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Tausche Schulbücher gegen Fitnessprogramm

Im Wedding kooperieren einige soziale Einrichtungen und Schulen mit Unternehmen. So entstehen die erstaunlichsten Bündnisse: Kinder organisieren zum Beispiel Betriebsfeste und erhalten im Gegenzug materielle Unterstützung

560 Schüler, davon 85 Prozent mit Migrationshintergrund, ein Drittel aller Schüler sprechen nur schlecht Deutsch: Die Wilhelm-Hauff-Grundschule im Soldiner Kiez im Wedding steht jeden Tag vor einer Herausforderung. Trotzdem gehört sie, da ist sich Schulleiterin Mariechen Aden sicher, „zu den besseren Schulen im Kiez“. Montessori-Klassen, Kunstorientierung, gezielte Sprachförderung in kleinen Gruppen und Integration von behinderten Kindern zählen zu den Förderprojekten. „Wir wollen bessere Bildungsabschlüsse, bessere Deutschkenntnisse und mehr Verantwortung bei den Eltern“, zählt die Direktorin auf.

Dabei setzt sie jetzt auch auf die Deutsche Bank. Durch eine Kooperation des Geldinstituts mit der Schule solle eine „Win-win-Situation“ für beide Seiten geschaffen werden. Die Grundschule bekommt von der Filiale der Bank in der Müllerstraße 25-Euro-Gutscheine für jeden Erstklässler, Schulmaterialien wie Spielgeld sowie Möbel. Im Gegenzug dekorieren Grundschüler ein Beratungszimmer der Filiale. Zudem darf die Betriebssportgruppe der Bank die Schulturnhalle nutzen.

Gestern wurden diese und neun weitere Kooperationen zwischen Wirtschaft und sozialen Einrichtungen vorgestellt. Bereits seit 2002 werden Netzwerke dieser Art nicht nur im Soldiner Kiez, sondern auch in Pankow, Neukölln und Moabit initiiert. „Uns war es wichtig, einen neuen Ansatz zum Thema Sponsoring zu finden“, sagt Dunja Schimmel von der Schimmel & Vehrs Unternehmenskooperationen, die das Projekt initiiert hat. Wenn die Sozialeinrichtungen eigene Angebote präsentieren könnten, werde für die Wirtschaftsunternehmen eine Zusammenarbeit erst schmackhaft.

Auch der Bezirksbürgermeister von Mitte, Joachim Zeller (CDU), lobt die Initiativen. „Das Gute ist, dass wir nicht mit öffentlichen Fördermitteln ranmüssen.“ Im Soldiner Kiez wohnten Familien, die in der dritten Generation von Sozialhilfe leben. „Die können wir über diese Kooperationen wieder ans Berufsleben heranführen.“

In dem Kiez um die Soldiner Straße schmieden sich auf diese Weise die erstaunlichsten Bündnisse: Die Freiwilligenagentur Wedding schult mit ihren Konfliktmanagern die Mitarbeiter des Immobilienmaklers Colliers Geske und bekommt dafür Büromaterialien geschenkt. Die DOCdata Germany stellt Kinderreportern des frisbee-Kindertreffs in der Koloniestraße ihr PR-Know-how zur Verfügung; die Kids organisieren die Betriebsfeste des CD-Fertigers.

Schulleiterin Aden ist jedenfalls von der Kooperation überzeugt und plant weiter. Sie will zusammen mit einem Auktionshaus eine Versteigerung für ihre Schule durchführen. KONRAD LITSCHKO

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