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Türkisches Gericht verurteilt ErdoganSchwere seelische Schmerzen

Der Bildhauer Mehmet Aksoy hat den Staatspräsidenten und früheren Ministerpräsidenten wegen Beleidigung verklagt – und gewinnt vor Gericht.

Erdogan ein Dorn im Auge: Die Statue „Friede und Brüderlichkeit“ an der armenischen Grenze – bei ihrem Abriss. Bild: dpa

Es gibt noch Richter in der Türkei. Mehmet Aksoy, einer der bekanntesten Bildhauer des Landes, hat es geschafft, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erfolgreich zu verklagen. Ein Gericht in Istanbul befand den heutigen Staatspräsidenten und früheren Ministerpräsidenten Erdogan der Beleidigung von Mehmet Aksoy für schuldig.

Wegen schwerer seelischer Schmerzen, die Erdogan dem Künstler zugefügt hat, wurde er verurteilt, ihm 10.000 Lira, das sind umgerechnet 3.500 Euro, Kompensation zu zahlen.

Nun sind 3.500 Euro für den milliardenschweren Erdogan sicher kein Problem und für Mehmet Aksoy keine echte Entschädigung für den Verlust, den Erdogan ihm und der Kunst in der Türkei zugefügt hatte, aber dennoch hat die Entscheidung einen hohen symbolischen Wert.

Einmal, weil Erdogan seit Jahren reihenweise unliebsame Journalisten und Künstler wegen Beleidigung verklagen lässt und so versucht, seine Kritiker einzuschüchtern, was ihm leider allzu oft gelingt. Zum Zweiten, weil es gerade in der Auseinandersetzung mit Mehmet Aksoy um einen exemplarischen Übergriff des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan auf die Freiheit der Kunst geht.

Versöhnungsdenkmal abgerissen

Aksoy hatte vor Jahren im Auftrag der damaligen Stadtverwaltung der nordosttürkischen Stadt Kars, die nahe an der armenischen Grenze liegt, ein großes, weithin sichtbares Denkmal errichtet, das zur Aussöhnung mit den armenischen Nachbarn anregen sollte. Das Denkmal zeigte zwei Menschen, die zur Versöhnung aufeinander zugehen. Das Kunstwerk war so groß, dass man es auch von jenseits der Grenze aus Armenien sehen konnte.

Als Erdogan bei einem Besuch in Kars das Denkmal sah, bezeichnete er das Kunstwerk öffentlich als widerlich und monströs. Der Kunstkritiker im Amt des Ministerpräsidenten sorgte dafür, dass das Versöhnungsdenkmal in Kars innerhalb weniger Monate zerlegt und abgerissen wurde, obwohl Mehmet Aksoy von der gesamten türkischen und vereinzelt auch internationalen Kunstszene unterstützt wurde.

In seiner Verzweiflung verklagte er Erdogan wegen Beleidigung. Jetzt geschah das völlig Unerwartete. Nicht nur, dass die Klage von einem Gericht angenommen wurde, Mehmet Aksoy bekam tatsächlich recht. Offenbar hat Erdogan doch noch nicht alle seine Kritiker vollständig einschüchtern können.

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4 Kommentare

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  • Nun darf man natürlich auf die Halbwertszeit des Urteils warten, wobei entweder der/die Richter/in amtsenthoben oder in die tiefste Provinz strafversetzt werden. Oder das Urteil wird flugs von einer höheren Instanz kassiert. Ich denke, das wird nicht lange auf sich warten lassen.

  • Schade, dass erdogan nicht (Staats-)Mann genug sein wird zu kapieren, dass dieser richter ihm einen riesigen Gefallen getan hat. Der Mann hat der staunenden Welt bewiesen, dass die Türkei unter Erdogan doch noch nicht ganz ist wie Syrien unter dem IS.

    • @mowgli:

      das zu sehen sollte es eigentlich keines solchen urteils bedürfen...

    • @mowgli:

      Soviel ich weiß war es kein Richter sondern eine Richterin.