piwik no script img

kommentarCharakterloser Lafontaine

Wie „terroristisch“ ist der Bund? Wie verrät man das „Vaterland“?

Eine Ahnung davon, was uns weitere Kriegsabenteuer an Diskussionskultur versprechen, gibt uns die jüngste Rezeption der Äußerung Lafontaines, unter Inanspruchnahme seines Rechts auf freie Meinungsäußerung: die Bundeswehr sei, so Lafontaine, in Afghanistan „mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt“. Das ist so schlicht wie wahr, es ist zudem völkerrechtswidrig. Niemand kann das bestreiten, der bei Sinnen ist. Der Kriegsminister Jung selbst hat erst kürzlich an diesem Vorgehen Kritik geäußert.

Wie aber nehmen die Kriegsparteien der großen Koalition Lafontaines Kritik auf? Nicht etwa werfen sie ihm vor, die Afghanen oder die (angeblichen) deutschen Sicherheitsinteressen, die (angeblich) am Hindukusch verteidigt werden, zu vernachlässigen. Nein, sie weisen „das mit Entsetzen zurück“ (Jung), Lafontaine sei charakterlos.

Die Äußerungen zeigten, dass Lafontaine überhaupt kein Verantwortungsgefühl mehr habe. Jungs Vorgänger Struck empfindet für Lafontaines „Lügengebäude nur Verachtung“, denn das sei „ein Schlag ins Gesicht für alle Angehörigen der Bundeswehr“. Pofalla, Merkels Generalsekretär, „empfindet angesichts der in der Truppe zu beklagenden Opfer und dem Leid der Angehörigen nur Verachtung“. Kauder meint, Lafontaine „stelle sich endgültig außerhalb derer, die demokratische Verantwortung zu tragen“ hätten.

FDP-Chef Guido Westerwelle: der Terrorismus-Vorwurf „ist eine Beleidigung für die Bundeswehr, Deutschland und die friedliche Völkergemeinschaft“.

Wir lernen: Wer die Soldaten in sinnlose Händel in Afghanistan verwickelt, ihr Leben riskiert und die Zinksargrückführung in Kauf nimmt, der denkt an die Truppe, beleidigt sie nicht und fühlt mit den Angehörigen der Opfer. Wer weitere Opfer zu meiden sucht, handelt verantwortungslos, verhöhnt die Lebenden und die Toten. Das ist die Vereinnahmung der Öffentlichkeit für Kriegspropaganda, wie wir sie aus Kriegsgesellschaften kennen, aus der Bundesrepublik aber bislang nicht.

JONY EISENBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen