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Arbeitskampf bei der LufthansaEin richtiger Streik

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das Lufthansa-Personal hat wegen der Coronakrise bereits viel Verzicht geleistet. Der Streik ist besonders für die Nied­rig­ver­die­ne­r*in­nen nötig.

Pappschild mit klarer Botschaft: Streikender am Frankfurter Flughafen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

A ls wäre das Chaos an den Flughäfen nicht ohnehin groß genug: Erst warnstreikt Mitte vergangener Woche das Bodenpersonal, nun drohen auch noch die Pi­lo­t:in­nen der Lufthansa mit Arbeitsniederlegung. Und das in der Hauptreisezeit. „Egoistisch“, „maßlos“, „verantwortungslos“ und „unverschämt“ sei das, rauscht es durch die Kommentarspalten der Republik. Mal wieder.

Ob es um einen Flug-, einen Bahn- oder einen Kita-Streik geht: Es ist immer das gleiche große Klagen. Das Verständnis für Arbeitskämpfende endet schnell da, wo man selbst davon betroffen ist.

Sicherlich, in Deutschland mag man am liebsten Arbeitskämpfe wie den bei Amazon, mit dem Verdi seit 9 Jahren vergeblich versucht, den Onlinekonzern zum Abschluss eines Tarifvertrags zu bewegen. Streiken ist aber nicht nur dann ein Grundrecht, wenn das Päckchen trotzdem pünktlich kommt. Tatsächlich war demgegenüber der Verdi-Warnstreik bei der Lufthansa von Mittwoch- bis Donnerstagmorgen höchst effektiv: Von den mehr als 1.000 Flugausfällen waren rund 134.000 Pas­sa­gie­r:innen betroffen.

Selbstverständlich ist das für Sitzengebliebene sehr ärgerlich. Allerdings gilt das auch für die inzwischen weit mehr als 5.000 Flüge, die die Lufthansa von sich aus im Juli und August wegen Personalmangels streicht. Verdi wirft der Kranich-Linie zu Recht Missmanagement auf Kosten von Fluggästen und Beschäftigten vor.

Verzicht auf Lohnerhöhungen, Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgelds, keine vollständige Aufstockung des Kurzarbeitergelds, Verringerung des Arbeitsgeberanteils zur betrieblichen Altersvorsorge: In den Coronajahren 2020 und 2021 haben die Lufthansa-Beschäftigten einen erheblichen Anteil zur Krisenbewältigung geleistet.

Spohrs Eingeständnis

Das reichte dem Management aber noch nicht. Es hat zudem noch massiv Personal abgebaut. Das rächt sich jetzt. Ende Juni hat sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einem Schrei­ben an die Belegschaft entschuldigt, dass es der Vorstand „an der ein oder anderen Stelle“ mit dem Sparen übertrieben habe. Die Führungsetage ist für das Flugchaos verantwortlich, nicht die Gewerkschaft.

Anders als bei den Pi­lo­t:in­nen handelt es sich beim Bodenpersonal nicht um Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen. Mit dem Warnstreik hat Verdi demonstriert, dass auch Beschäftigte mit einem geringen Einkommen einen enormen Wert für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs haben. Wenn das dazu führt, dass mit ihnen künftig besser umgegangen wird, dann hatte der Ausstand seine Berechtigung. Dass es bei Lufthansa-Gesellschaften derzeit immer noch Menschen gibt, die für einen Bruttostundenlohn von unter 12 Euro arbeiten müssen, also unter dem ab Oktober geltenden gesetzlichen Mindestlohn, ist empörend.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • So ist das halt im Kapitalismus. Der Vorstand wird mit +300.000 pro Jahr belohnt, dass Tausende für 30.000 pro Jahr arbeiten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Der Streik ist besonders für die Nied­rig­ver­die­ne­r*in­nen nötig."

    Absolut richtig! Wehrt euch!!!!

  • Hauptsache die Aktionäre stopfen sich die Taschen voll! Darum verstaatlichen. Das ist auch besser für den Klimaschutz

  • "Beschäftigte am Check-in-Schalter verdienen zum Teil weniger als die Frauen und Männer an den Kassen der Lebensmittel-Discounter",

    Was ist denn das für eine Aussage... "zum Teil"? Das kann auch heißen, dass eine 18 jährige ungelernte Berufsanfängerin am check- in weniger verdient als eine 50 jährige Kassieren mit Jahrzehnten Berufserfahrung und einer Ausbildung.

  • "Beschäftigte am Check-in-Schalter verdienen zum Teil weniger als die Frauen und Männer an den Kassen der Lebensmittel-Discounter", schrieb die Frankfurter Rundschau (25.7.22) zum Warnstreik des LH-Bodenpersonals. Unabhängig davon gilt: Arbeitskampfmassnahmen müssen wehtun und sie dürfen auch Chaos erzeugen - sonst verfehlen sie ihre Wirkung.

  • Ich sag zwar: Viel Erfolg dem Arbeitskampf!



    aber dass Touristenmassen in den Urlaub fliegen ist furchtbarer Skandal.

    • @nzuli sana:

      Das ist die herrendeutsche Meinung, wer was zu machen darf.

      Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen. Der grüne Herrenmensch ist das Maß der Dinge.

  • "„Egoistisch“, „maßlos“, „verantwortungslos“ und „unverschämt“ sei das, rauscht es durch die Kommentarspalten der Republik."



    ... und sollten vernünftigerweise an Flugreiseunternehmen gerichtet werden die angesichts der Klimakrise weiterhin massig Flugreisen anbieten und entsprechend Treibhausgase in den Äther blasen. Die meisten Flugreiseunternehmen sollten geschlossen werden und die Beschäftigten Aus/Weiterbildungsmöglichkeiten in ökologischen Wirtschaftsbereichen erhalten - wie bspw. bei Bahn und ÖPNV.



    Dass 1000 Flüge ausgefallen sind, ist ein tolles Signal für Schutz des Klimas und der Existenze von Mensch und Tier. Gerne weiter so!

    • @Uranus:

      Toller Lösungsansatz , was glaubt man was mit dem ticketpreis passiert wenn all die Mitarbeiter aus der Luftfahrt bei der Bahn angestellt werden? Er wird sich mal locker verzehnfachen! So was kann nur ein autofanatiker schreiben, dem was an der vollständigen Vernichtung des ÖPNV was liegt!

      • @Thomas Zwarkat:

        Ich schrieb mit Absicht zum einen nicht nur Bahn sondern auch ÖPNV UND zum anderen "bspw.". Es könnten/sollten wenn dann auch andere Berufe sein. Arbeitskräfte werden u.a. auch in Pflege, Handwerk, Bildungsbereich gesucht/benötigt.

  • Ach, die Manager uns Stakeholder sollen mal nicht so rumjammern.

    LH wird doch sowieso immer wieder mit einer Blutspende von Vater Staat wiederbelebt.

  • Das Missmanagement der Kranich-Linie geht seit Jahren. Man spart am Bodenpersonal, gründet Tochterfirmen, die noch weniger zahlen, und das rächt sich nun.