Tarifstreit mit der Bahn: GDL kündigt neue Streiks an
Die Gewerkschaft GDL will von Montag bis Mittwoch weite Teile des Personen- und Güterverkehrs lahmlegen. Millionen Reisende werden betroffen sein.

Ab Montag ist wieder mit Einschränkungen zu rechnen Foto: Arne Dedert/dpa
BERLIN taz | Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn (DB) stehen die Zeichen weiterhin auf Konfrontation. Nachdem der Bahnvorstand kein neues Angebot vorgelegt hat, ruft die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erneut zum Streik auf. Von Montag früh bis zum anbrechenden Mittwoch müssen sich Bahnreisende auf massive Ausfälle und Verspätungen einstellen.
Im Güterverkehr beginnt der Ausstand bereits an diesem Samstagnachmittag. „Stillstand bei der Angebotsverbesserung durch das Management der DB führt direkt zum Stillstand der Züge in Deutschland“, gab sich GDL-Chef Claus Weselsky am Freitag in Berlin kämpferisch. Er warf dem Bahnvorstand vor, bislang nur „Scheinofferten“ unterbreitet zu haben und einen „Feldzug“ gegen die GDL zu führen.
Weselsky verwies darauf, dass sich die GDL in den vergangenen Wochen mit Bahnmitwettbewerbern auf genau das verständigt habe, was sie auch von der Deutschen Bahn fordere. Die erzielten Tarifeinigungen orientierten sich an dem Abschluss im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen. Konkret bedeutet das eine Lohnsteigerung um 1,4 Prozent rückwirkend ab April dieses Jahres und noch mal 1,8 Prozent mehr ab April 2022, zudem einen Coronabonus von 600 Euro.
„Erheblicher Nachholbedarf“ bei den Mitbewerbern
Demgegenüber bietet der Bahnvorstand eine Nullrunde 2021, ein Lohnplus von 1,5 Prozent ab Januar 2022 und von 1,7 Prozent ab März 2023.Der von Weselsky vermittelte Eindruck, dass sich die kleineren Eisenbahnunternehmen, mit denen die GDL handelseinig geworden ist, generöser geben würden, lässt allerdings die ungleiche Ausgangsposition unerwähnt. Bei den Mitbewerbern gebe es „einen erheblichen Nachholbedarf “, sagte DB-Personalvorstand Seiler. „Die Lohnstückkosten sind dort rund 10 Prozent geringer als bei uns.“
Übersetzt heißt das: die Konkurrenz zahlt ihren Beschäftigten auch weiterhin signifikant weniger. Seiler war am Freitag etwa eine halbe Stunde nach Weselsky in Berlin vor die Presse getreten. Den angekündigten Streik bezeichnete er als „völlig unnötig“ und „völlig überflüssig“. Ein neues Angebot stellte er nicht in Aussicht. Alles, was es für eine Lösung brauche, liege bereits auf dem Tisch. „Es fehlt einzig und allein an der Verhandlungsbereitschaft der GDL.“ Seiler warf ihr einen „erbitterten gewerkschaftspolitischen Kampf “ vor: „Die GDL möchte in Bereiche vordringen, wo die EVG bereits tarifiert hat.“
Tatsächlich will die GDL inzwischen nicht mehr nur für das Zugpersonal verhandeln, sondern auch für Beschäftigte in der Fahrzeug und Fahrweginstandhaltung, der Netzinfrastruktur sowie in Teilen der Eisenbahnverwaltung, den Hochburgen der konkurrierenden Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG).Für den Fall, dass sich der Bahnvorstand weiterhin nicht bewege, kündigte GDLChef Weselsky weitere Arbeitskampfmaßnahmen an. Dann ließe sich „auch nicht mehr verhindern, dass diese länger und übers Wochenende gehen werden.“
Leser*innenkommentare
Martin_25
Interessant ist, dass der Bahnvorstand entscheiden will, welche Bzahlung ausreichend ist, und damit, ob ein Streik notwendig ist. Wenn sie ihn verhindern wollen, dann müssen sie sich bewegen, 95% der Mitglieder jedenfalls meinten, der Streik wäre notwendig.
Helmut Fuchs
Schade, dass die Aussagen der DB so uneingeordnet bleiben. Ist das, was der Herr Seiler da postuliert, denn die ganze Wahrheit? Was macht denn die Lohnstückkosten aus? Und ich kann mich erinnern, dass es bei vergangenen Streiks bei den Privaten oft auch um Arbeitsbedingungen ging. Da ist ein Satz wie „Übersetzt heißt das: die Konkurrenz zahlt ihren Beschäftigten auch weiterhin signifikant weniger.“ doch ein bisschen dünn. Es geht nicht immer allein ums Geld.
Und versuche des Union Bustings der großen Koalition mit dem unsäglichen Tarifeinheitsgesetz haben doch überhaupt erst den Kampf um Mehrheiten im Unternehmen provoziert, der u.a. von der SPD jetzt beklagt wird.
Und was die Nähe der EVG zur DB AG angeht, könnte bei der taz m.E. auch mehr in die Tiefe gegangen werden: Ich jedenfalls habe Norbert Hansen und die Haltung der EVG zu Börsengang und Stuttgart 21 nicht vergessen. Einen spürbaren Kurswechsel habe ich nicht wahrgenommen.
Bunte Kuh
Ob das gut geht mit dem Streik?
Streik macht doch nur Sinn, wenn man mit dem Arbeitgeber auf gleicher Höhe verhandeln kann. "x % mehr Lohn, oder du kannst deine Produktion vergessen.."
Aber hier? Wenn die Bahn AG schlechte Laune bekommt und viele ihrer Züge nicht mehr selber betreibt, sondern gewinnbringend an Subunternehmer (andere Bahnunternehmen) vermietet?
Dann steht die GDL da.. "Wie, jetzt? Im neuen Businessplan spielen wir keine tragende Rolle mehr?"
Helmut Fuchs
@Bunte Kuh Die Subunternehmer sind auch auf Personal auf den Zügen angewiesen.
Aber die DB AG sollte vielleicht öfter mal bei der Performance ihrer Manager "schlechte Laune" bekommen.
Die dürfen immer kompromisslos mit dem Kopf durch die Wand. Z.B. mit dem Milliardengrab Stuttgart 21, das sich, wie von Kritikern vorhergesagt, bereits vor Inbetriebnahme als zu klein erweist. Verantwortung übernehmen bleibt dann aber aus, die Zeche zahlen andere.
Ich wüsste z.B. auch gerne, ob die Beschaffung der neuen ICE Bestuhlung ohne größeren Test irgendwelche Konsequenzen für irgendjemanden hatte. 60000 Sitze austauschen zu müssen, weil die einfach für einen großen Teil der Reisenden reine Folterinstrumente waren, das ist schon eine Hausnummer.
Für Fehlentscheidungen Geld raushauen, um dann andere zum Sparen anzuhalten, ist kein sympathischer Zug.
Martin_25
3.2% auf 28 Monate verteilt oder auf 40 macht schon einen Unterschied. Genauere Berichterstattung waere wuenschenswert
Der Cleo Patra
Als wirklich eine der letzten richtigen Gewerkschaften bleiben nur noch die Lokführer. Und dabei sind die Forderungen jetzt nicht so hoch wie hier manche denken und die GdL macht sich schon Sorgen um die Betriebsrenten, zurecht.
Rainer B.
Irreführende Headline! Die DB-AG legt weiterhin kein verbessertes Tarif-Angebot vor und provoziert damit ohne Not weitere Streiks.
Pfanni
Ich selbst bin ja nicht auf die Bahn angewiesen (5 Minuten Fußweg zur Arbeitsstelle). Allerdings wird es wieder einen Kollegen treffen, der weiter weg wohnt und Nicht-Autofahrer aus Überzeugung ist. Seine Bahnverbindung ist grundsätzlich ideal – wenn die Bahn fährt! Wie wird es bei ihm ankommen, wenn Herr Weselsky in den Abendnachrichten mit stolz geschwellter Brust verkündet, wie viele Züge diesmal ausgefallen sind? Und den Bahnkunden für ihre Solidarität dankt, die allerdings keine Wahl hatten!
Elli Pirelli
@Pfanni Ich bin auch wegen einer Urlaubsreise vom Bahnstreik betroffen und behelfe mir mit einem Mietwagen. Dennoch ist Herr Weselsky mein persönlicher Held und einer der Wenigen, der an entscheidender Stelle mit Bodenhaftung und Macht ziemlich cool unterwegs ist. Er erinnert mich immer an die Franzosen, die sich im Arbeitskampf weit weniger gefallen lassen, als die Deutschen. Chapeau! Einer der das Maul aufmacht und mutig ist!
Nur das er in der CDU ist, gibt Rätsel auf.....