: Frauenknast mit Geschichte
■ Ausstellung über die Geschichte des Frauengefängnisses in der Barnimstraße
Mit der Geschichte des ersten Berliner Frauengefängnisses in der Friedrichshainer Barnimstraße befaßt sich eine Ausstellung, die noch bis zum 4. Dezember in der Reinickendorfer Frauen-Bildungs- und Beratungstelle „Die Füchsin“ zu sehen ist. Die Haftanstalt wurde 1863 als Schuldgefängnis für säumige Schuldner gebaut. 1866 wurde diese Haftform abgeschafft, so daß das Gefängnis leerstand. Männer konnte man hier nicht unterbringen, weil das Gebäude den Sicherheitsbestimmungen nicht entsprach. Für Frauen erschien es jedoch sicher genug.
Somit wurde 1866 in der Barnimstraße das erste Frauengefängnis eingerichtet. Dies fiel zeitlich mit einer verschärften Strafverfolgung von Prostituierten zusammen, die – mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus – die größte Gruppe der inhaftierter Frauen stellten.
Als die Frauenhaftanstalt 1913 vergrößert wurde und der Direktor des Gefängnisses Alexanderplatz sie nicht mehr „nebenbei“ mitbetreuen wollte, wurde nach langen Debatten die erste Gefängnisdirektorin Deutschlands eingestellt. Dabei spielten auch finanzielle Gründe eine Rolle: Einer Frau mußte man nicht soviel bezahlen. Als wohl bekannteste Insassin war Rosa Luxemburg 1915 wegen ihres Engagements gegen den ersten Weltkrieg inhaftiert. Zu den Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs gehörte eine Lehrküche, Unterricht in Säuglingspflege, eine Entbindungsabteilung und Mutter-Kind-Zellen, so daß auch Schwangere und Mütter mit Säuglingen inhaftiert werden konnten. 1943 sollen hier pro Woche zwei bis drei Kinder zur Welt gekommen sein, die den Müttern nach dem Abstillen weggenommen wurden. Wegen der schlechten Verpflegung konnten die meisten Frauen ohnehin nur drei bis vier Wochen stillen. Die Kinder kamen dann zu Verwandten oder in NS- Kinderheime.
298 zum Tode verurteilte Frauen, die hier auf ihre Hinrichtung in Plötzensee warteten, sind namentlich bekannt. Nach dem Krieg wurde das veraltete Gebäude weiter als Frauengefängnis benutzt. Erst 1974 wurde es gesprengt, um Platz für Wohnhäuser zu schaffen. Bei der Finissage der Ausstellung wird am 4. Dezember um 18 Uhr ein Film gezeigt, in dem Zeitzeuginnen über ihre Haft 1933 bis 45 berichten. Andrea Dech
Die Ausstellung ist Dienstag und Donnerstag 10–13 und 16–19 Uhr für Frauen, Donnerstag 19–20 Uhr auch für Männer offen. Ort: Die Füchsin, Tietzstraße 12, 13509 Berlin, Tel 43551125. Bus 125 von U- oder S-Bahn Alt-Tegel oder U Holzhauser Straße.
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