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Kommentar LohnungleichheitDer „unerklärbare“ sexistische Rest

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Frauen verhandeln nicht schlecht, sie werden schlecht bezahlt. Das muss transparent gemacht werden, bis sie als vollwertig anerkannt werden.

Frauen lernen, sich besser durchzusetzen: beim Boxen wie bei Lohnverhandlungen. Bild: dpa

E s kann jede treffen. Ob sie nun ein großes Forschungsinstitut leitet oder im Werk Sohlen an Sandalen klebt. Bekommt sie zufällig einmal mit, was ihr männlicher Vorgänger verdient oder der Kollege am Nebentisch, dann ist das Erstaunen oft groß. Im Durchschnitt bekommen Frauen für die gleiche Tätigkeit im gleichen zeitlichen Umfang 8 Prozent weniger Lohn als Männer. Das ist der „unerklärbare“ Rest der Lohnlücke, nachdem man berücksichtig hat, dass Frauen öfter in Teilzeit, in schlecht bezahlten Berufen oder auf den unteren Rängen arbeiten. Genau gleiche Arbeit – weniger Lohn.

Wie kommt das zustande? Die Frauen verhandelten ihren Lohn schlecht, heißt es dann oft. Man hört aber auch anderes: Männer bekommen oft schon ein höheres Gehalt angeboten, ganz ohne ihr fantastisches Verhandlungsgeschick. Zufällig sind sie in eine andere Gruppe einsortiert, bekommen Zulagen oder gelten einfach als wertvoll. Und weil man übers Gehalt praktischerweise nicht spricht, blüht diese Bevorzugung im Verborgenen weiter vor sich hin.

Dass hier Transparenz einkehren soll, ist heilsam. Denn alle diejenigen, die sagen: Der Mann ist aber wertvoller, besser, schneller oder klüger, die müssen das nun rechtfertigen – und zwar nicht nur mit ihrem Gefühl. Wir kennen Versuche wie etwa den, dass die Einstellungsquoten von Musikerinnen sich verdoppelten, wenn sie hinter einem Vorhang für einen Job vorspielten. Kaum wurde nur noch nach dem Klang geurteilt, wurden plötzlich auch Frauen für gut befunden. Es gibt viele Beispiele für unseren eingebauten Männerbonus. Der kommt daher, dass Frauen lange nicht als vollwertige Arbeitskräfte, sondern nur als Zuverdienerinnen angesehen wurden, und sich nicht in den Vordergrund drängten.

Diese Ordnung ändert sich. Frauen werden präsenter auf dem Arbeitsmarkt sein und Männer sich stärker für ihre Familie engagieren. Aber das wird dauern. Bis dahin tut man gut daran, den Wandel voranzutreiben. Auch durch transparente Lohnstrukturen und die Aufwertung typischer Frauentätigkeiten.

Das Argument der Unternehmer: Es entstehe Unfrieden im Betrieb, wenn alle neidisch schauen, was der Kollege verdient. Alles soll unfair und geheim bleiben, damit sich keiner beschwert? Das kann niemand wollen. Unfrieden entsteht ja nur dort, wo tatsächlich unfair bezahlt wird. Und das ist dann auch gut so.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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18 Kommentare

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  • Einheitslohn für alle. Sonst bekommt der Kollege, der mehr arbeitet und weniger Fehler macht, mehr als die anderen.

  • Der Vergleich hinkt. Für einen Personalchef ist es völlig egal, warum ein Erwerbsbiographie gebrochen ist. Ob jemand wegen Schwangerschaft und Erziehung, Entwicklungshilfe in Afrika oder einfach aus akuter Unlust nicht in seinem Beruf tätig war, ist für ein Unternehmen nebensächlich. Also, wenn Vergleiche, dann bitte zwischen Männern und Frauen mit ungebrochener Biographie. Transparenz bei Gehältern ist dagegen sehr wünschenswert, klappt ja auch im nicht gerade sozialistischen GB.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Die Unternehmen bieten den Männern ein höheres Gehalt und das sogar freiwillig!? Wer glaubt denn sowas? Und den angeblichen Gap von 8% (die Schätzungen oszillieren offenbar zwischen 3 und 9%, welche Zahl ist denn nun verlässlich?) kann ich trotz langjähriger Einsicht in die Entlohnung einer großen Firma nicht bestätigen. Im Gegenteil: die "vorlautesten" Bewerber, egal ob Mann oder Frau, bekamen die höchsten Löhne, nicht die best qualifizierten.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Aha, du hast die Ungerechtigkeit also gesehen. Und was, genau, hast du getan dagegen? Ich meine: Hast du den besser qualifizierten, den fleißigeren, den ehrlicheren wenigstens gesagt, dass sie beschissen werden zugunsten der Großschnauzen? Nein? Das durftest du nicht? Sie hätten dich gefeuert, wenn du es getan hättest? Schau an! Dann ist ja die Idee mit der gesetzlich garantierten Transparenz vielleicht doch nicht ganz so schlecht...

  • Mal ein Gedankenexperiment.

    Angenommen ich habe eine kleine Firma und ich kann Frauen zu 8% günstiger einstellen als Männer.

     

    Hey, ich würde nur Frauen einstellen!

     

    Da die meisten Firmen das nun nicht so handhaben, bedeutet dass entweder die 8% Lohndifferenz stimmen nicht oder Frauen haben eine geringere Arbeitsleistung.

    Und letzteres kann ich wahrlich nicht bestätigen!

  • Wenn die Zahlen so stimmen muss die Frage erlaubt sein, warum überhaupt noch Männer angestellt werden (wenn Frauen für die gleiche Leistung weniger Geld bekommen/verlangen).

     

    Im Endeffekt muss man(n) und frau sich eben umorientieren, wenn das Gefühl der Schlechterstellung besteht - da hilft es nicht zu jammern und auf Politk und Gesellschaft zu warten - Eigeninitiative zählt!

    • @AnZweifler:

      Mal ein Gedankenexperiment: Angenommen, die Welt verfehlt die Klimaziele, Bangladesh geht unter, Hamburg wird geflutet und Deutschland überrannt von Klimaflüchtlingen.

       

      Hey, ich würde mich schwer hüten, weiter viel zu große Autos zu fahren, Flugreisen zu unternehmen oder massenhaft Rinderprodukte zu kaufen.

       

      Da die meisten Leute das nun nicht so handhaben, bedeutet, dass es entweder keinen Klimawandel gibt, oder alle Klimaflüchtlinge sofort erschossen werden. Richtig?

       

      Hm... - ich glaube, mir fällt noch eine andere Erklärung ein: Menschen handeln manchmal unvernünftig. Vor allem, wenn sie falsch erzogen worden sind und/oder nicht ganz fit im Kopf.

       

      Und letzteres hab ich durchaus schon mal erlebt. Zum Beispiel gerade eben hier.

    • @AnZweifler:

      Ach, so ist das, an seinen Gefühlen hat man sich zu orientieren als Frau! Jetzt weiß ich auch, wieso man darauf so dressiert wird! Ist einfach praktisch für den Boss, wenn er den Frauen sagen kann: "Was zickst Du hier schon wieder rum? Kannst Du mir denn beweisen was Du fühlst? Nein? Also dann: Halt deine Klappe und geh an deine Arbeit! Oder verpiss Dich!" So ungefähr geht "Eigeninitiative" deiner Meinung nach, sehe ich das richtig?

  • "Männer sich stärker für ihre Familie engagieren". - Da verschwendet der durchschnittliche Familenvater ein Drittel seines Lebens auf der Arbeit, nur um die Familie zu versorgen und dann kommt sowas... Frechheit. Also mein Motto ist: Hauptsache gesund und die Frau hat einen Job.

  • Hm, der frei verhandelbare Teil eines Gehalts soll transparent gemacht werden, damit ... ja was denn bitte? Das klingt nach Regulierung von Gehältern. Welche Gerechtigkeitslücke soll damit geschlossen werden?

    Das ist doch nur Theaterdonner für die Leserschaft, die daran glaubt. Wer sowas glaubt, glaubt auch, dass die attraktiven Blondine, die den besseren Job bekommt als die graue Maus mit der unvorteilhaften Figur ... oder als der langharige Typ mit den schlechten Zähnen ...

    • @TazTiz:

      Ist doch gar nicht SO schwer zu kapieren: Transparenz bedeutet, dass Männer und Frauen (oder attraktive Blondinen und graue Mäuse oder Langhaarige mit schlechten Zähnen und Bilderbuchkerle) vergleichen können, was sie jeweils bezahlt bekommen für ihre Arbeit. Wenn die Frauen (und andere Benachteiligte) beim Vergleichen feststellen, dass sie für die selbe Leistung weniger Kohle kriegen, können sie sich wenigstens darüber aufregen. Im besten Fall verhandeln sie im Anschluss nach. Da wird nichts reguliert. Da reguliert sich was von selbst.

       

      Zugegeben, in der Theorie funktionieren solche Sachen immer sehr viel besser als in der Praxis. In der Praxis, nämlich, gibt es viel zu viele Leute, die (wie Du) Probleme haben mit dem Sinn-Erfassen - oder mit der Traute. Such's dir aus.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Keine Sorge, da wird nix reguliert. Transparenz bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass der Handelnde zu seinem öffentlichen Handeln steht.

       

      (Das mit der Blondine verstehe ich nicht, da fehlen offenbar relevante Satzteile.)

  • In der Industrie werden Männer als verlässlicher eingeschätzt. Aus Erfahrung. Weil sie das Haupteinkommen ihrer Familien verdienen und deshalb unter größerem Druck stehen, weil sie nicht durch Mutterschaft ausfallen, weil sie belastbarer sind.

    Und das ist keine Ideologie, das sind Erfahrungen der Personalabteilungen renommierter Firmen. Das ist ein Grund für die 8%.

  • Da habe ich (weiblich) gegenteilige Erfahrungen gemacht. Ausser bei meinen zwei ersten Jobs im Beruf (Graphic Designerin, Animatorin, Game Designerin), hatte ich bei allen folgenden Jobs immer bessere Gehaelter als meine maennlichen Kollegen. Ich habe irgendwann einfach gelernt, knallhart und eiskalt zu verhandeln...

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Wie wird das eigentlich bei der taz gehandhabt ?

    • @4225 (Profil gelöscht):

      Da wird dafür gesorgt, dass Männer nicht eingestellt werden... einfach mal googlen "taz Stellenanzeige nur für Frauen"

      • @Kleopatros:

        Das hilft natürlich ein bißchen; die Gehälter bei der taz sollen ja exorbitant sein.

         

        Hihi