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Arbeitskampf bei der Deutschen BahnNur ein kurzes Verschnaufen

GDL-Chef Claus Weselsky droht mit neuen Streiks, falls sich die Deutsche Bahn nicht bewegt. Personalvorstand Martin Seiler ruft zu Verhandlungen auf.

Tote Hose war am Mittwoch und Donnerstag nicht nur am Münchner Hauptbahnhof Foto: Peter Kneffel/dpa

Berlin taz | Nach dem Streik ist wohl vor dem Streik. „Entweder es kommt ein verbessertes Angebot auf den Tisch oder wir lassen erneut die Züge in diesem Land stehen“, drohte der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, am Freitag in Berlin. Die Fronten sind weiter verhärtet: Bislang gibt es keine Signale der Deutschen Bahn auf ein Einlenken. „Die Wut der Eisenbahner ist groß“, sagte Weselsky.

Um weiter Druck auf den Bahnvorstand zu machen, werde es zunächst am kommenden Dienstag in der Hauptstadt eine Protestaktion vor dem Bahntower am Potsdamer Platz geben, kündigte der GDL-Chef an. Danach werde seine Gewerkschaft „nur noch eine kurze Zeit verstreichen lassen, um erneut in Arbeitskampfmaßnahmen einzutreten“. Einen konkreten Termin nannte er nicht.

Der Bahnkonzern reagierte mit Unverständnis auf die neue Streikdrohung. „Unsere Reisenden und den Bahnverkehr in der jetzigen Lage weiter mit Streiks zu bedrohen, bringt inhaltlich kein Stück weiter, ist völlig unnötig und überzogen“, ließ sich Bahnpersonalvorstand Martin Seiler in einer Konzernmitteilung zitieren.

Er bot der GDL an, noch an diesem Wochenende die Verhandlungen wieder aufzunehmen. „Um weiterzukommen, müssen sich Tarifparteien zusammensetzen“, so Seiler. Die Deutsche Bahn sei „davon überzeugt, dass wir am Verhandlungstisch kurzfristig Lösungen finden“. Von einem verbesserten Tarifangebot ist in der Mitteilung indes nicht die Rede.

Drei Viertel der Fernzüge sind ausgefallen

Von dem Streik der GDL am Mittwoch und Donnerstag waren mehrere Millionen Fahrgäste betroffen. Im Fernverkehr fuhren nach Bahnangaben nur rund ein Viertel der Züge, im Nahverkehr seien es im Durchschnitt 40 Prozent gewesen, in Ostdeutschland allerdings deutlich weniger. Außerdem hätten rund 300 Güterzüge stillgestanden.

„Die GDL-Spitze hat ihr eigentliches Arbeitskampfziel nicht erreicht“, sagte Bahnsprecher Achim Stauß gleichwohl am Freitag in Berlin. Er begründete das mit einer aus Sicht des Bahnmanagements mangelnden Streikbeteiligung. Schließlich hätten sich von den etwa 20.000 Lok­füh­re­r:in­nen nur gut ein Viertel an dem Ausstand beteiligt.

Eine Rechnung, die GDL-Chef Weselsky so nicht gelten lassen wollte: Zwei Drittel der Lok­füh­re­r:in­nen hätten ohnehin nicht im Einsatz sein können, weil sie entweder Ruhezeiten einhalten mussten, sich im Urlaub befanden oder aus sonst welchen Gründen frei hatten. In dem übrigen Drittel befänden sich etliche Beamt:innen, die nicht streiken dürften.

Wenn dann von dem verbliebenen Rest rund 5.400 Lok­füh­re­r:in­nen beim Streik mitgemacht hätten, sei das „hervorragend gelaufen“. Der Ausstand sei „sehr erfolgreich“ gewesen, konstatierte Weselsky. Das Bahnmanagement versuche vergeblich, den Streik kleinzureden. Unwidersprochen ließ er die Bahnzählung, wonach darüber hinaus rund 1.800 Zug­be­glei­te­r:in­nen sowie lediglich 120 Beschäftigte aus den Wartungs- und Fahrdienstabteilungen an dem Ausstand beteiligt waren.

Die Forderungen der GDL seien „gerecht, rechtmäßig, verhältnismäßig und zulässig“, sagte Weselsky. Es gehe darum, „dass den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern ihre kleinen Betriebsrenten erhalten bleiben und dass sie eine halbwegs vernünftige Einkommenserhöhung in 2021 und 2022 erhalten“. Ihre Tarifmacht würde die GDL „zum Wohle aller Eisenbahnerinnen und Eisenbahner einsetzen und nicht aus Egoismen nur für Lokomotivführer“.

Konkret verlangt die GDL eine Lohnsteigerung um 1,4 Prozent rückwirkend ab April dieses Jahres und noch mal 1,8 Prozent mehr ab April 2022, zudem einen Coronabonus von 600 Euro. Eine vom Bahnvorstand anvisierte Kürzung der Betriebsrente dürfe es nicht geben. Das derzeitige Angebot des Bahnvorstands: eine Nullrunde 2021, ein Lohnplus von 1,5 Prozent ab Januar 2022 und von 1,7 Prozent ab März 2023.

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