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Arbeitskampf bei LieferdienstenAusbeutung wird mitgeliefert

Der Bringdienst Getir steht wegen Union Busting und schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik. Bei anderen Lieferdiensten sieht es nicht besser aus.

Harter Job für wenig Geld: Ein Rider unterwegs in Berlin Foto: Florian Gartner/imago

Berlin taz | Ronnie Thomas kennt sich aus mit schlechten Arbeitsbedingungen. Der Berliner Kurierfahrer hat für den umstrittenen Essenslieferdienst Gorillas gearbeitet und war in der Interessenvertretung der Beschäftigten, dem Gorillas Workers Collective, aktiv – bis er entlassen wurde. „Wir wollten einen Betriebsrat gründen, danach wurde ich gefeuert“, sagt Thomas der taz.

Unterkriegen lässt sich der Rider, wie sich die Fahrradkuriere nennen, davon jedoch nicht. Vor dem Arbeitsgericht klagt er gegen seine Entlassung, mittlerweile arbeitet er beim türkischen Lieferservice Getir. Auch hier prangert er schlechte Arbeitsbedingungen und die Beschneidung von Ar­bei­te­r*in­nen­rech­ten an.

Jeden Monat bekomme ich 100 oder 200 Euro zu wenig ausbezahlt.

Ronnie Thomas, Rider bei Getir

„Erst nach vielen Wochen und Beschwerde-Mails bekommt man den ausstehenden Lohn – wenn überhaupt“, so der Rider. „Wie sollen wir da unsere Miete und unser Essen zahlen?“, fragt Thomas mit Blick auf die Stundenlöhne, die bei Getir nur knapp über dem Mindestlohn liegen. Inzwischen hat er nach dem Vorbild von Gorillas das Getir Workers Collective mitgegründet.

Lieferdienste sind Spekulationsblasen

Der Lieferant Getir (zu deutsch: „Bring!“) wurde 2015 in Istanbul gegründet und ist Mitte vergangenen Jahres in Berlin gestartet. Mittlerweile gehören die lilafarbenen Ku­rier­fah­re­r*in­nen ebenso zum Straßenbild, wie die orangefarbenen Lieferando- oder die schwarzgekleideten Gorillas Rider. Branchenkenner gehen davon aus, dass nicht alle Lieferdienste den knallharten Verdrängungswettbewerb überleben, zumal nur die wenigsten schwarze Zahlen schreiben.

„Da werden Millionen verbrannt, weil diese Unternehmen überhaupt nicht wirtschaftlich arbeiten – trotz der schlechten Arbeitsbedingungen“, sagt Sebastian Riesner, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für Berlin und Brandenburg, der taz. Lieferando, Getir und Gorillas würden nach dem gleichen Geschäftsmodell arbeiten: „Den überwiegend migrantischen Angestellten wird meist nur Mindestlohn gezahlt, die Arbeitsmittel müssen selbst bereitgestellt und der Verschleiß selbst bezahlt werden“, so Riesner. Wie in der gesamten Start-up-Branche seien die Unternehmen Betriebsrats- und Gewerkschaftsfeindlich eingestellt.

Umstrittene Lieferdienste

Lebensmittel-Lieferdienste stehen immer wieder wegen ihrer schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik. Besonders berüchtigt ist der Lieferdienst Gorillas. In Berlin wurde gegen das Start-Up wegen Verstößen gegen das Arbeitsschutzgesetz bereits ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Der Versuch des Unternehmens, die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern, scheiterte vor dem Berliner Arbeitsgericht. Beim Lieferdienst Dropp konnten am Montag ebenfalls Betriebsratswahlen stattfinden, nachdem eine einstweilige Verfügung des Unternehmens gerichtlich gestoppt wurde.

Das prangert auch die Initiative Aktion Arbeitsunrecht an, die am vergangenen Freitag vor einem Getir-Lager in der Warschauer Straße in Friedrichshain gegen Union Busting protestierte und dazu aufrief, nicht mehr bei dem Lieferdienst zu bestellen. Die Initiative wirft dem Unternehmen vor, die Gründung eines Betriebsrates zu torpedieren.

Rot-Grün-Rot will gegen Union Busting vorgehen

Die Geschäftsführung von Getir hingegen weist alle Vorwürfe von sich. Die Initiative zur Gründung eines Betriebsrates sei von Beschäftigten ausgegangen, sagte ein Sprecher am Dienstag zur taz.

Die Gewerkschaft NGG kritisiert, dass Union Busting strafrechtlich meist nicht verfolgt wird. Sie fordert daher eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die im Fall von Betriebsratsverhinderung ermittelt. Der Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Landesregierung sieht das auch vor. „Die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen Union-Busting ist derzeit in Arbeit“, sagt der arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Damiano Valgolio, der taz.

Damit sei es jedoch nicht getan: „Zurzeit ist der Aufenthaltsstatus an das Arbeitsverhältnis gekoppelt, was migrantische Ar­bei­te­r*in­nen erpressbar macht“, so Valgolio. Das zu ändern, sei ebenso wichtig, wie die Schaffung von Räumen, in denen sich die Ar­bei­te­r*in­nen organisieren können.

Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert. Einige darin aufgestellten Behauptungen konnten nicht aufrechterhalten werden.

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7 Kommentare

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  • Die Nachkommen derer, die einst die Arbeiter in die Fabriken prügeln ließen sitzen halt noch immer an den Schalthebeln der Macht.

    Gewählt von uns allen - gewissermaßen als Beifang auf den Kandidatenlisten diverser Parteien.

  • taz-Zitat: "Lieferdienste sind Spekulationsblasen"



    Und die Rider sind für die Arbeitgeber dieser Branche lediglich Bio-/ Humankapital? Wenn die Rider den Arbeitgeber wechseln kommen sie oftmals vom Regen in die Traufe, nach dem Motto: "Was du bei dem Einen vermisst, suchst du beim Anderen vergeblich."



    Haben die Rider in disem Markt eine Wahl?

  • Aha, Fahrradkuriere heissen also Rider. Warum die AutorIn die Bezeichnung übernimmt, bleibt ihr Geheimnis. Schön wäre es , wenn das ausgesuchte Bild dann wenigstens einen Rider zeigen würde und keinen Mopedkurier (die korrekte englische Bezeichnung will mir nicht einfallen).

    Wer nun verantwortlich ist, die Bösen Unternehmen oder die vielen Berliner, die möglichst günstig beliefert werden wollen, kann sich jede(r) selber überlegen.

  • "Union Busting"

    Was war eigentlich schlecht an dem guten alten Begriff "Gewerkschaftsfeindlichkeit"?

    Von einer linken Zeitung sollte man eigentlich eine weniger an Eliten orientierte Überschriftenwahl erwarten.

    Das waren noch Zeiten als Linke meinten, sie würden der Arbeiterklasse nahestehen. (Seufz)

    Heute geht da ohne Abi quasi nichts.

    Die strukturelle Diskriminierung in den Medien, wie sie auch in der Taz zufinden ist, gibt den wenigsten Medienschaffenden nicht zu denken.

    • @rero:

      Bitte das "nicht" streichen.

    • @rero:

      Gewerkschaft klingt halt so bieder und nach Kleingarten, genauso wie Botenjunge. Besser ist schon Union und Rider, das macht was her. Das Problem ist, dass man für diese Berufe keinerlei Qualifikation braucht und die Tätigkeit nur temporär ausgeübt wird. Eine auf Dauer angelegte Organisierung wird so massiv erschwert. Findet sich ein besserer Job oder ist das Studium beendet verlässt man die Firma. Als Zeitungsausträger steht man sich wesentlich besser. Übrigens ist an den Arbeitsverhältnissen die Urbane Gesellschaft schuld, die zu faul ist sich selbst etwas zu kochen oder sich vom Sofa zu erheben um sich eine Pizza zu holen. Man fühlt sich dann solidarisch, wenn man dem Rider 1 oder 2 € gibt, das war es dann.

  • Ich habe in meinem Leben noch nie einen Bringdienst in Anspruch genommen.



    Tatsächlich lebe ich noch.



    Wer macht sowas? Zu faul oder zu dumm, um wenigstens eine Pizza in die Microwelle zu stecken?



    Ihr förder Sklavenarbeit - heißt nur anders. Kann ja jeder entscheiden...... Ne kann er nicht, wenn er nicht auf der Straße landen will.