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Steinmeier zwischen SPD und Merkel

Die Krise im Nahen Osten gefährdet zunehmend auch den Koalitionsfrieden in Berlin. Während die SPD einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen verlangt, erklärt Angela Merkels Regierungssprecher, eine kurzfristige Befriedung bringe nichts

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Martin Jäger ist Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Mann hat in diesen Tagen eine schwierige Aufgabe. Während sein Chef zwischen Kairo, Tel Aviv und Ramallah herumreist, um, wie er sagt, alle Chancen zur Beilegung der Krise im Nahen Osten „auszuloten“, muss Jäger zu Hause in Berlin das Informationsbedürfnis der Medien stillen – und das wachsende Bedürfnis der SPD, also Steinmeiers Partei, nach einer klaren pazifistischen Haltung.

Gestern wurde deutlich, wie sehr diese Wünsche der Strategie des Ministers zuwiderlaufen. Diese sieht im Wesentlichen so aus: erstens größtmögliche Zurückhaltung bei öffentlichen Äußerungen für einen Erfolg der diplomatischen Bemühungen. Zweitens bloß kein Widerspruch zur verständnisvollen Haltung der Kanzlerin gegenüber Israel.

Kaum hatte Jäger in der Bundespressekonferenz angebliche Anzeichen für einen Erfolg von Steinmeiers Mission angedeutet („Es bewegt sich etwas“), wurde er auch schon nach einem aktuellen Beschluss des SPD-Präsidiums befragt, das einen sofortigen Waffenstillstand zwischen Israel und seinen Gegnern gefordert hatte. Einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen. Was nun?

Für einen Moment wirkte Jäger ratlos. Schließlich hatte Regierungschefin Angela Merkel bisher stets verlangt, zunächst müssten die entführten israelischen Soldaten freigelassen und die Raketenangriffe auf Israel eingestellt werden. Gilt das nicht mehr? Steinmeiers Sprecher wurde durch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erlöst, der das Wort ergriff. Er kenne die neue Beschlusslage der SPD noch nicht, sagte Wilhelm. Aber was auch immer die Genossen richtig fänden: Das Ziel der Bundesregierung sei und bleibe „eine dauerhafte Stabilisierung“ der Lage im Nahen Osten. Es bringe nichts, so Wilhelm, wenn man jetzt „eine kurzfristige Befriedung“ der Situation ansteuere und die Kämpfe dann in wenigen Wochen erneut aufflackern würden. Was man brauche, sei eine „dauerhafte Konfliktlösung“ und diese, betonte Wilhelm, müsse „auch die Sicherheitsinteressen Israels lösen“.

Hält der Regierungssprecher die Forderung der SPD nach einem Waffenstillstand ohne Vorbedingungen also für Blödsinn oder gar für schädlich, dumm? So wollte Wilhelm natürlich nicht verstanden werden: „Wir sollten hier keine Gegensätze konstruieren, wo keine sind.“

Das wollte auch die SPD nicht, die betonte, sie unterstütze ihren Außenminister voll und ganz. Nur wobei? Ob Steinmeier Vorbedingungen für eine Waffenruhe richtig findet, blieb offen, sein Sprecher wollte überhaupt möglichst wenige Forderungen und Festlegungen verkünden. „Wir haben die Lage, wie sich darstellt“, sagte Jäger, man müsse „praktisch denken“ und zunächst einmal humanitäre Fragen wie die Hilfe für die Flüchtlinge im Libanon angehen. Außerdem habe das Auswärtige Amt „Sondierungsteams“ nach Beirut und in Syriens Hauptstadt Damaskus entsandt. Die Beamten sollen ihrem Chef heute bei einem Treffen auf Malta von ihren Erkenntnissen berichten.

Der Koalitionsfriede schien zunächst gerettet. Doch neuer Zwist dräut. Schon äußern Koalitionspolitiker unterschiedliche Meinungen, ob sich Deutschland an einer möglichen Friedenstruppe im Nahen Osten beteiligen sollte. Die SPD schloss das gestern nicht aus, Merkel hatte erklärt: „Im Augenblick sehe ich das nicht.“ Steinmeiers Sprecher versuchte sich auch bei dieser Frage als Moderator: Es mache wenig Sinn, über die Zusammensetzung einer solchen Truppe zu diskutieren, wenn noch nicht einmal ungefähr klar sei, welches Mandat sie bekomme.

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