichen - die anti-westliche Proklamation und Einschüchterung russ. Oppositioneller.

              Verurteilung unter einem Vorwand - Rechtsstaatlich ist das dann doch nicht,

              doch ich bin mir bewusst, was den Putin so beliebt macht; In ersehnter Opposition zum allmächtigem Westen gesteht man seinem Führer so manche Schwindelei und Trickserei zu und schießt in Richtung Scheißhaufen, ohne zu merken, dass man selbst auf einem steht.

    • @Fritz Gessler:

      Pussy ist u. a. das englische Wort für eine weibliche Hauskatze.

  • Es gibt eben nicht nur in Deutschland einen Präsidenten, der seine Klappe nicht mehr im Griff hat.

  • Von einem Präsidenten erwartet man ja normaler weise eine andere Wortwahl. Aber vielleicht hat er sich ja nur aufgeregt, dass dass Andenken Václav Havels durch die Preisverleihung an eine drittklassige Pöpeltruppe beschmutzt wurde.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Es darf angenommen werden, daß Vaclav Havel als Fan von Frank Zappa und - wenn ich mich nicht irre - auch Punk lieber Pussy Riot als Milos Zeman mit dem nach ihm benannten Preis bedacht gesehen hätte.

      • @Dudel Karl:

        Václav Havel kannte durchaus den Unterschied zwischen Kunst und rumpöpeln.

  • Auch in der "F.tze" des tschechischen Präsidenten findet man Putin. Was für eine Welt.

    • @Gregor Hecker:

      Fratze?