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Kommentar Kita-StreikWer bezahlt die Bildungsrepublik?

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Bundesregierung muss der Bildung finanziell die Bedeutung beimessen, die sie ihr rhetorisch verleiht. Mit ein paar Millionen ist es da nicht getan.

Bildung ist eine nationale Aufgabe, also muss sie national finanziert werden. Bild: luxuz::. / photocase.de

E s ist noch gar nicht so lange her, da mussten Eltern in den alten Bundesländern unterschreiben, dass „die Sauberkeitserziehung des Kindes mit Eintritt in die Kita abgeschlossen ist“. Und die meisten Mütter holten ihr Kind um 12 Uhr zum Mittagessen ab. Das ist passé. Die Kitas sind keine Orte der Vormittagsbespaßung mehr, sondern vollwertige Bildungseinrichtungen und ganztags geöffnet. Erst recht seit Inkrafttreten des Kinderförderungsgesetzes vor sieben Jahren und dem Anspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Geburtstag.

Im Vorschulbereich hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Doch die Finanzierung der Kitas funktioniert noch nach dem gleichen Schema wie vor 25 Jahren – die Hauptverantwortung tragen die Kommunen. Und sind damit völlig überfordert. Der Arbeitskampf, den ErzieherInnen und Kommunen derzeit ausfechten, läuft deshalb auf eine Lose-lose-Situation hinaus.

Denn sollten sich die ErzieherInnen und SozialpädagogInnen mit ihren Gehaltsforderungen durchsetzen, kämen auf die ohnehin überschuldeten Kommunen Mehrausgaben von einer halben Milliarde Euro pro Jahr zu. Für mehr ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen, die die Kollegen, die derzeit am Limit arbeiten, entlasten, wäre dann erst recht kein Geld mehr da.

Kurz: Steigende Einkommen müssten die ErzieherInnen mit steigender Belastung bezahlen. Das kann weder im Interesse der Streikenden sein noch im Interesse der Eltern, die noch volles Verständnis für den Streik haben. Und erst recht nicht im Interesse der Kinder.

Die Forderungen der ErzieherInnen und SozialpädagogInnen richten sich daher auch an die Bundesregierung. Sie muss Bildung finanziell die Bedeutung beimessen, die sie ihr rhetorisch verleiht. Es reicht nicht, die Bildungsrepublik zu proklamieren und die Länder und Kommunen dann vor sich hinwursteln zu lassen. Der Bund muss sich dauerhaft und substanziell einbringen – in Kitas und in Schulen. Wie es im Koalitionsvertrag richtig heißt, verbessern Kitas und Ganztagsschulen den Bildungserfolg von Kindern und leisten einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.

Mit ein paar Millionen ist es da nicht getan. Bildung ist eine nationale Aufgabe, sie muss national finanziert werden. Es war richtig, dass Schwarz-Rot 2008 den Ausbau der Kindertagesbetreuung beschlossen hatte. Jetzt möchte man der Koalition das Gleiche zurufen wie seinen Kindern: Bringt zu Ende, was ihr begonnen habt!

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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3 Kommentare

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  • Ich muss Simon Brücken zustimmen, nehme die Situation sehr ähnlich wahr.

     

    Mehr Geld für die Arbeit mit Menschen ist meist eine berechtigte Forderung, viel wichtiger ist aber die Entkopplung von Erwerbsarbeit und Existenzrecht, denn nur so entsteht die Freiheit, die wirkliche Bildung ermöglicht. Siehe auch unseren Offenen Brief zum Streik: http://bgerheinmain.blogsport.de/2015/05/08/kita-streik-offener-brief-an-den-oberbuergermeister-der-stadt-frankfurt-am-main/

     

    Wo wir schon dabei sind: "[inlandsredakteurin Anna Lehmann] studierte Politik und Journalistik in Leipzig und Wroclaw."

    Wie bizarr.

    Sie hat wohl in Breslau studiert, oder auf Polnisch: Wrocław

    Das Bedürftnis, polnische Namen zu germanisieren (sogar wenn die Stadt einen deutschen Namen hat) finde ich nach wie vor abartig.

  • Geht es in unserer "Bildungsrepublik" denn überhaupt um Bildung? Mein Eindruck ist, es geht um Verwahrung und marktkonformität. Die große politische Überschrift scheint mir, dass Eltern arbeiten gehen (können, müssen) und das nebenbei vllt. noch die richtigen Kinder verwertbar gemacht werden. Dass ist aber keine Bildung.

    Wenn wir Bildung und Kinder wie Jugendliche ernst nehmen wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass Bildung immer bedeutet sich zu bilden. Bildung kann nicht erzeugt oder gar erzwungen werden. Für Bildungsprozesse, die auch non- und informelle Bildung einschließen, brauchen wir Bildung abseits von Schule. Dafür brauchen wir Freiwilligkeit und Partizipation. Beides ist im schulischen Zusammenhang nicht oder selten zu finden. In dieser Pseudo-Bildungs-Diskussion werden schlechte Angebote, die sich über die Rechte von Kindern (etwa auf Spiel (=Bildung!) und selbstbestimmte Zeit) hinweg setzen, schlecht finanziert und Kinder im Ganztag aufbewahrt und gleichzeitig Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die Einrichtungen für selbstbestimmte Bildung sind, kaputtgespart. Wenn wir eine streitbare, funktionierende Gesellschaft und Demokratie erhalten wollen (s. aktuelle taz-Berichte zu Bremen), brauchen wir diesen Bildungsansatz. Schule braucht nicht den Ganztag, sondern grundlegende Änderungen im Vormittag. "Wenn im Unterricht Scheitern produziert wird, können noch so professionelle Helfer dies am Nachmittag kaum wieder ausbügeln." (Sturzenhecker)

  • "Wer bezahlt die Bildungsrepublik?"

     

    Am Ende immer die Kinder.