: Hilfe für Fallmanager
Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege kritisiert die Sofortmaßnahmen in der Jugendhilfe. Statt Doppelstrukturen aufzubauen, sollten die Sozialzentren gestärkt werden
von Eiken Bruhn
Vor dem Aufbau von Parallelstrukturen im Amt für soziale Dienste warnt die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (LAG). Die von Bürgermeister Jens Böhrnsen und Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (beide SPD) vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen (taz berichtete) nach dem Tod des Kindes Kevin seien zwar im Kern richtig, sagte gestern Wolfgang Luz, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Einzelne Schritte jedoch kritisierte er als wenig zielführend, beispielsweise den geplanten zentral organisierten Krisendienst, der rund um die Uhr erreichbar sein und bei Kindeswohlgefährdung intervenieren soll.
Sinnvoller sei es, die MitarbeiterInnen in den Sozialzentren in die Lage zu versetzen, sich jederzeit um Kinder und Jugendliche in Not kümmern zu können, sie etwa mit Handies für Bereitschaftsdienste auszustatten. „Wenn etwas nicht funktioniert, muss man das verbessern, anstatt neue Strukturen zu schaffen“, so Luz. Dasselbe gelte für die von Böhrnsen angekündigte Clearingstelle für besonders schwierige Fälle, die ebenfalls zentral organisiert sein soll. Luz forderte die Sozialsenatorin dazu auf, stattdessen den Case-Managern in den Stadtteilen den Rücken zu stärken. „Dort herrscht großer Frust“, sagte Luz, „die Leute haben sich mehr und mehr zurück gezogen.“ Als Grund nannte er die Einsparungen im Sozialbereich, die dazu geführt hätten, Hilfsmaßnahmen nur noch unter finanziellen Gesichtspunkten zu betrachten. „Es geht nicht mehr um Hilfen, sondern um Budgets.“ Alleine das Wort „Case-Manager“ mache ihn wütend.
Das von Böhrnsen geforderte Umdenken im Umgang mit Kindeswohlgefährdung und größere Motivation der SozialarbeiterInnen werde deshalb einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte Gerd Wenzel, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und ehemaliger Abteilungsleiter beim Sozialsenator. „Ich glaube, das stellen sich einige leichter vor, als es ist.“
LAG-Geschäftsführerin Sylvia Gerking beklagte, dass ihr Verband schon seit 1999 auf die Qualitätsverluste im Jugendhilfebereich hinweist, aber weder von Medien, der Verwaltung oder Politikern gehört worden ist. Erst der Tod Kevins habe – zumindest vorübergehend – ein Interesse an dem Bereich bewirken können. Gerking verwies auf eine interne Erhebung, die nur wenige Wochen vor dem Fund der Leiche im Oktober, genau die Probleme im Amt für Soziale Dienste offen legte, die jetzt in aller Munde sind. „Eine Nicht-Entscheidung des Case-Managements verzögert die Hilfeplanung und die Einleitung einer Hilfe und führt zu kindeswohlgefährdenden Situationen (Gewalt, Missbrauch etc.)“, lautet einer der Punkte. Ein anderer: „Fachlich begründete Hilfeplanungen werden aus Kostengründen verworfen.“ Am Montag hatte Helmut Pflugradt (CDU), Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“ seine Überzeugung wiederholt, dass dies in Bremen nicht geschehe.
Selbstkritisch räumte Luz ein, dass die freien Träger „zu wenig Widerstand geleistet“ hätten, wenn es um die Durchsetzung von Sparvorgaben gegangen sei. „Wir standen unter dem Druck, Schlimmeres abzuwehren“, verteidigte sich Luz. Er sagte aber auch: „In Zukunft müssen wir vielleicht sagen ‚nicht mit uns‘.“
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