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Antisemitismus an Hochschule HildesheimUmstrittene Präsidentin hört auf

Als die Kritik an einem Seminar zu Palästina laut wurde, reagierte Hochschulpräsidentin Christiane Dienel lange trotzig. Jetzt tritt sie zurück.

Das Seminar an der Hildesheimer Hochschule beschäftigte sich mit palästinesischen Jugendlichen – allerdings einseitig Foto: ap

Hildesheim dpa/taz | Nach Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst zieht sich Präsidentin Christiane Dienel aus der Führung zurück. Zuvor hatte der Senat der Hochschule beschlossen, Dienel nicht länger für eine zweite Amtszeit als Präsidentin zu empfehlen. Die jüdische Gemeinschaft hatte sich über ein Hochschulseminar wegen antiisraelischer Tendenzen beschwert, die Kritik war aber zunächst lange Zeit ungehört verhallt.

Hochschulpräsidentin Dienel teilte in einer persönlichen Erklärung am Mittwochabend mit, sie habe sich um eine Versachlichung der Auseinandersetzung bemüht, die „zunehmend emotional entglitten“ und von schlimmsten Formen der Diffamierung begleitet gewesen sei. Teile der Hochschule hätten den Konflikt auf sie fokussiert, um ihre eigene Verantwortung zu leugnen.

Dienel hatte zuletzt unter anderem erklärt, der betroffenen Fakultät habe es an Gespür im Umgang mit dem umstrittenen Seminar und bei der Auswahl der Dozenten gemangelt. Außerdem habe die Fakultät sie nicht angemessen und vollständig informiert.

Im Interview mit der taz hatte Dienel Mitte Oktober zuletzt Fehler eingeräumt: „Ich glaube, dass unserer Hochschule wie auch anderen der professionelle Umgang mit Fehlern, mit der Qualität von Forschung und Lehre schwerfällt. Es wird oft die sachliche und die persönliche Ebene vermischt. Qualitätsmängel in der Lehre werden als persönliches Versagen gedeutet.“

Verschwörungstheoretische Blogs als Quellen

Zuvor hatte Dienel allerdings trotzig auf Kritik reagiert. Nachdem nicht nur der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sich über das Seminar in einem Schreiben an die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) empört hatte, und bat darum, „dass ein derartiges Seminar nicht mehr in ihrem Zuständigkeitsbereich angeboten wird“, diagnostizierte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahshon, für die Jerusalem Post, die ganze HAWK sei offenbar „a hatred factory“ eine Hassfabrik – keine Hochschule. Dienel twitterte darauf: „Wer ist hier die Hass-Fabrik?“

Ausgelöst wurde der Fall, als die als Lehrbeauftragte angefragte Religionspädagogin Rebecca Seidler das Kursmaterial kritisierte. Es stelle die politischen Aktivitäten Israels einseitig und plakativ dar und basiere teils auf unwissenschaftlichen Quellen wie etwa verschwörungstheoretischen Blogs. Ihre Kritik wurde unterstützt durch die anti-rassistische Amadeu Antonio Stiftung. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bat darum, das Seminar nicht mehr anzubieten.

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13 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Bevor das allgemeine Geraune von wegen man dürfe Israel nicht kritisieren losgeht, empfehle ich die Lektüre der in dem Seminar verwendeten Materialien:

    http://www.audiatur-online.ch/2016/09/08/hass-kampagne-in-hildesheim/

     

    Der BDS hätte das Seminar nicht besser gestalten können :-)

    • 3G
      36656 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Natürlich muss man da vorsichtig sein Jim, nur ist es doch sehr zu bezweifeln ob es solche Konsequenzen gegeben hätte wenn ein pro Israelisches Programm zur diskussion gestanden hätte und sich die Palistinänser beschwert hätten. Und genau über solche Fälle, die es ganz sicher gibt lese ich deutlich zu wenig in den deutschen Medien. Macht es nicht besser, aber fördert doch sehr die allgemeine Wahrnehmung "Isreal bloß nicht kritisieren dürfen" Mentalität in Deutschland.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      besser als das israelische informationsministerium?

  • Wenn alle PräsidentInnen aller Hochschulen zurücktreten müssten, die sich "einseitig" beschäftigen mit irgendwelchen Themen, wäre die deutsche Hochschullandschaft über Nacht eine Wüste. Die Hochschulen, deren Lehre nicht Eurozentristisch, genauer gesagt Westgerichtet strukturiert ist, kann man an einer einzigen Hand abzählen, fürchte ich.

     

    Wobei: Das mit der Wüste wäre womöglich angesichts der herrschenden Zustände gar nicht mal das schlimmste, was passieren könnte. Fehler gehören nun einmal zum Lernen dazu. Ohne die Bereitschaft dazu ist jeder Fortschritt unmöglich. Ein vernünftiger Umgang mit Fehlern wäre also Voraussetzung dafür, dass Hochschulen nicht nur etwas kosten, sondern auch leisten können, was wir uns davon versprechen.

     

    Man sollte selbstverständlich kritisieren dürfen. Nur sollte man die Möglichkeit der Fehlerbeseitigung nicht grundsätzlich ausschließen. Wer lebt, kann schließlich weiter lernen. Jemandem die Fähigkeit dazu abzusprechen, kommt einem Todesurteil gleich. Sollte die Religionspädagogin Rebecca Seidler das getan haben, indem sie nicht die Korrektur sondern die Abschaffung des Kursmaterials samt Verfasserin gefordert hätte, wäre sie als Lehrbeauftragte womöglich noch um einiges ungeeigneter als ihre Konkurrentin um die knappen Mittel.

     

    Dass eine Präsidentin, die das Gefühl hat, persönlich angegriffen und zum Sündenbock gemacht zu werden, zurücktritt, verstehe ich im Übrigen sehr gut. Sehr viel anders, schätze ich, kann sich ein Mensch mit Selbstachtung nicht davor schützen, ebenfalls die Fassung zu verlieren. Und wer nicht mehr imstande ist, zu abstrahieren, der eignet sich nicht mehr als Führungskraft.

     

    Dass diejenigen, die Dienel unter die Gürtellinie treten, diese simple Wahrheit entweder nicht begreifen wollen oder nicht begreifen können, lässt mich annehmen, dass sie den Zeitpunkt für den eigenen Rückzug längst verpasst haben. Womöglich haben sie sich ja schlicht nicht getraut.

  • Leider kann man sich nach diesem Artikel kein Urteil bilden. Frau Deinels Äußerung "Wer ist hier die Hass-Fabrik" ist unprofessionell, das stimmt. Aber wie steht es mit den konkreten Anschuldigungen gegen das Seminar? "Plakativ und einseitig" diese Begriffe sind wenig erhellend. Worum ging es denn konkret? Waren die Anschuldigungen berechtigt? Vielleicht waren sie es. Aber da die taz sie lieber nicht inhaltlich wiedergibt, kann man als Leser eigentlich gar nichts dazu sagen.

  • Plakativ und einseitig? Im Israel-Palästina Konflikt ist alles plakativ und einseitig. Beide Parteien fühlen sich 100% im Recht, d.h. der Konflikt wird auf Ewigkeit weitergehen, wenn niemand einen wirksamen Kompromiss vorlegt. Dass der Zentralrat der Juden höchst einseitig reagiert, ist bekannt.

    • @Kappert Joachim:

      Und was Ihre Pauschalurteil mit der Frage zu tun, inwiefern dieses Seminar antisemitische Propaganda in einer wissenschaftlichten Verpackung verkauft?

      Ohne auch nur einen Blick in die Materie geworfen zu haben suggerieren Sie also, dass der Zentralrat der Juden in dieser Angelegenheit einseitig reagiert. Wie kommen Sie dazu?

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    „Wer ist hier die Hass-Fabrik?“

     

    Sorry, wer als Hochschulpräsidentin (!) so reagiert (auf Twitter!), der ist einfach unprofessionell und gehört abgesägt. Abgesehen davon, dass sie ihren Laden offenbar nicht im Griff hat und Kleinkriege mit einzelnen Fakultäten vom Zaun bricht.

    • @12294 (Profil gelöscht):

      Laden im Griff? Eigenartige Vorstellung von Freiheit der Wissenschaft. Der Meansteam ebnet den rechten Weg....

      • 1G
        12294 (Profil gelöscht)
        @Gottfried Scherer:

        LOL! Darum gehts doch hier gar nicht. Hier gehts darum, dass sie offenbar keine Leadership-Qualitäten hat. Oder mangelhaftes Krisenmanagement.

      • @Gottfried Scherer:

        Wie kommen Sie dazu, die Sicherstellung wissenschaftlicher Qualität der Freiheit der Wissenschaft widerspricht? Denn darum geht es in dieser Sache: Nicht die Aufnahme antisemitischer Propaganda, sondern das Fehlen jeglicher wissenschaftlicher Reflexion (z.B. durch Gegenüberstellung anderer Perspektiven) und Einordnung ist das Problem dieses Seminares gewesen.

        • @ChristianM:

          zu den Behauptungen fehlen auch hier Belege, Beweise, Fakten.

           

          Behaupten kann man ja alles.