Arabische Länder zum Ukrainekrieg: Empathie und Schadenfreude
Wie blicken Menschen im arabischen Raum auf Russlands Krieg in der Ukraine? Ziemlich anders als viele im Westen, wie eine Studie zeigt.
Zentrales Ergebnis einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung: Die Menschen dort sehen den Krieg in erster Linie als Ringen zwischen Russland und dem Westen, nicht als Problem ihrer Region.
Zwei Meinungsforschungsinstitute haben dazu Menschen aus Iran und dem Irak sowie den Golfstaaten, der Türkei, Libanon, Jordanien, Israel, Ägypten, Tunesien und Marokko befragt. „Die Menschen sehen (den Krieg) als Krise Europas, nicht als Krise des Multilateralismus oder der globalen Ordnung“, heißt es in der Studie. Dass er als existenzielle globale Krise dargestellt werde, betrachten viele Menschen in der Region als „Heuchelei“.
Dies sei eine typische Reaktion des Globalen Südens, sagte Maha Yahya, Direktorin des Carnegie Middle East Center in Beirut, kürzlich auf einer Podiumsdiskussion zur Veröffentlichung der Studie. Dennoch gebe es auch ein Gefühl der Verbundenheit mit der Ukraine, so die Forscherin. Viele Befragte äußerten Empathie mit den Menschen in der Ukraine – weil sie selbst wissen, wie es ist, in einem Krieg zu leben und von außen angegriffen zu werden.
„Achse der Gleichgültigkeit“
Es gebe nicht nur eine „Achse der Gleichgültigkeit“, sondern auch „eine Art Schadenfreude in Richtung Westen“, sagte Joseph Bahout, Direktor des Politikinstituts Issam Fares an der Amerikanischen Universität in Beirut. Das sei grausam und moralisch verwerflich, aber es gebe in der Region ein zynisches Gefühl der Abrechnung. Die Hälfte der Befragten gab an, dass Russland für den Krieg verantwortlich sei, etwa jeder Vierte sieht aber die USA als Hauptschuldige. In Tunesien, Libanon, Jordanien, Irak, Saudi-Arabien und Ägypten gab sogar eine Mehrheit Washington die Schuld, dass der Krieg andauert – nicht Moskau.
Der Antiamerikanismus sei zwar hoch, habe aber über die Jahre abgenommen, sagte Wissam Saade, Politikwissenschaftler in Beirut. „In der Vergangenheit waren die Menschen gegen das amerikanische Engagement und die Hegemonie in der Region. Jetzt gibt es das Gefühl, dass die Amerikaner in der Region weniger wichtig sein werden.“
In der Studie geht es auch um die Wahrnehmung von Russlands wachsendem Einfluss in der Region. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützt Russland den Machthaber al-Assad, Iran ist strategischer Verbündeter und verkauft Waffen an Moskau, russische Oligarchen legen ihr Geld in Israel an. Man schaue höhnisch in den Westen, der plötzlich die Brutalität Russlands entdecke, so Politikwissenschaftler Bahout. „Die Leute sagen: ‚Wir haben euch gewarnt. Das ist das Russland, das wir kennen. Warum seid ihr so überrascht?‘ “
Zugleich kann die Versöhnung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien als erstes Anzeichen für eine eigene Zeitenwende in der Region gesehen werden. „Die Tatsache, dass China mitten im Krieg in der Ukraine ein Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Iran vermittelt hat, ist auch nicht unbedeutend“, sagte Analyst Bahout. „Ohne den Krieg in der Ukraine wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen.“ Es sei jedoch noch zu früh, um zu sagen, ob China das Machtvakuum füllen könne, das die USA hinterließen.
Anm.d.R.: Die ursprüngliche Version dieses Textes zeigte ein anderes Bild. Dieses haben wir ersetzt durch das Aktuelle.
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