trend 2006: Klima, Katastrophen und Atomgefeilsche
Wie viele Menschen krepierten eigentlich bislang an den Folgen des Super-GAUs von Tschernobyl? Am 26. April 2006 wird es 20 Jahre her sein, dass ein Bedienungsfehler zur bislang größten zivilen Atomkatastrophe führte. Experten schätzen die Zahl der Todesopfer auf 4.000. Doch da beginnt der Streit der Statistiker: Gehören etwa Kinder, die am Tschernobyl-Syndrom – einer speziellen Immunschwäche – leiden und möglicherweise sterben, in die Statistik?
Der Ausstieg aus der Kernkraft steht in Deutschland auch zum Jahrestag von Tschernobyl wieder auf wackligen Beinen. Die CDU argumentiert, dass länger laufende Atomkraftwerke unabhängiger vom Weltmarkt machen. Die SPD will dagegen durch Festhalten am Atomkonsens den Innovationsdruck auf die deutsche Wirtschaft erhöhen. Aber selbst, wenn sofort alle Atomkraftwerke abgeschaltet würden, blieben allein durch die Brennelemente 10.600 Tonnen hochradioaktiven Mülls zu entsorgen. Wie dieser Atommüll für Jahrhunderte sicher gelagert werden kann, ist ungeklärt.
Um den Koalitionsvertrag nicht in letzter Minute zu gefährden, einigten sich SPD und Union für das Frühjahr auf einen Nationalen Energie-Gipfel. Natürlich wird es auch dort um den Atomausstieg gehen. Aber auch die Themen Solar-, Bio-, Windenergie werden die große Koalition beschäftigen: Das erste Jahr der großen Koalition wird voraussichtlich ein solares Wärmegesetz und gestrichene Steuervergünstigungen für nachwachsende Kraftstoffe bringen.
Derweil präsentiert sich die Atomlobby als Klimaschützer: Der Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW vermeldete zum Jahresende 2005, dass die „kohlendioxidfreien Energien fast 40 Prozent des Strombedarfs“ deckten. Energiepolitik ist Klimapolitik: Damit, so der VDEW seien 223 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden worden. O-Ton VDEW: „Den größten Anteil am Klimaschutz lieferte wieder die Kernenergie“. Grüne Energie bringe es nur auf 10 Prozent. Tatsächlich geht es der Union bei der AKW-Laufzeitverlängerung auch um eine bessere Vorsorge zum Klimaschutz.
Klimaextreme haben im vergangenen Jahr weltweit Katastrophen verursacht. Glaubt man der US-Wetterbehörde NOAA, dann wird im Jahr 2006 wenigsten die Hurrikansaison ruhiger verlaufen. Nach Angaben der amerikanischen Wetterforscher hätten extreme Hurrikane angeblich nichts mit der globalen Erderwärmung zu tun. Zahl und Intensität der Hurrikane gehorchten vielmehr einem zyklischen Wechsel zwischen aktiven und ruhigen Phasen. 2005 soll nun der Höhepunkt der aktuellen aktiven Phase gewesen sein.
Die überwiegende Mehrheit der Klimaforscher weist diese Darstellung als unhaltbar zurück. Sicher ist dagegen, dass die Rohstoffpreise weiter ansteigen. Analysten gehen beispielsweise davon aus, dass Benzin zu Beginn der Sommerferien 1,60 Euro kosten wird.
NICK REIMER
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